Die Malerin Ursula Hübner lebte früher in einer partyfreudigen Künstler-WG in Wien-Mariahilf. Heute wohnt sie hier alleine. Warum das eine herrliche neue Erfahrung ist, erzählte sie Maik Novotny.

"Als ich Anfang der Achtzigerjahre zum Studium nach Wien gekommen bin, waren Freundinnen von mir gerade in dieses Haus eingezogen. Ursprünglich war das eine Möbelfabrik, die später dann zu einer Hausgemeinschaft über vier Geschoße mutiert ist, mit nur einer Gemeinschaftsküche und einem einzigen schmutzigen Badezimmer. Mein erster Gedanke: Hier kann ich auf keinen Fall wohnen! Später wurden die Geschoße getrennt, und die gröbsten Bauarbeiten waren zu Ende. Da bin ich dann doch noch eingezogen.

"Keine Tür ist im rechten Winkel, und der kleine Tisch hier stammt aus einer Flaubert-Inszenierung." Ursula Hübner in ihrer halben Ex-WG im sechsten Bezirk. (Foto: Lisi Specht)
Foto: Lisi Specht

Zu Beginn hatten wir nicht einmal eine Wohnungstür. Von der Straße konnte man einfach so, also ohne Schlüssel, in die Zimmer gelangen. Ich glaube sowieso: Je offener die Türen sind, desto weniger passiert. Na ja, irgendwann saßen dann aber die Junkies von der Drogenberatungsstelle Ganslwirt hier im Stockwerk, und das war uns dann doch zu hart. Also haben wir eine Tür eingebaut.

Wir wohnten hier zu fünft auf 270 Quadratmetern – drei Männer und zwei Frauen. Kunststudenten, Tischler, Bühnenbildner und Kunsterzieher. Es war ein lebendiger Treffpunkt. Ende der Achtziger habe ich hier ein Jahr lang eine der ersten Wohnzimmergalerien Wiens betrieben. Im Schlafzimmer waren die Ausstellungen, im Wohnzimmer war Party. Es war eine fröhliche Zeit! Und man musste auch nicht groß aufpassen. Nach der Party haben wir halt den Boden aufgewischt. Später dann ist es mir oft passiert, dass völlig Unbekannte plötzlich meinten: 'Ich war schon mal in deinem Schlafzimmer!'

Man konnte hier immer sehr gut mit Möbeln improvisieren. Einige der Fenster stammen aus irgendeinem Container, andere aus einer Fabrik, alles kam von irgendwo und wurde selbst eingebaut. Und keine Tür ist im rechten Winkel. Die Wohnung ist wirklich eine Art Collage.

Und die Möbel genauso: Vieles kommt von der Caritas oder aus Bühnenbildern, die ich entworfen habe. Bei einigen Möbeln weiß ich noch genau, in welchen Stücken sie mitgespielt haben. Der kleine Tisch hier zum Beispiel ist aus einer Flaubert-Inszenierung. Der riesige grüne Kasten ist eines meiner Lieblingsmöbel. Früher waren da meine Kleider drin, jetzt die Bücher. Ich liebe Möbel mit Erfahrung. Anstatt etwas wegzuwerfen, versuche ich immer, einen Teil zu retten oder etwas Neues daraus zu machen. Ich habe so gut wie nie ein Möbelstück neu gekauft.

Am besten gefällt mir an dieser Wohnung, dass das Licht aus so vielen Richtungen kommt. Morgens ist das Licht im Schlafzimmer. Ich habe bewusst keine Vorhänge, weil ich so mit der Sonne aufwachen kann. Am Nachmittag ist das Licht dann im Atelier. Genau die Zeit, in der ich am liebsten arbeite.

Sogar das WC ist ein toller Ort: Von dort aus sieht man die Busstation vom 13A, und immer wenn ich runtergeschaut habe, haben die Leute in meine Richtung geschaut, als würden sie mich sehen. Dabei haben sie nur die Fassade bewundert, weil die so toll und wild war, ein richtig verwunschenes Eck, fast wie ein Schloss mit einem Fabrikschlot. Seit das Haus außen saniert wurde und dadurch seine Originalität verloren hat, schaut niemand mehr hoch. Schade. Ich habe die Fassade noch ganz hysterisch fotografiert, bevor sie renoviert wurde.

Meine Mitbewohner sind nach und nach ausgezogen, und irgendwann waren wir zu dritt, dann zu zweit, und schließlich wurde die Wohnung geteilt. Seit 2006 lebe ich hier alleine auf 135 Quadratmetern. Das hat Vor- und Nachteile. Bis zu meinem 49. Lebensjahr habe ich nie allein gewohnt, und ich konnte mir kaum etwas anderes vorstellen. Inzwischen finde ich es aber herrlich, allein zu sein." (DER STANDARD, 6./7.4.2013)