Das Weltmuseum Wien, vormals Museum für Völkerkunde, zeigt wie Schöpfungsgeschichten in asiatischen Kulturen getanzt werden
Ansichtssache
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Robert Haidinger
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Das Weltmuseum Wien, vormals Museum für Völkerkunde, zeigt, wie Schöpfungsgeschichten in asiatischen Kulturen getanzt werden
Das Wiener Museum für Völkerkunde ist ab dem 17. April 2013 Geschichte. Unter dem neuen Namen Weltmuseum Wien wird es als erste Ausstellung "Getanzte Schöpfung - Asien zwischen den Welten" zeigen und sich mit asiatischem Tanz als Verbindung zwischen Menschen und Gottheiten befassen. Dem Shiva Nataraja, der durch Tanz die Welt immer wieder aufs Neue erschafft, ist in Wien ein eigener Raum gewidmet. Doch den asiatischen Tanz nach Österreich holen, das versuchten schon andere: Mit metaphysischen Querverweisen tat dies etwa bereits der österreichische Physiker Fritjof Capra.
"Eines Nachmittags im Spätsommer saß ich am Meer und sah, wie die Wellen anrollten, und fühlte den Rhythmus meines Atems, als mir plötzlich meine Umgebung als Teil eines kosmischen Tanzes bewusst wurde. Als Physiker wusste ich, dass sich der Sand und die Felsen, das Wasser und die Luft aus pulsierenden Molekülen und Atomen zusammensetzten." Aus der Perspektive des Physikers näherte sich Fritjof Capra in seinem 1975 erschienenen Buch Das Tao der Physik, das längst zur New-Age-Bibel erklärt wurde, dem indischen Tanz.
Der Rhythmus von Erzeugung und Zerstörung war dem Wissenschafter vertraut: Periodisch entstehen und zerfallen die subatomaren Teilchen und verdichten sich zu den wesentlichen Eigenschaften aller Materie. Uralt ist diese Metapher des indischen kosmischen Tanzes: Die Darstellungen Shivas, der als Nataraja auf Apasmara Purusha, dem Dämon der Unwissenheit, tanzt, symbolisiert nach der Überlieferung ebenjene Wellenbewegung: ein Bein auf dem Boden, ein zweites in der Luft, kein Stillstand, kein Ende in Sicht.
Die Visualisierung kosmischer Rhythmen, das kultische Tanzritual, eroberte im Laufe der Jahrtausende die Bühnen, in rudimentärer Form sogar die Kinoleinwände Bollywoods. Doch die im vor 2200 Jahren verfassten Klassiker Natya Sastra festgelegten Bewegungen von Kopf und Körper wurden dabei beibehalten. Gemeinsam mit der Musik und den Kostümen soll diese Körpersprache über die Welt der Worte hinausgehen, eine bestimmte Empfindung vermitteln.
Teil des Ausstellungskonzepts von "Getanzte Schöpfung" ist es, nicht beim Musealen zu bleiben: Zahlreiche asiatische Kompanien werden zeitgenössische Choreografien und die dazupassende Ausstattung mitbringen. Im Bild: eine Tanzmaske für die thailändische Performance "Black and White".
Besucht man die im Norden der südindischen Stadt Trichur gelegene Tanzschule von Cheruthuruthy, wo junge Inder zum Kalamandalam, zum Meister des Kathakali-Tanzstils heranreifen, lässt sich dieser Ansatz kaum übersehen: Jene Handvoll diplomierter Darsteller, die jedes Jahr die Schule verlässt, ist mit diesem minimalistischen Vokabular des Menschseins ausgestattet: Neun Gesichtsausdrücke - Liebe, Tapferkeit, Mitleid, Erstaunen, Hohn, Angst, Ekel, Zorn und Heiterkeit - stehen ihnen dann zur Verfügung, ein Repertoire, das, wie es der Schweizer Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung beschrieb, das kollektive Unbewusste der Menschheit ausdrückt.
Aber Asien ist weit, alt, erfindet sich immer wieder neu. Demnach erscheint es als gute Idee, in die Getanzte Schöpfung auch zeitgenössische Tänzer und Choreografen aus Bali, Java, Indien, Japan, Thailand und Korea als Kokuratoren miteinzubeziehen. Über persönliche Objekte wie Kostüme und Requisiten, aber auch durch die Auswahl musealer Artefakte loten diese Künstler die fortwirkende Aufladung asiatischer Tanzkunst von innen heraus aus. Fließende Übergänge zwischen der nur unscharf gezogenen Trennlinie von "Gegenwart" und "Vergangenheit" - sie teilt die interaktiv gestaltete Ausstellung in zwei Bereiche - ergeben sich da wie von selbst.
Tanzende Holzfiguren, Burma
Sie erlauben Einblicke in die Rolle des Tanzes im koreanischen Schamanismus, nähern sich den Masken japanischer No-Tradition, rücken die Rolle des kambodschanischen Khmer-Tanzes für ganz Südostasien in den Blickwinkel - und bringen zuletzt viel Bewegung in die Wiener Museumswelt: Denn neben der Möglichkeit zum interaktiven "Tanzunterricht" gibt es bei Getanzte Schöpfung nicht zuletzt auch viele Workshops und Performances, die vermeintliche Musealität durchbrechen.
"Getanzte Schöpfung. Asien zwischen den Welten" 17. April bis 30. September, Weltmuseum Wien
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