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Tausende demonstirerten in München gegen Nazis.

Foto: APA/EPA/Müller

München - Wenige Tage vor Beginn des NSU-Prozesses in München haben am Samstag mehrere tausend Menschen in der Innenstadt der bayerischen Landeshauptstadt gegen Rechtsextremismus demonstriert. Die Kundgebung, zu der ein Bündnis aus mehreren Dutzend linksgerichteten Gruppen aufgerufen hatte, sollte an die Opfer des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erinnern. Die Veranstalter sprachen am Nachmittag von 7.000 bis 10.000 Teilnehmern und der "größten antirassistischen Demonstration in München" seit 20 Jahren. Auf Transparenten waren Fotos der NSU-Mordopfer zu sehen, ebenso die Namen anderer Todesopfer von Neonazis.

Der Prozess um die Serie von zehn Morden des NSU soll am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München beginnen. Dem NSU werden Morde an neun Menschen mit türkischen und griechischen Wurzeln und einer deutschen Polizistin zur Last gelegt, außerdem zwei Bombenanschläge und eine Serie von Banküberfällen. Angeklagt sind die Hauptverdächtige Beate Z. und vier weitere Beschuldigte.

Indes bleibt dem Oberlandesgericht München nur noch wenig Zeit, um die Vorgaben aus Karlsruhe für den am Mittwoch beginnenden NSU-Prozess umzusetzen. Auch am Sonntag blieb zunächst unklar, wie das Gericht Sitzplätze für türkische Medien schaffen will. 

"Offene Diskriminierung"

Das OLG hatte die 50 festen Presseplätze nach dem Eingang der Gesuche vergeben - dabei gingen türkische Medien leer aus. Das deutsche Bundesverfassungsgericht gab am Freitag einer Beschwerde der türkischen Zeitung "Sabah" statt. Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass acht der zehn Mordopfer türkischer Herkunft waren. "Wir hoffen, dass diese Entscheidung nicht dazu führt, dass der Prozessbeginn verschoben werden muss", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, der "Rheinischen Post" (Samstag).

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl gerät derweil weiter unter Druck. Die Verteidiger der Hauptangeklagten Zschäpe werfen ihm "offene Diskriminierung" vor, wie der "Focus" berichtete. Hintergrund sei die Anordnung, dass die Anwälte vor jedem Prozesstag durchsucht werden sollen, "um das Einschmuggeln von gefährlichen Gegenständen" wie Waffen oder Sprengstoff zu verhindern.

Die Bundesregierung und Politiker aller Parteien begrüßten den Karlsruher Beschluss. Lob kam auch von der Türkei. "Wir sehen darin einen Schritt in die richtige Richtung", verlautete aus dem Außenministerium in Ankara, wie türkische Medien berichteten.

Zu wenig Platz

Der Obmann der Unionsfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, Clemens Binninger, plädierte erneut dafür, die Verhandlung für akkreditierte Journalisten in einen anderen Saal des Gerichts zu übertragen. Der Journalistenverband dju forderte ein ganz neues Akkreditierungsverfahren. Die Karlsruher Entscheidung ändere nichts daran, dass es insgesamt zu wenig Presseplätze gebe.

Die Bundesanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen den NSU noch einmal ausgeweitet. Fahnder durchsuchten erneut die Wohnung von Susann E., einer einstmals engen Vertrauten Zschäpes, wie das Magazin "Spiegel" berichtet. Die 31-Jährige, gegen die bislang wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt wurde, stehe nun auch im Verdacht, Zschäpe im November 2011 bei der Flucht geholfen zu haben. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte am Sonntag lediglich, dass die Ermittlungen gegen eine beschuldigte Person um den Vorwurf der Strafvereitelung erweitert worden sei.

Die Münchner Polizei sieht kein erhöhtes Sicherheitsrisiko zum Auftakt des Prozesses. "Hinsichtlich einer konkreten Gefährdungslage rund um den Prozess liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, insbesondere auch nicht aus dem extremistischen Bereich", sagte Polizeivizepräsident Robert Kopp. "Wir gehen aber von einer hohen abstrakten Gefährdung aus." Etwa 500 Beamte sollen die Sicherheit der Prozessbeteiligten gewährleisten.

Bayerns früherer Innenminister und Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sagte der "Welt" (Montag): "Frau Zschäpe sollte ihr Schweigen endlich brechen. Sie könnte dadurch zur Aufklärung der scheußlichen Untaten beitragen." (APA, 13.4.2013)