Im jährlichen Rhythmus erforscht und feiert das sound:frame-Festival (4.4. bis 21.4.) die audiovisuellen Ausdrucksformen im Kunst- und Clubkontext, an der Schnittstelle von Visuals, Medienkunst, Architektur und Musik. Während weite Teile dieser Szenen traditionell männerdominiert sind, findet man in Österreich besonders viele Frauen als Visualistinnen bzw. VJs, was sich auch im Line-up von sound:frame deutlich bemerkbar macht. Unter der künstlerischen Leitung von Eva Fischer, die das Festival 2007 aus der Taufe hob, hat sich sound:frame mit Ausstellungen, Live-Events, Workshops, Screenings und Diskurs-Programmen mittlerweile zu einer international bekannten Präsentationsplattform für VJs/VisualistInnen etabliert.
dieStandard.at: Sie sind Gründerin und Kuratorin des sound:frame-Festivals, und nach wie vor auch selbst als Visualistin aktiv. Wie sind Sie zum VJing gekommen?
Eva Fischer: Visuals zu machen hat mich seit Beginn meines Studiums interessiert. Ich habe lange Zeit Musik gemacht und bin als Sängerin einer Band aufgetreten. Bei einem Konzert in der ARGE Salzburg 2004 hatten wir einen VJ dabei, mit dem ich etwas später begonnen habe, Visuals zu produzieren. Er hat mir sozusagen die ersten Kniffe und Tricks der VJ-Software – damals "Motiondive" – gezeigt. Ich habe aber dann bald solo weitergemacht und mich dem VJing im Prinzip autodidaktisch genähert.
dieStandard.at: Wie sehr sind denn VJs heute als eigenständige KünstlerInnen anerkannt? In Sachen mediale Präsenz und ökonomische Anerkennung scheinen sie z.B. DJs weiterhin hinterher zu hinken ...
Fischer: Das kommt auf den Kontext an, in dem sie auftreten. Es gibt beispielsweise ClubveranstalterInnen, denen die Visuals relativ wenig bedeuten. Dort werden Projektionen als netter Hintergrund betrachtet. Immer mehr ClubbetreiberInnen oder PromoterInnen sehen das Visuelle jedoch als künstlerischen Zusatz. Dort wird man auch gleichwertig behandelt. Natürlich muss sich aber jede und jeder auch ein bisschen selbst auf die Beine stellen und einfach gewisse Rahmenbedingungen einfordern. In anderen Bereichen wie etwa dem musealen oder auch wirtschaftlichen Bereich ist die Anerkennung ohnehin eine andere. Generell habe ich das Gefühl, dass sich die Visualisierung und vor allem auch die audiovisuelle Kunst und Kultur in den vergangenen Jahren immer besser etablieren konnte.
dieStandard.at: Das offizielle Berufsbild bzw. eine Ausbildung zum/zur "VJ" gibt es allerdings nicht. Was braucht es und wie kostenintensiv ist es, um als VisualistIn arbeiten zu können?
Fischer: Den oder die "VJ" gibt es nicht. Die KünstlerInnen kommen aus den unterschiedlichsten Sphären – Film, Fotografie, Graphic Design oder Multimedia –, eine jede und ein jeder muss und kann sich selbst definieren. Die einen wollen den künstlerischen Weg einschlagen und arbeiten an einer uniquen Handschrift und an konkreten Inhalten. Die anderen wollen sich im Entertainment- oder im wirtschaftlichen Bereich etablieren oder sind vor allem an neuen Technologien interessiert. Um als VisualistIn arbeiten zu können, braucht es also ein grundlegendes Ziel und eine Idee, wohin man sich entwickeln möchte.
In Sachen Equipment und Kosten ist sicherlich alles möglich. Ich habe sehr spannende Visuals erlebt, die mit ein paar Overheadprojektoren und Cut-Outs ausgekommen sind. Auf der anderen Seite kann man beispielsweise in Punkto Mapping ganze Straßenzüge oder Kirchenfassaden bespielen und die fantastischsten Projektionen aufbauen.
Für mich als Kuratorin sind gerade diese unterschiedlichen Ansätze spannend. Ich interessiere mich für individuelle künstlerische Handschriften und kreative Zugänge.
dieStandard.at: Der Themenschwerpunkt des diesjährigen sound:frame-Festivals lautet "collective", mit Fokus auf Netzwerken, Kollaborationen, Interdisziplinarität. Welche Rolle spielt Ihrer Erfahrung nach Geschlecht in den kollektiven Arbeitsprozessen der VJ-Szene?
