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"Keine Idee eines höchsten Seienden": indonesische Arbeiter beim Reinigen einer Buddha-Statue.

Foto: EPA/DEDI SAHPUTRA

Um sich "Buddhist" nennen zu können, genügt es, zu Buddha Zuflucht zu nehmen und am eigenen Erwachen zu arbeiten. Es ist nicht nötig, dass die Vorstellung davon mit der von irgendjemand anderem übereinstimmt.

Wenn der Buddhismus in Österreich trotzdem am 25. November 1982 als "Religion" staatlich anerkannt wurde und die 3100 Mitglieder der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft (ÖBR) Privilegien daraus ableiten, hat das zwei Gründe: 1. den kulturellen Wandel traditionell asiatischer Formen der Lehre und 2. den in den 1970er-Jahren kursierenden "Sektenverdacht" gegen alles, was von der Norm der Gesellschaft abwich (die ÖBR feiert ihr 30. Anerkennungsjubiläum erst heuer, weil das entsprechende Gesetz zwar 1982 beschlossen, aber erst im Februar 1983 verlautbart wurde).

25.000 Praktizierende im Land

Der Buddha-Kosmos kennt keine Idee eines höchsten Seienden, keine erste Ursache aller Dinge; nichts darf ungeprüft angenommen werden. Nur eine Minderheit der geschätzt 25.000 Praktizierenden im Land vermag darin einen "religiösen Kult" zu sehen. Die Mehrheit spricht lieber von einem "Lebensstil", einer "Weisheitslehre" oder "Psychologie der Praxis".

Da Buddha auch die bescheidenste persönlichste Erfahrung gelten lässt, erfährt seine Lehre grundverschiedene Auslegungen. In Österreich gibt es heute Vipassanaa- und Achtsamkeitsmeditationen der Theravaada-Schulen, Zen-Suchenden stehen Reinigungs- und Rückzugsrituale, "Sesshins" und "Retreats", zur Verfügung. Der Vajrayana-Buddhismus wird durch tibetische Orden und Gruppen vertreten. Es gibt Götter- und Dämonenglauben neben ironischen Agnostikern; aufgeklärte neben glaubensbetonten Strömungen, die die Überlegenheit der Frömmigkeit über das Denken postulieren.

Über die Ausbreitung des Buddhismus

Die Ausbreitung des Buddhismus verläuft ähnlich wie die der Pizza vom Armeleutefladen in Neapel zu einem Paradebeispiel "italienischer Kochkunst": Einfache Güter erfahren eine Bedeutungsaufwertung, wenn sie plötzlich von anderen Kulturen entdeckt werden, und wirken dann positiv auf das eigene Selbstverständnis zurück. 1880 setzten zwei führende Theosophen auf der Suche nach der "Urreligion" den Fuß nach Ceylon und räumten mit einem "Buddhistischen Katechismus" dem Glaubensbekenntnis eine veritable Legitimität ein.

Diese Gleichsetzung des Buddhismus mit einer Religion resultierte auf der Weltausstellung in Chicago 1893 sofort in seiner Eingliederung in die Big Five der Weltreligionen. Dass seine Anhänger weder über einen einheitlichen Ritus noch über einen heiligen Text verfügten, schien im Dienst der gegenseitigen Toleranz bereits vernachlässigbar.

Buddha im Baumarkt

Die streng rationale und logische Lehre des Buddha, der vor 2500 Jahren vermutlich in Taxila, der multikulturellen Hauptstadt des persisch beherrschten Achämenidenreiches, studiert hat, ist in zirka 84.000 Lehrtexten niederlegt. Diese wurden von Indologen in Wien und London um die Wette ins Deutsche und ins Englische übersetzt – mit einem weiteren Pizzaeffekt in Südasien. Heute wandern im Westen beliebte Meditationsformen nach Asien zurück.

Und dass die Pogrome von Nationalisten in Myanmar weltweit als "buddhistische Massaker an Muslimen" wahrgenommen werden, ist die vorläufig letzte Pointe auf der Globalparty. Der Aufstieg zur Bekenntnisreligion macht im Gegenzug Buddha als neuen Gartenzwerg sehr sympathisch. Nichts treibt nostalgische Buddhisten mehr auf die Palme als der lächelnde Buddha aus dem Baumarkt für 3,99 Euro.

Organisation im Jahrzehnt des Sektenverdachts

Den Austrobuddhisten gelang es nach Anläufen 1923 und 1947 erst im Jahrzehnt des großen Sektenverdachts, sich wirksam zu organisieren. Moon-Gemeinschaft und Scientologen missionierten auf der Straße, die AAO-Kommunarden am Friedrichshof rühmten sich der Unterstützung durch Kanzler Bruno Kreisky. Die Anerkennungsbehörde war gewarnt und verzögerte den Schutz des Buddhismus neun Jahre lang bis zu einer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Als prominente Unterstützer der Anerkennung fanden sich lange nur die Schriftsteller Albert Drach und Ernst Schönwiese.

Kultusamtsleiter Karl Anderle ließ sich 1978 ein heute verschollenes "Religionsbekenntnis" und eine "Andachtsordnung" vorlegen, 1982 ein Statut für den Dachverband. Der erste Präsident der ÖBR, Walter Karwath, hatte noch persönlich die staatliche Verfolgung der Juden als einer ausgestoßenen Minderheit miterlebt.

