Erwin Wurm will eigentlich nicht über seine Privatautos reden. Er sitzt als Künstler hier, nicht als Autofahrer. Um das Thema abzukürzen: Privat fährt Wurm einen Range Rover Sport und einen Aston Martin Vantage, das ist nicht die schlechteste Wahl und zeugt von Geschmack.

Wurm überlegt, vom Vantage auf einen DBS oder DB9 umzusteigen. Das freut Aston-Martin-Chef Ulrich Bez, dem wir davon erzählt haben. Wenn Bez das nächste Mal nach Wien kommt, würde er Erwin Wurm sehr gerne kennenlernen. Uns würde es freuen, dabei zu sein. Der Chefkonstrukteur von Aston Martin rät übrigens zum günstigeren DB9, der hat alles, kann alles und hat aus seiner Sicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wurm fährt viel Auto. Das liegt auch daran, dass er zwischen Wien und Limberg pendelt. In Limberg in Niederösterreich wohnt er, dort hat er sein großes Atelier, dort arbeitet er. Stützpunkte gibt es aber auch in Wien, das Atelier in der Taborstraße gibt er jetzt auf. Bisher kam er zu seinen Mitarbeitern nach Wien, in Zukunft werden sie zu ihm nach Limberg kommen. Wurm liebt das Land, er liebt Ruhe, vor allem aber liebt er Raum. Wurm, dem im Juli der Große Österreichische Staatspreis verliehen wird, arbeitet am liebsten dreidimensional. Das braucht Platz. Den hat er in Limberg.

Erwin Wurm. Staatspreisträger mit Geschmack. (Foto: www.corn.at)
Foto: Heribert Corn www.corn.at

Wurm ist kein Getriebener, aber ein Rastloser. Der 59-Jährige arbeitet viel, immer an mehreren Projekten gleichzeitig. In Paris hat er in der Galerie Ropac eben erst eine Ausstellung eröffnet, "Wittgenstein's Grammatik der Leibesübungen", eine andere Ausstellung läuft in Lille, Frankreich, und eine in Krakau, Polen.

Derzeit überlegt er, wie er seine übermalten und überzeichneten Aktfotografien, die bis Februar in einer Einzelausstellung in der Albertina unter dem Titel "De Profundis" zu sehen waren, ins Dreidimensionale übersetzen kann. "Ich möchte etwas mit richtigen Figuren machen", sagt er, "den Körper in einen anderen Körper transformieren". Noch hat er keine Lösung, wie er das umsetzt.

Neue Heimat für die Wurst

Und er schreibt: Wurm hat von Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann den Auftrag für ein Stück bekommen. Es werden Monologe sein, "es gibt keine Handlung", erzählt er. Thema: Die Realität des Künstlers. "Mehr kann ich noch nicht sagen." Hartmann selbst möchte inszenieren, und Wurm überlegt bereits eine optische Umsetzung, eine Art Bühnenbild, keines im klassischen Sinn. Die Arbeit soll noch heuer fertig werden.

Ein Projekt macht ihm derzeit besondere Freude: eine Friterie, ein Auftrag aus Lille, von Artconnexion, einer französischen Künstlerplattform. "Das war eine wirklich skurrile Anfrage, darum mache ich das jetzt." Das Modell ist bereits fertig. Die Friterie, eine Art Würstelstand auf Rädern, ist fett geworden, geschmolzen, eine Art Reminiszenz an die legendären Fat Cars. Das Innenleben ist bereits vorhanden, im April beginnt Wurm mit der Umsetzung der Außenhaut. Noch heißt das Modell La Barraque à Tout. Wenn die Friterie fertig ist, soll sie "Bob" heißen.

Eine Friterie namens "Bob", noch im Rohzustand. (Foto: Atelier Wurm)
Foto: Atelier Wurm

Zu Autos hat Wurm ein entspanntes Verhältnis. Fortbewegung ist ihm wichtig, auch weil er selbst so viel unterwegs ist. Nicht nur im Auto, Wurm reist viel und mit Inbrunst, quer um die Welt. Dennoch ist das Auto sein Lieblingsfortbewegungsmittel, dem er sich auch künstlerisch annähert.

Mit der Expansion als gestalterischem Konzept setzte sich Wurm schon in der 80ern auseinander, besonders bekannt sind die "Fat"-Skulpturen, die Anfang der 2000er-Jahre umgesetzt wurden: Statussymbole, auch kleinbürgerliche Statussymbole wie das Einfamilienhaus oder das Auto, werden aufgebläht und verfettet. Besonders skurril ist das beim Auto als Symbol der Mobilität: Durch sein enormes Volumen wird das Auto unbeweglich – ein groteskes, fettes Monster.