Fischer: Ich nehme die österreichische VJ-Szene als sehr ausgeglichen wahr und habe das Gefühl, dass das Geschlecht hier erfreulicherweise keinen großen Unterschied macht.
dieStandard.at: female:pressure hat vor kurzem eine Untersuchung veröffentlicht, die aufzeigt, wie massiv unterrepräsentiert weibliche Artists in der elektronischen Musikszene noch immer sind. Demnach bilden die VisualistInnen hier eine positive Ausnahme?
Fischer: Gerade in der heimischen VJ-Szene fällt auf, wie viele Frauen hier aktiv und wie gut vernetzt sie sind – sei es im künstlerischen oder im theoretischen Bereich. Ich denke, dass wichtige Role-Models wie Valie EXPORT oder Brigitte Kowanz, und speziell im Visuals-Bereich etwa Eva Bischof/4youreye, Tina Frank oder Julia Starsky, einen großen Einfluss auf diese Entwicklung hatten.
Ich habe auch das Gefühl, dass sound:frame – wir sind ja ein komplett ausgeglichenes Team mit ziemlich gleich hohem Frauen- und Männeranteil – auch einiges zu einer öffentlichen Wahrnehmung beigetragen hat. Zieht man den Vergleich beispielsweise mit der elektronischen Musikszene, so sind dort traurigerweise viel weniger Frauen sichtbar, und auch mir fällt immer wieder auf, wie wenige Frauen bei internationalen Musikfestivals vertreten sind. female:pressure hat in Österreich sicherlich einiges zu der guten Vernetzung der Szene beigetragen und ist das beste Beispiel für einen kollektiven und vor allem auch interdisziplinären Prozess.
In jedem Fall gibt es in der VJ-Szene in Österreich zahlreiche Solokünstlerinnen wie etwa Anna Blume, FreakA oder Lia, Künstlerinnenteams wie Mottenlicht oder told_, aber vor allem auch gemischte Mann-Frau-Crews wie 4youreye, Hand mit Auge, Taxon, Luma.Launisch oder Neonrost, um nur ein paar zu nennen.
dieStandard.at: Wie prekär sind die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich – kann man vom VJing leben? Beobachten Sie auch hier in Sachen Bezahlung einen Gender Gap?
Fischer: Um vom VJing leben zu können, muss man sich – zumindest ist das in den meisten Fällen so – wohl oder übel auch vom geliebten Clubbereich trennen können. Viele VisualistIinnen haben ihre Brotjobs bei Unternehmen, visualisieren Firmenevents oder Werbekampagnen. Einige sind auch im künstlerischen und theoretischen Bereich tätig und unterrichten an Kunstuniversitäten oder Fachhochschulen.
Wenn wir wiederum von Clubs sprechen, so ist der Gap zwischen VJs und DJs sicherlich nach wie vor gegeben. Es ist noch meistens so, dass auf vier DJs ein/e VJ oder eine VJ-Crew kommt, die meist auch noch weniger bezahlt bekommt. Wie gesagt, man muss sich da auf die Beine stellen und Lösungen anbieten, die für alle okay sind – zum Beispiel als einzig/e gebuchte/r VJ nicht die ganze Nach durch live spielen, sondern das VJing auch als spezielle Performance betrachten, die eben zur Primetime live zu erleben ist, während im Rest der Nacht eine "Hintergrund-Projektion" läuft.
dieStandard.at: VJing hat sich in und mit der Clubkultur entwickelt, ist aber zunehmend auch in Museen und Galerien präsent, wie auch das Programm von sound:frame zeigt. Könnten letztere, wie manche befürchten, die Clubs als Auftraggeber ablösen?
Fischer: Ich bin mir sicher, dass sich der Club nicht verdrängen lässt, da das Feiern, das Hedonistische und das gesellschaftlich Kollektive, das hier passiert, nicht so schnell abgelöst werden wird – das hoffe ich zumindest.
Meiner Erfahrung nach kann es nur positiv sein, wenn sich die Kontexte erweitern und sozusagen immer mehr möglich wird und neue Ebenen der Auseinandersetzung ins Spiel kommen. Das bedeutet natürlich auf der einen Seite, dass man sich als VJ oder VisualistIn entscheiden muss, kann aber auch heißen, dass man sich in mehreren Bereichen gut zurecht findet und der eine Kontext den anderen befruchtet. Für mich ist diese Entwicklung also nur ein logischer Prozess. (Vina Yun, dieStandard.at, 3.4.2013)