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Offshore-Leaks: 86 Journalisten aus 46 Ländern waren an Aufarbeitung beteiligt. Das Projekt ist die "vermutlich größte journalistische Zusammenarbeit in der Geschichte", schreibt das Internationale Konsortium für investigative Journalisten.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

An der Auswertung der "Offshore-Leaks", einem spektakulären Datensatz über Nutzer von Steueroasen, waren 86 Journalisten aus 46 Ländern beteiligt. Es handelt sich dabei um eine der größten grenzüberschreitenden Kooperationen im investigativen Journalismus. Die brauchbaren Informationen sind 260 Gigabyte groß und beinhalten 2,5 Millionen Dateien, davon mehr als 2 Millionen E-Mails. Anhand des Datenmaterials konnte die rasante Entwicklung einer riesigen Offshore-Industrie über einen langen Zeitraum hinweg nachvollzogen werden, wie das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington auf seiner Homepage schreibt.

Kein heimischer Journalist Mitglied im ICIJ

Im deutschen Sprachraum waren nur Journalisten der "Süddeutschen Zeitung", von "NDR" und "Schweizer Sonntagszeitung" beteiligt. Die Recherchen dauern bereits seit vergangenem Oktober an. Kein österreichischer Journalist ist Mitglied im ICIJ. Die Daten gingen nur an Mitglieder.

Journalisten drei Monate freigestellt

Für die Schweiz beteiligte sich "SonntagsZeitung/Le-Matin-Dimanche" in Bern. Im Interview mit persoenlich.com schildert Recherchedesk-Chef Oliver Zihlmann wie die Zusammenarbeit mit Washington funktionierte: "Wir stellten zwei Journalisten für drei Monate komplett frei".

Neue Impulse für den Journalismus

"Der Anfang war analog. Ausgerechnet per Post kam die Festplatte, auf der die geleakten Geheimdateien über die Offshore-Dienstleister in Steuerparadiesen lagen. Und zwar 260 Gigabyte Geheimdateien – ausgedruckt entspricht das etwa 500.000 Ausgaben der Bibel. Kein Mensch könnte das in seiner Lebenszeit lesen", beschreibt Bastian Brinkmann von der "Süddeutschen Zeitung". Im SZblog erklärt er, wie Computer-Forensik das Offshore-System entschlüsselte. Die Offshore-Leaks werden dem Journalismus neue Impulse geben. Sie zeigen die Richtung auf, wie Qualitätsjournalismus der Zukunft funktioniert: vernetzt, kritisch, analytisch. Die Datenmenge sei 150 Mal größer als der Umfang der Botschaftsdepeschen von WikiLeaks, sagt Brinkmann.

Gegenentwurf zu WikiLeaks

Das ICIJ bezeichnet das Offshore-Leaks-Projekt als "vermutlich größte journalistische Zusammenarbeit in der Geschichte". Über die "Story hinter dem Leck" schreibt meedia.de und kommt zu dem Schluss: "Obwohl Wikileaks durch interne Querelen, die Anklage gegen Julian Assange und finanziellen Schwierigkeiten weitestgehend von der publizistischen Bildfläche verschwunden ist, ist das Thema Leaking nicht tot. Auch ohne die prominente Whistleblowing-Plattform sind weltumspannende, große Leaks möglich, bei denen international Medien zusammenarbeiten."

"Das Projekt ist aus meiner Sicht ein Gegenentwurf zu WikiLeaks", sagt der Datenjournalist Sebastian Mondial der Nachrichtenagentur dpa. "Wir haben von vornherein versucht, Geheimhaltung und Quellenschutz nach vorn zu stellen." Mondial wurde im Februar 2012 als Experte für die Analyse großer Datenmengen eingeladen, an dem Enthüllungsprojekt mitzuwirken.

Riskante Variante

Dass man mit einem Team aus fünf oder sechs Investigativjournalisten nicht weit kommen würde, sei schnell klar gewesen, erzählt Marina Walker Guevara vom ICIJ dem Nieman Journalism Lab. Deshalb habe man die riskante Variante, Journalisten weltweit am Projekt zu beteiligen, gewählt. Am 7. April, eine Woche vor dem Tax Day in den USA, wird die "Washington Post" ihre Rechercheergebnisse veröffentlichen, heißt es.

Update: In Deutschland forderte am Freitag Finanzminister Wolfgang Schäuble von Medien, den Datensatz über mutmaßliche Steuerflüchtlinge an die Behörden weiterzugeben. Das erhöhe bei bisher bremsenden Staaten möglicherweise die Bereitschaft, länderübergreifend zusammenzuarbeiten.

Die Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) lehnt die Weitergabe der Daten ab und rechtfertigt ihre Entscheidung mit dem Schutz von Informanten. Ähnlich äußerte sich der Norddeutsche Rundfunk (NDR), der in Deutschland ebenfalls an den Recherchen beteiligt ist. (red/APA, derStandard.at, 5.4.2013)