"Falle" für bisher 400.000 registrierte Antimaterieteilchen: der Teilchendetektor AMS (Mitte) auf der Internationalen Raumstation ISS.

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Logo der Alpha-Magnet-Spektrometer-Kollaboration.

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Genf/Wien - Wissenschaftlich ist Antimaterie zwar längst nachgewiesen. Das gelang aber bisher recht selten. Im Gegensatz dazu kommt Antimaterie in der Science-Fiction wie selbstverständlich vor: Bei "Star Trek" etwa dient eine Materie-Antimaterie-Reaktion als Energiequelle für den Warp-Antrieb des Raumschiffs. Und Dan Brown wiederum ließ im Roman "Illuminati" Wissenschafter vom Cern in Genf gar sichtbare Mengen davon herstellen.

Tatsächlich lassen sich Antiteilchen und auch Antimaterie-Atome mittels Teilchenbeschleunigern erzeugen: 2010 konnten am Cern 38 Antiwasserstoff-Atome nachgewiesen werden; im Juni 2011 schafften es Cern-Physiker gar, 309 Antiwasserstoffatome fast 17 Minuten lang " einzufangen".

Mehr Materie als Antimaterie

Mit deren Analyse will man letztlich auch die Frage klären, warum nach dem Urknall geringfügig mehr Materie als Antimaterie entstand. Das war wiederum eine der Voraussetzungen für die Stabilität des Universums und somit letztlich auch für das Leben auf der Erde. (Bei genauem Gleichgewicht hätten sich Materie und Antimaterie nämlich vollständig in Strahlung umgewandelt.)

Apropos Strahlung: Erstmals wurde Antimaterie 1932 in der kosmischen Höhenstrahlung entdeckt: Es handelte sich um ein sogenanntes Positron, das positiv geladene Antiteilchen des Elektrons ("Posi" steht für die positive Ladung, "tron" kommt vom Elektron). Nach eben diesen Antiteilchen in der Höhenstrahlung sucht seit 2011 der Alpha-Magnet-Spetrometer (AMS), ein 8,5 Tonnen schwerer und 1,2 Milliarden teurer Teilchendetektor, der auf der Internationalen Raumstation ISS installiert ist.

Gestern haben die beteiligten Physiker unter der Leitung von Nobelpreisträger Samuel Ting (MIT in Cambridge) die ersten Ergebnisse der Antimaterie-Suche vorgelegt. Wie die Physiker bekannt gaben, waren in den ersten 18 Monaten, die AMS im Betrieb ist, 400.000 Positronen aufgespürt worden - ein deutlicher Überschuss an Antimaterie. Das ist nicht nur die höchste je im All gemessene Zahl an Antimaterieteilchen. Die Physiker konnten auch das Energiespektrum der Positronen bestimmen, das in der überwiegenden Mehrzahl zwischen 10 und 250 Gigaelektronenvolt lag.

Doch wie kommt es zu diesem Überschuss an Antimaterieteilchen? Das ist die eigentliche Frage, die von den rund 500 am AMS beteiligten Physikern beantwortet werden soll. Dazu gibt es wiederum zwei alternative Ansätze, und einer davon steht im Zusammenhang mit einem der großen Rätsel der modernen Astrophysik, nämlich dem der Dunklen Materie, die nach heutigen Annahmen knapp 80 Prozent aller Materie im Universum ausmacht und viel häufiger ist als jene Materie, aus der Planeten und Sterne aufgebaut sind.

Rätsel der Dunklen Materie

Der Theorie der Supersymmetrie zufolge könnten Positronen dadurch entstehen, dass zwei hypothetisch angenommene Dunkle-Materie-Teilchen zusammenstoßen und sich gegenseitig auslöschen. Die Positronen könnten damit einen entscheidenden Schritt im Rätsel um die dunkle Materie weiterhelfen. Allerdings gibt es noch eine zweite Erklärung: Sie könnten auch von Pulsaren stammen, schnell rotierenden Neutronensternen, die Positronen ins Weltall schleudern.

Doch womöglich können die AMS-Daten diese zweite Erklärung verwerfen helfen: Die Positronen trafen nämlich aus allen Richtungen gleichmäßig auf den Teilchendetektor - was sich besser mit der Dunklen Materie verträgt, die gleichmäßig um unsere Galaxie verteilt sein müsste.

AMS soll jedenfalls noch bis 2020 Daten liefern. Doch so lange wird man laut Samuel Ting nicht warten müssen, um die Frage nach der Herkunft der Antimaterie zu beantworten: "Schon in den nächsten Monaten wird uns AMS endgültig sagen können, ob diese Positronen ein Signal der Dunklen Materie sind oder nicht." (Klaus Taschwer/DER STANDARD, 4. 4. 2013)