Die Summit Station ist eine Forschungseinrichtung liegt 3.300 Meter über Meer und damit auf dem höchsten Punkt des Grönländischen Eisschilds. Betrieben wird sie durch die US National Science Foundation.

Foto: Konrad Steffen, WSL

Im Juli 2012 kam es auf dem zentralen Grönländischen Eisschild zu einer rekordverdächtigen Eisschmelze. Schuld daran war nicht ausschließlich die Klimaerwärmung, wie eine aktuelle Untersuchung zeigte. Vor allem eine seltene Konstellation aus dünnen Wolken und eindringender Warmluft führte zu dem enormen Eisverlust. Dünne, tief liegende Wolken ließen zwar die Sonnenenergie passieren, hinderten jedoch die Wärmestrahlung daran, die erdnahe Luftschicht zu verlassen, wie Wissenschafter der Universitäten von Wisconsin, Idaho und Colorado, der NOAA, sowie der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in der Zeitschrift "Nature" berichten.

Wissenschafter aus aller Welt versuchen zu verstehen, wie schnell sich Grönland erwärmt, denn die dortige Eisschmelze trägt zum globalen Anstieg des Meeresspiegels bei. Der Grönländische Eisschild weist weltweit das zweitgrößte Eisvolumen auf, nur die Antarktis ist noch größer. Im Juli 2012 waren mehr als 97 Prozent des Inlandeises oberflächlich angetaut, sogar bei der Station des amerikanischen Nationalfonds, die am höchsten Punkt des Eispanzers liegt. Aus Eisbohrkernen am gleichen Ort wissen die Wissenschafter, dass die Eisoberfläche dort zum letzten Mal 1889 schmolz. Allerdings ist nicht bekannt, ob damals ebenfalls der ganze Eisschild betroffen war

"Die Eisschmelze im Juli 2012 wurde ausgelöst durch ungewöhnlich warme Luftmassen, die von Nordamerika nach Grönland flossen. Doch das war nur ein Faktor", sagt David Turner, Meteorologe bei NOAA und einer der Leiter der Studie. "In unserem Artikel zeigen wir, dass tief liegende Wolken mit einem geringen Anteil an kondensiertem Wasser den Temperaturanstieg an der Eisoberfläche über den Gefrierpunkt trieben; dies ließ das Eis oberflächlich schmelzen."

Seltene Bedingungen

Wolken können die Oberfläche des Eisschilds abkühlen, wenn sie die Sonnenergie in den Weltraum reflektieren, bevor diese den Boden erreicht. Indem sie die erdnahe Wärmeenergie zurück zur Oberfläche strahlen, tragen sie aber auch dazu bei, dass sich die Oberfläche erwärmt. Das Gleichgewicht dieser beiden Prozesse hängt von zahlreichen Faktoren wie z.B. der Windgeschwindigkeit, der Luftfeuchtigkeit und Wolkendicke, den Turbulenzen und dem Gehalt an flüssigem Wasser in den Wolken ab. Bei gewissen Bedingungen können Wolken dünn genug sein, um die Sonnenstrahlung durchzulassen, während infrarote Strahlung (Wärmestrahlung) am Boden quasi gefangen bleibt. Genau dies passierte im vergangenen Juli: die Wolken hatten gerade die richtige Dicke, die Eisoberfläche konnte sich maximal erwärmen.

Die Forscher fanden auch heraus, dass solche dünnen, tief liegenden Wolken an 30 bis 50 Prozent aller Sommertage über Grönland und der Arktis liegen. Die derzeit vorhandenen Klimamodelle unterschätzen deren Häufigkeit in der Arktis tendenziell. Sie können daher nur begrenzt vorhersagen, welchen wärmenden oder kühlenden Einfluss Wolken auf langfristige klimatische Veränderungen haben.

"Die an der Summit Station erfassten Informationen zur Wolkenbeschaffenheit und zu atmosphärischen Prozessen stellen einen einzigartigen Datensatz dar, mit dem zahlreiche wissenschaftliche Fragen beantwortet werden können", sagt Turner. "Wolken spielen eine immense Rolle bei der Ermittlung der gesamten Massen- und Energiebilanz des Grönländischen Eisschilds. Durch den Meeresspiegelanstieg kann sich das Schmelzen der weltweit größten Eisschilde signifikant auf die Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt auswirken", ergänzt er.

Wolken-Wissen kann Klimamodelle verfeinern

"Die Ergebnisse dieser Studie dürften uns helfen, einige der Schwierigkeiten zu erklären, die aktuelle Klimamodelle bei der Ermittlung des Energiehaushalts der Arktisoberfläche haben, einschließlich des Einflusses der Wolken", sagt Ralf Bennartz, Erstautor des Nature-Artikels und Professor an der Universität von Wisconsin-Madison. "Darüber hinaus unterstreicht diese Studie die große Bedeutung langfristiger, bodennaher Beobachtungen über dem Grönländischen Eisschild. Nur derart detaillierte Messungen werden uns helfen, die Prozesse besser zu verstehen, die das arktische Klima steuern. (red, derStandard.at, 06.04.2013)