Sind Sie im Sternzeichen Widder? Dann leiden Sie oft unter Kopfschmerzen, weil der Planet Mars über Sie regiert. Außerdem nehmen weibliche Widder zwischen 40 und 60 Jahren rund um die Taille zu, ab 60 aber unternehmen sie etwas gegen ihr Übergewicht. Ihre Pendants, die männlichen Widder, trinken im Alter vergleichsweise viel – ab dem 60. Lebensjahr sollten sie ihren Alkoholkonsum drastisch einschränken.
Diese Feststellungen und Tipps sind nachzulesen in "Gesundheitsfaktor Sternzeichen – Astro-Medizin für den Alltag". In diesem Buch wurden 140.000 Patientendaten aus Vorsorgeuntersuchungen statistisch erfasst: Körpergröße, Gewicht, BMI, Blutdruck, EKG, Laborwerte, Antworten zur Selbsteinschätzung im Gesundheitsverhalten und Angaben über bestehende Erkrankungen. Die Daten wurden anschließend mit den Sternzeichen verglichen.
"Die Idee der Auswertung dieser Daten entstand aus dem Interesse, ob Personen, die an Hand ihres Geburtsdatums kategorisiert sind, sich in ihren Tendenzen und Messungen unterscheiden", erklärt Christian Temml, Wiener Internist und Epidemiologe. Da bei der Auswertung deutliche Unterschiede feststellbar waren, sei daraus die Idee entstanden, das Buch zu veröffentlichen - gemeinsam mit der Astrologin Adelinde Rumpler. Ziel sei es gewesen, dass sich die Leser darin selbst wiederfinden und "vielleicht ihre Motivation zu steigern, etwas zu tun", sagt Temml. Die Astrologie zeige für ihn Wahrscheinlichkeiten und Tendenzen auf – wie etwa auch in der Medizin. Die Kunst, so der Internist, bestünde darin, "Individualität mit berechenbaren Richtungen in Einklang zu bringen."
Die Veröffentlichung dieses Buches stößt dabei auf Kritik: Bedenklich findet es etwa der Astronom Stefan Uttenthaler, "wenn ein bekannter Mediziner so ein Buch verfasst, weil das den Anschein weckt, als würde die Medizin allgemein die Astromedizin als anerkanntes Wissen ansehen – was sicher nicht der Fall ist".
Randgebiet der Astrologie
Astromediziner ziehen aus Himmelskörpern Schlussfolgerungen über Gesundheit und Krankheit. Sie glauben, medizinisch relevante Konstellationen zu erkennen und sprechen ihnen eine Bedeutung bei der Entstehung von Krankheiten zu. Der kanadische Wissenschaftler Peter C. Austin hat Daten von mehr als zehn Millionen Personen zusammengetragen und ausgewertet. Anders als Temml konnte er keinen Kontext zwischen Sternzeichen und bestimmten Krankheiten feststellen. Scheinbare statistische Zusammenhänge seien laut ihm jedoch nicht ausgeschlossen, wenn die Studie unachtsam durchgeführt und keine klaren Hypothesen formuliert worden seien.
Temml begründet die verschiedenen Studienergebnisse damit, dass unterschiedliche Untersuchungen unterschiedliche Ergebnisse liefern würden und das noch lange nicht hieße, dass "nur einer Recht hat". Und weiter: "Ich habe nie behauptet, dass ein Zusammenhang zwischen Sternzeichen und bestimmten Erkrankungen besteht, sondern scheinbar mögliche Tendenzen und Neigungen."
Die Astromedizin macht nicht nur Prognosen zur möglichen Erkrankungen – sie hat auch Einfluss auf Operationen, denn sie bestimmt den Zeitpunkt für medizinische Eingriffe: Bestimmte Konstellationen von Himmelskörpern seien laut der Astromedizin für medizinische Belange als günstig oder ungünstig anzusehen. Bereits in der Antike etwa galt der Mondwechsel für operative Eingriffe als ungeeignet: ein abnehmender Mond wirkt energieabbauend, ein zunehmendem Mond hingegen stärkt angeblich den Körper.
Im Extremfall birgt die Astromedizin also die Gefahr, ernsthafte Krankheiten zu verschleppen, weil dringende Operationen wegen des Mondes verschoben werden. Das tatsächlich Gefahrenpotential schätzt Uttenthaler aber als gering ein: "Ich habe den Eindruck, dass der Kreis der Anwender von Astromedizin eher klein ist."
Willkürliche Pseudowissenschaft
Auch wenn die Astromedizin also eher als Randgebiet gesehen wird, haben manche Wissenschaftler den behaupteten Zusammenhang zwischen Mond und medizinischen Eingriffen empirisch untersucht – das Ergebnis: Der Mond ist für den Operationserfolg irrelevant.
Das mag nicht weiter verwundern – wird die Astrologie doch von vielen Wissenschaftlern als eine auf Willkür basierende Pseudowissenschaft gesehen: "Dass Gestirne im Himmel irgendeinen Einfluss auf den Menschen haben, ist eine Behauptung, die nach Beweisen harrt", sagt etwa Uttenthaler. Und auch der Astronom Florian Freistetter fragt sich in seinem Blog, weswegen sich die Astrologen bis heute auf keine "Theorie" einigen konnten, denn derzeit würde "verschiedene astrologische Lehren" angewendet werden. Zudem sei nicht nachvollziehbar, welche Himmelskörper verwendet würden – und welche nicht.
Dass die Astrologie generell dennoch hoch im Kurs liegt und Horoskope gelesen werden, mag am so genannten "Barnum-Effekt" liegen: Die Inhalte sind derart allgemein gehalten, dass sich jeder Leser darin wieder erkennt. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 8.4.2013)