Eidesstattliche Erklärung von 1000 Personen

Zu guter Letzt verlangte die Republik Österreich von eintausend Personen die eidesstattliche Erklärung, im Fall einer Anerkennung der neuen "Glaubensgemeinschaft" beitreten zu wollen. Erst die Ministerratsvorlage vom 3. September 1982 attestierte dem Buddhismus, eine "Selbst- bzw. Welterlösungslehre" zu sein, ein "letzter Hort aller wirklichen Werte". Das zuständige Unterrichtsministerium prüfte die Buddhisten auch in Hinblick auf den möglichen "Gottesdienst" und die "Seelsorge". Ein anderes als das christliche Vokabular stand dem Staat noch nicht zur Verfügung.

In der ÖBR sitzt heute vieles beisammen, was in Asien geografisch nie miteinander Kontakt hatte. Wären die Christen derart organisiert, fänden sich Katholiken, Quäker und Zeugen Jehovas unter einem Verbandsdach wieder. Die staatliche Anerkennung einer Religion erleichtert den Zugang zu Patienten und Gefangenen, zu öffentlichen Mitteln für soziale Einrichtungen, sie verstärkt den Schutz der Zentren und die Präsenz in Medien.

Dass Deutschlands Buddhisten über keine Körperschaft des öffentlichen Rechts verfügen, liegt nicht allein am Mangel an Masse. Dort kritisieren Theravaada- und Zen-Buddhisten offen das Religionskonzept. Die deutsche Dachgesellschaft heißt bewusst "Union" und nicht "Religionsgemeinschaft". Die Rolle der Frauen, Missbrauch in Klöstern und Depressionen unter Mönchen sind keine Tabuthemen.

Verzicht auf feste Mitgliedsbeiträge

Vom Judentum übernahm die ÖBR den Verzicht auf feste Mitgliedsbeiträge. Während man zu Weihnachten ein Bodhibäumchen für die Kleinen aufpflanzt, also bereitwillig "verwestlicht", treibt das Dana-Prinzip des "erwartungslosen Gebens" die Buddhisten in eine chronische Abhängigkeit von spendablen Gönnern. Von den ÖBR-Mitgliedern ist die Hälfte in 29 Orden und Gruppen organisiert, 50 Prozent davon sitzen in Wien. Sie geben im Sanga-Rat, dem Rat der Gruppen, den Ton an; ungebundene Mitglieder haben keine eigene Stimme. In ganz Österreich leben 32 Nonnen und Mönche, etwa 40 Personen sind als ehrenamtliche Hospizhelfer tätig, zwölf Buddhisten erteilen Religionsunterricht.

Der innerbuddhistische Dialog ist eine Fiktion und hat keinerlei Auswirkung auf Lehrtraditionen. Das Gruppenleben dreht sich überall um ursprungstreu bewahrte Quellen des Wissens, setzt ein Guru-System mit Abstammungslinien, Ermächtigungen und Autorisierungen von Ordinierten durch Ordinierte voraus.

7000 Euro Baukosten pro Toten

Zur Positivbilanz der ÖBR gehören traditionsübergreifende Familienpujas und ein folklorefreier Friedhof. Eine Gruppe am Wiener Zentralfriedhof bietet Platz für 184 Suchende am Ende des Lebenspfads. Die Errichtungskosten von 90.000 Euro wurden von der ÖBR selbst getragen. Das macht für die in den ersten sieben Jahren gezählten sieben Erd- und sechs Urnenbestatteten den beträchtlichen Aufwand von 7000 Euro Baukosten pro Toten. Davon können Verblichene anderer Konfessionen nur träumen.

Die Funktionäre des Verbands machen in öffentlichen Konflikten nicht immer eine gute Figur. Als 2002 das Kalachakra-Tantra in Graz 2002 heftig kritisiert wurde, versicherte man am Fleischmarkt, dass die frauenverachtenden Texte des Rituals nur aus "mystischer Innenschau" richtig verstanden werden könnten. Auch die dramatische Spaltung der tibetischen Gelug-Schulen setzt sich in der ÖBR fort, was zur pikanten Situation führt, dass just das einzige buddhistische Kloster in Österreich dem Dachverband nicht angehört.

Zwar sind die meisten Mönche am Letzehof in Feldkirch ÖBR-Mitglieder, das Zentrum selbst aber untersteht Gonsar Tulku Rinpoche, der als Oberhaupt von Rabten Choeling in Mont Pèlerin in der Schweiz das mit dem Dalai Lama verfeindete Lager repräsentiert. Es habe in den letzten 15 Jahren "nie eine Aufforderung zum Beitritt des Klosters" gegeben, betont der Ehrwürdige Helmut Gassner vom Letzehof – während ÖBR-Präsident Gerhard Weißgrab alle " Schwierigkeiten rund um das tibetische Exil" weit von sich weist: "Eine Aufforderung zum Beitritt ist bei uns nicht Usus."

Trend zum "säkularen Buddhismus"

International indes gibt es einen Trend zum "säkularen Buddhismus": So existieren etwa ungläubige Buddhisten wie Martine und Stephen Batchelor, die seit 1997 Wiedergeburt, Zölibat und die Mystifizierung von Lehrtraditionen verwerfen. Sie diskutieren lieber mit Psychotherapeuten, Tiefenökologen und Neuen Atheisten. Am spannendsten gestaltet sich heute die Konfrontation des Buddhisten aber mit den Vertretern der sogenannten "Non-Philosophie", wie sie von den Franzosen François Laruelle und Quentin Meillassoux betrieben wird.

Die Autoren des E-Journals "non + x" fahnden nach einer Faktizität, die zu keinem notwendigen Sein mehr zurückführt. Phänomene wie diese lassen den Schluss zu, dass die Liebe zu "überweltlichen Wahrheiten", zumindest auf den Buddhismus bezogen, international auf mehr Widerstand stößt als in Österreich. (Wolfgang Koch, DER STANDARD, 6./7.4.2013)