Wien (APA) - 1,05 Millionen Österreicher waren im Jahr 2011 armutsgefährdet. Dies geht aus der am Freitag veröffentlichten Österreich-Auswertung des EU-Sozialberichts SILC hervor, der die aktuellsten Zahlen zum Thema versammelt. Zählt man noch Personen, die unter sogenannter "materieller Deprivation" leiden sowie jene, die kaum oder gar nicht erwerbstätig sind, hinzu, gelten 1,4 Millionen als "armuts- oder ausgrenzungsgefährdet". Generell zeigen die vorgelegten Zahlen eine stabile Datenlage, im Langzeitvergleich seit 2008 gab es einen Rückgang, wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bei einer Pressekonferenz ausführte.

Als Schwelle für die Armutsgefährdung gilt ein Haushaltseinkommen von 1.066 Euro (zwölf Monate) für Alleinlebende (pro Kind werden 320 Euro dazugezählt, pro weiterem Erwachsenen 533 Euro). Unter "erheblicher materieller Deprivation" leiden Personen, die wesentliche Grundbedürfnisse kaum oder gar nicht stillen können, dazu zählen etwa eine Urlaubswoche pro Jahr oder eine geheizte Wohnung. Wer über der Armutsgrenze lebt, aber davon betroffen ist oder kaum oder gar nicht arbeitet, ist für die Statistiker "ausgrenzungsgefährdet".

Hundstorfer: Österreich auf gutem Weg

Die Gesamtzahl von 1,4 Millionen ist gegenüber dem Jahr 2010 um 34.000 Personen angestiegen. Dies liegt aber laut Statistik Austria, die den Bericht im Auftrag des Sozialministeriums erstellte, innerhalb der statistischen Schwankungsbreite. Signifikant sei im Langzeitvergleich zu 2008 dagegen ein Rückgang um 125.000 Personen. Dieses Jahr ist deswegen von Belang, als die EU damals ihre sogenannte "2020-Strategie" zur Armutsbekämpfung beschloss. Armut ist aber offensichtlich ein komplexeres Phänomen geworden: Wie die Statistik Austria ausführt, waren 2011 388.000 Personen mehrfach von diesen Problembereichen betroffen. 2004, als der EU-SILC erstmals erstellt wurde, waren es "nur" 282.000 Personen.

Österreich sei aber jedenfalls auf gutem Weg, hielt Hundstorfer in Bezug auf die EU-weit angepeilten Ziele fest: Bis 2018 will Österreich demnach die Gesamtzahl der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten um 235.000 Personen verringern. Mit 125.000 Personen weniger zum Stand 2011 sei man "einer der wenigen EU-Staaten, die das gemeinsame Ziel auch tatsächlich umsetzen". Wichtigster Hebel für die weiteren Bemühungen sei die Beschäftigungspolitik: Erwerbstätigkeit verringert die Armutsgefährdung, lautet die Formel.

Heinisch-Hosek warnt vor Altersarmut

Wobei auch Österreich seine "Working poor", also Personen, die trotz Job arm sind, hat: 5,4 Prozent der Erwerbstätigkeiten bzw. 198.000 Personen betrug er 2011. Mit ein Grund seien auch die insgesamt 900.000 Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse, so Hundstorfer. "50 Prozent" von ihnen seien "unfreiweillig", und "dieser Anteil der Unfreiwilligen soll nicht wachsen". Unterstützt wurde er darin von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die schon lange vor der Teilzeitfalle vor allem zu Frauen, die letztendlich zu Altersarmut führe, warnte.

Die aktuelle Österreich-Auswertung des Sozialberichts EU-SILC liefert der SPÖ im Wahljahr Argumentationsfutter in Sachen Wohnen und Familienförderung. Die Zahl jener Personen, die mehr als ein Viertel ihres Haushaltseinkommens für Wohnen aufwenden müssen, sei deutlich gestiegen, betonte Hundstorfer. Und Heinisch-Hosek pochte erneut auf bessere Rahmenbedingungen für Familien, da die Erwerbstätigkeit von Frauen immer wichtiger wird, um Familien vor Armut zu schützen.

"Wohnen wird besser, aber teurer"

"Wohnen wird besser, aber auch teurer", konstatiert die Statistik Austria trocken in ihrer Studie. Zwar litten 2011 deutlich weniger Personen unter "prekärer Wohnqualität" (etwa kein WC in der Wohnung, dunkle Wohnräume, Feuchte oder Schimmel). Doch das hat seinen Preis: "Der Anteil der Personen, deren Wohnungsaufwand ein Viertel des jährlich verfügbaren Haushaltseinkommens übersteigt, befindet sich 2011 auf einem historischen Höchstwert."

Dieser Anteil beträgt insgesamt 19 Prozent, bei den Armutsgefährdeten sogar zwei Drittel, und ausschließlich auf die Mieter bezogen 40 Prozent, sagte der Sozialminister. Zahlen, die Heinisch-Hosek und Hundstorfer auf die Regierungs-Arbeitsgruppe zum Thema Wohnen hoffen lassen - wobei SPÖ und ÖVP ja mit ihren Vorstellungen noch sehr weit auseinander sind.

Armutsfalle Teilzeitarbeit

Auch für ihre Ideen für eine Reform der Familienförderung findet die Frauenministerin im EU-SILC Argumente. Etwa angesichts der Zahlen über Alleinerzieherinnen: Arbeiten sie, betrage das Armutsrisiko 18 Prozent, bei keiner Erwerbstätigkeit dagegen 57 Prozent, so Heinisch-Hosek. Und je mehr gearbeitet wird, desto besser: "Fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit", und damit drohe spätestens im Alter Armut.

Einmal mehr pochte Heinisch-Hosek daher auf den weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, den sie unter anderem mit einer Umschichtung der Familienfördermittel erreichen will. Ihre Pläne, die Familienbeihilfe zu erhöhen, diverse Absetzbeträge dafür zu streichen und dadurch eventuell frei werdendes Geld in die Kindergärten zu stecken, wurden aber von der ÖVP bisher abgelehnt.

Die beiden SPÖ-Minister sahen ihre Linie durch den Armutsbericht grundsätzlich bestätigt. Die Beschäftigungspolitik sei wesentlich für die Armutsbekämpfung, ebenso wie gute Ausbildung, "angemessene Lohnbedingungen" - Heinisch-Hosek bekräftigte die Forderung der SPÖ-Frauen nach 1.500 Euro Mindestlohn - sowie Rahmenbedingungen für arbeitende Eltern, fassten sie ihre Schlussfolgerungen zusammen. (APA, 12.4.2013)