Kleinbürgertum grotesk: Fat Car. (Foto: Atelier Wurm)
Foto: Atelier Wurm

Da steckt neben der Idee und der Kreativität viel Arbeit dahinter. Wurm mutiert das Auto durch Materialaufschichtungen in einen anderen Zustand, das ist ein enormer Aufwand. Da werden Schichten um Schichten an Polyester aufgetragen und abgeschliffen, die Außenhaut wird lackiert und poliert, insgesamt ein heikler Vorgang. Und es ist auch ein Materialaufwand: Tatsächlich stecken in den Skulpturen echte Autos drinnen, besonders deutlich sieht man etwa beim roten Porsche Cabrio.

Die sechs Fat Cars sind allesamt gut untergebracht, Wurm weiß von jedem Modell, wo es steht: In Australien oder den USA, in Japan ist eines mit einem fetten Haus kombiniert, andere Modelle stehen in Wien und Graz. Es gab zu diesen lebensgroßen Skulpturen auch kleinere Modelle, interessant ist da die Wertsteigerung. Wurm selbst hat die Modelle damals um 10.000 Euro verkauft, unlängst wurde eines dieser kleinen Fat Cars bei Christies um 130.000 Euro versteigert.

Schiefe Optik

Andere Beispiele von Wurms Auseinandersetzung mit dem Thema Auto sind der schiefe Renault oder der gebogene VW Bus, beides einigermaßen skurrile Objekte und Belege auch für Wurms technischen und handwerklichen Perfektionismus. Der Renault 25, eine Arbeit aus dem Jahr 2008, steht im Humblebak Louisiana Museum of Modern Art in Dänemark und schaut aus, als wäre er einem Zeichentrickfilm entfleucht.

Der Wagen ist schief. Wenn man den Wagen in die Landschaft stellt, schaut es aus, als ob er in Bewegung wäre und sich in die Kurve legen würde. "Das Auge misstraut der Realität", sagt Wurm. Man muss erst mehrere Male hinschauen, um zu begreifen, dass der Wagen tatsächlich schief und statisch ist und alles andere unverändert. Eine schnelle Idee, aber ein enormer Aufwand in der Umsetzung: Den Wagen kann man eben nicht biegen, man muss ihn zerlegen, die meisten Teile neu anfertigen und wieder zusammensetzen. Schief eben. Wurm macht das.

Realität trifft auf eine Art von Renault 25. (Foto: Atelier Wurm)
Foto: Atelier Wurm

Gebogen ist auch der VW Bus, mit dem sich Wurm 2006 auseinandersetzte. Der VW Bus ist telekinetisch um die eigene Achse verbogen. Wurm hatte ursprünglich bei Uri Geller in der Schweiz angefragt, ehe er auf den indischen Guru Mahesh Abayahami kam: Der verlangte für das Kunststück 2000 Dollar und einen Flug in der Business-Class. Wurm sollte nur bekanntgeben, in welche Richtung der VW Bus gebogen werden müsse, und alle Lichter abdrehen.

Ob Guru Abayahami jemals seinen Flug in der Business-Class angetreten hat, weiß man nicht so genau, jedenfalls ist der Bus gebogen und steht im Museum. Ein Wunder. Wurm verweist noch auf ein paar andere Beispiele seiner grotesken Auseinandersetzung mit der Mobilität: Der geschmolzene Porsche, von dem nur noch das Dach zu sehen ist, oder der Pritschenwagen, der gerade die Hausmauer runtergefahren ist und mit zwei Rädern schon auf der Straße steht, mit den hinteren aber noch vertikal an der Hausmauer.

Schlicht. Und schnell

Sachen zu verbiegen, die sich nicht biegen lassen, oder Menschen in ungewöhnliche Situationen und Positionen zu bringen, ist ein wiederkehrendes Element in Wurms Arbeit. Er durchbricht die Erwartung und die Gewohnheit des Betrachters, der irritiert vor einem Objekt steht und sich denkt: Das kann nicht sein.

Wurm selbst mag es schlicht. Schlicht schön. Gerne auch schnell. Früher fuhr er Porsche, heute Aston Martin. Aber er hängt nicht dran. Schönheit ist sowieso relativ, und prinzipiell gefallen ihm die alten Autos, bei allem Misstrauen seinem eigenen Geschmack gegenüber, besser. Die heutigen Autos: schirch. Mit ein paar Ausnahmen. Ulrich Bez wird sich freuen. (Michael Völker, Rondomobil, DER STANDARD, 6.4.2013)