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Sonnenaufgänge haben seit jeher auch mythische Bedeutung. Naturwissenschaftlich sind es - Sonnenaufgänge.

Für Franz Prohaska ist Wien ein idealer Boden für Engel, Schamanen und Hellseher. Seit 25 Jahren veranstaltet der Münchner in Deutschland und Österreich esoterische Messen. Seit Freitag laufen in der Wiener Stadthalle wieder einmal die Esoterik Tage, gut 3000 Besucherinnen und Besucher werden bis Sonntag erwartet. Und für November hat Prohaskas Eso-Team GesmbH auch schon wieder drei Tage in der Halle E gebucht. " Wien ist eine prosperierende Stadt, mit Ausgeglichenheit und Zufriedenheit, in Berlin wird mehr gemeckert", meint Prohaska.

Das Programm reicht vom Spirit-Schnuppertrommeln und energethischen Räuchern über Gruppenhypnose bis hin zu telepatischer Kommunikation mit Verstorbenen und Außerirdischen. Diese Bandbreite zeigt, dass es die Esoterikszene nicht gibt. Wie in allen Branchen gibt es aber Modeströmungen, auf die sich das geneigte Publikum stürzt: Engel sind seit geraumer Zeit Stars in der Branche. Gitarrengott Carlos Santana etwa unterhält sich gerne mit Erzengel Metatron.

3100 Energethiker

Das Geschäft mit der Esoterik ist schwer in Zahlen zu fassen. In Deutschland liegen Schätzungen bei einem Jahresumsatz von 25 Milliarden Euro. Der heimische Boom lässt sich auch daran messen, dass alleine in Wien 3100 Frauen und Männer gewerblich als Energethiker (Kunstwort aus Energie und Ethik) angemeldet sind. Hauptrichtungen: Kinesiologie und Cranio-Sacral. Im Methodenkatalog für Humanenergethik gibt es gut zwei Dutzend weitere zugelassene "Hilfestellungen zur Erreichung einer körperlichen beziehungsweise energetischen Ausgewogenheit", die vor allem den Wellnessbereich überschwemmen.

Viele Energethiker wollen nicht mit dem häufig negativ besetzten Begriff Esoterik in einen Topf geworfen werden. Herbert "Charly" Lechner, Berufsgruppenobmann der Energethiker in der Wiener Wirtschaftskammer, hat hingegen kaum Berührungsängste. "Wir arbeiten alle für das Streben nach individuellem Glück." Auch wenn auf esoterischer Seite "der oft dunkle geheimnisvolle Glaube an die Macht der Mythen, des Alls und seiner Harmonie liegt".

Schwarze Energie

Aber auch diesen Zugang toleriere er, so Lechner. Seine Toleranz ende, wo Menschen mit schwarzer Energie Angst gemacht werde. Er vertraue aber darauf, dass "denkende Menschen Scharlatanerie selbst erkennen".

Die Behauptung, dass sie heilen können, ist heimischen Energethikern und Esoterikern verboten (siehe Wissen), die Heilkunst ist in Österreich einzig auf Ärzte beschränkt. Dennoch touren selbsternannte Heilerinnen und Heiler ständig durchs Land. Für Mitte Mai hat sich beispielsweise Heilerin Nina Dul in Wien angekündigt. Sie beherrscht jetzt nach eigenen Angaben auch das Heilen mit "magentainformierten Biophotonen". Auf frischer Tat darf sie sich aber von den Gesundheitsbehörden nicht ertappen lassen.

In Deutschland haben auch Heilpraktiker die (eingeschränkte) Lizenz zum Heilen. Die Ausbildung ist kaum geregelt, Heilpraktiker müssen aber einen amtsärztlichen Test absolvieren und unter anderem Grundkenntnisse in Anatomie und Notfallversorgung nachweisen. Sie dürfen keine Medikamente verschreiben oder Geburtshilfe anbieten. (Michael Simoner, DER STANDARD, 13.4.2013)