Dass Mangel an Bildung für verschiedene Formen des "Aberglaubens" besonders anfällig macht, ist bekannt; dass auch geistige Halbbildung oftmals mit "wissenschaftlichem Aberglauben" korreliert, ist freilich ebenso offenkundig. Man muss ja nicht unbedingt selbst zu den " Gebildeten unter den Verächtern der Religion" gehören - nur sollte man sich dann auch nicht selbst fortwährend auf "Bildung" und "Aufklärung" berufen, andernfalls macht man sich damit, in kämpferischer Pose gar, eher lächerlich. Das war es wohl auch, was Josef C. Aigner jüngst in seiner Reaktion auf Renée Schroeder sagen wollte - wer wollte ihm da widersprechen?

Für aufgeklärte Geister übrigens immer noch erinnernswert: "Wenn ich höre, daß ein nicht gemeiner [sondern heller, ein "bright" vielleicht] Kopf ... die Hoffnung eines künftigen Lebens, und das Dasein Gottes wegdemonstriert haben solle, so bin ich begierig, das Buch zu lesen, denn ich erwarte von seinem Talent, daß er meine Einsichten weiterbringen werde. Das weiß ich schon zum voraus völlig gewiß, daß er nichts von allem diesem wird geleistet haben, nicht darum, weil ich etwa schon im Besitze unbezwinglicher Beweise dieser wichtigen Sätze zu sein glaube, sondern weil mich die [Kritik der reinen Vernunft] völlig überzeugt hat, daß, so wie die zu bejahenden Behauptungen in diesem Felde ganz unzulänglich ist, so wenig und noch weniger werde sie wissen, um über diese Fragen etwas verneinend behaupten zu können" (Immanuel Kant).

Indes, man wird es dem alten Aufklärer Kant (der Religion jedenfalls noch für "Vernunftsache" und nicht einfach für "Quatsch" hielt), gewiss ankreiden müssen, dass er bei diesen "nicht gemeinen Köpfen" damals nicht auch schon an Frauen gedacht hat ... (Übrigens: Die neuerdings in österreichischen und deutschen Zeitungen/Magazinen kursierende Frage " Wozu braucht es Religion?" hätte er wohl als ebenso unsinnig abgewiesen wie die Frage "Wozu braucht es Glück?" bzw. "Was hast du davon?")

"Faulheit und Feigheit" hätte Kant jedenfalls nicht allein jenen Gemütern attestiert, die es sich in einem fremdbestimmt-naiven Kinderglauben behaglich-bequem einrichten oder geistige Infantilität und unbefriedigte Nasch-Lust bei Sinn-Buffets womöglich als zeitgemäße " Spiritualität" inszenieren. Sein Vorwurf der "Faulheit und Feigheit" galt und gilt ebenso jenen Zeitgenossen, die die von ihm benannten Themen mit pseudo-aufgeklärtem Gestus und missionarischem "Dogmatismus" eifrig von vornherein als "Unsinn" abtun.

Der große Aufklärer G. C. Lichtenberg hat wohl immer noch recht: "Man spricht viel von Aufklärung und wünscht mehr Licht. Mein Gott, was hilft aber alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben, oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen? ... Bei den meisten Menschen gründet sich der Unglaube in einer Sache, auf blinden Glauben in einer andern."

Wie wohltuend ist es da, im Vergleich zu jener grassierenden pseudo-kritischen (Natur-)"Wissenschaftsgläubigkeit", wenn sich zum Beispiel auch jener aufgeklärt-"freigesinnte" (und bekanntlich durchaus religionskritische) Gottfried Keller über jenen beherzten "Apostel des Unglaubens" lustig macht, der mit seiner missionarischen Gottesleugnung gerade so tut, "als ob die Welt in der Tat von ihrem größten Feinde und Bedrücker" befreit werden müsste ... Sehr aktuell, oder?

Rund um seinen 250. Geburtstag mag es erlaubt sein, auch an den so souveränen Aufklärer Jean Paul zu erinnern, der seinen feinen Spott nicht zuletzt über diejenigen - angeblich aufgeklärten - Gemüter ausgegossen hat, die noch immer - und zwar in Berufung auf die strenge Wissenschaft - "jetzo das Dasein Gottes so kaltblütig und kaltherzig erwägen, als ob vom Dasein des Kraken und Einhorns die Rede wäre ..."

"Aufklärung" hat zweifellos mit "Bescheid wissen" zu tun - Letzteres impliziert aber auch eine behutsame "Selbstbescheidung" gegenüber bloß vermeintlichen Wissensansprüchen (auf beiden Seiten); andernfalls bleiben nämlich auch die selbsternannten "Aufklärer" über sich selbst " unaufgeklärt" - und wären, so noch einmal Kant, in buchstäblichem Sinne " vermessen", d. h.: "das Längenmaß seiner Kräfte (des Verstandes)" und der Wissenschaft (und ihrer methodischen Beschränkung) verkennend. Als Gegenteil von "aufgeklärt" galt Kant eben "Borniertheit". Gebildete Aufklärer wie Gottfried Keller, G. C. Lichtenberg und Jean Paul wussten dies noch.

Kants Frage bzw. Antwort steht jedenfalls immer noch als Mahnung bzw. Provokation im Raum: "Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter?, so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung". (Rudolf Langthaler, DER STANDARD, 11.4.2013)