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Sebastian Vettel hat das Band mit Mark Webber endgültig gekappt.

Foto: AP Photo/Mark Baker

Shanghai - Bevor Sebastian Vettel mit einem Lächeln in die Schlacht zog, verteilte er noch schnell ein paar Küsschen an eine Red-Bull-Mitarbeiterin. Dann trat der Weltmeister lässig und selbstbewusst vor die Presse. Zehn Kamerateams und rund 50 Journalisten belagerten das eigentlich recht große Motorhome von Red Bull, das in den folgenden 40 Minuten aber viel zu klein war. Alle wollten Vettel nach der Stallorder-Affäre von Malaysia reden hören, und der Champion sprach Klartext wie lange nicht mehr. Von Reue keine Spur, er startete durch zur Attacke gegen seinen (Noch-)Teamkollegen Mark Webber.

"Ich habe den Funkspruch nicht verstanden. Hätte ich ihn verstanden, hätte ich darüber nachgedacht, die Positionen zu halten. Aber ich hätte wohl wieder so gehandelt, weil Mark es wegen Vorkommnissen in der Vergangenheit nicht verdient hat, dass ich als Zweiter durch das Ziel fahre", sagte der Deutsche vor dem Großen Preis von China (Sonntag 9.00 Uhr/RTL und Sky), "ich habe nie Unterstützung von ihm bekommen."

Frontale Attacke

Webber bekam von "Monster" Vettel, wie ihn das renommierte Magazin Autosport nach den Vorkomnissen beim letzten Rennen nannte, die volle Breitseite. Im Wissen um seine uneingeschränkte Hausmacht bei den Bullen legte der dreimalige Champion noch einmal nach. "Fakt ist: Ich fahre Rennen, war schneller als er und habe ihn überholt", sagte Vettel, "ich entschuldige mich nicht dafür, das Rennen gewonnen zu haben. Ich sehe mich nicht als Bad-Boy."

Das Verhältnis zu Webber beschrieb Vettel als "professionelle Beziehung, aber ohne Vertrauen". Wenn man seine Aktion als Retourkutsche interpretieren wolle, "kann man das machen". Und er würde es wieder tun. Unter anderem spielte Vettel mit seinen Vorwürfen auf das Saisonfinale im vergangenen Jahr in Brasilien an, als ihn ein Manöver Webbers fast den WM-Titel gekostet hätte.

Keine Order mehr

In Malaysia hatte Vettel eine Teamorder missachtet und war an dem in Führung liegenden Webber vorbeigezogen. Red Bull hatte wegen des daraus resultierenden Zoffs unter der Woche verkündet, in Zukunft wegen der Vorfälle auf eine Stallorder zu verzichten - und Vettel damit quasi eine Absolution erteilt. Von Sky-Experte Marc Surer bekam er Rückendeckung: "Nette Fahrer werden nicht Weltmeister."

Von seinem Rivalen Fernando Alonso (Ferrari) hagelte es dagegen Kritik. "Am Ende wirst du von deinem Team bezahlt und musst machen, was sie dir sagen. Jeder im Team hat eine Position, die muss er respektieren", sagte der Spanier, "Iker Casillas ist bei Real Madrid als Torwart angestellt und kann auch nicht einfach Stürmer spielen, wenn er dazu Lust hat."

Kriegserklärung

Vettel gab, gewollt oder nicht, tiefe Einblicke in das Seelenleben des Teams und machte deutlich, dass der Graben zwischen ihm und Webber wohl nicht mehr zuzuschütten ist. Der Champion muss den frustrierten Australier, der während seiner Pressekonferenz fast seine Backenzähne zermalmte, im Kampf um die WM in dieser Saison nun wohl mehr denn je fürchten.

Auch wenn er nicht von einem offenen Krieg sprechen wollte, sagte Vettel: "Um ganz ehrlich zu sein, gab es nie Unterstützung von seiner Seite." Nach der Saison wird Vettel wohl ein neuer Kollege an die Seite gestellt, Webbers Vertrag läuft aus und soll angeblich nicht mehr verlängert werden. Vettels Kumpel Kimi Räikkönen (Lotus) zeigt bereits Interesse.

Er würde auf eine echte Sieg-Maschine treffen. Auf gewisse Weise ist Vettel sogar "stolz" auf seine Aktion, weil man "als Sportler ja in diesen Tunnel kommen will, wenn alle Dinge wie von alleine passieren". Und: "Als Racer war ich auf den Sieg fokussiert." Den Funkspruch, die Positionen zu halten, habe er einfach nicht verstanden. Nachgefragt haber er aber auch nicht.

Allerdings wiederholte er erneut, sich nicht absichtlich über die Order des Teams hinweggesetzt zu haben. "Dafür habe ich mich entschuldigt", sagte Vettel, und "ehrlich gesagt, haben die Leute nicht verstanden, wofür ich mich entschuldige". Das Monster wird weiter bei Red Bull seine Küsschen verteilen. Nur nicht an Webber. (SID, 11.04.2013)