Manfred Steiner im April 2013. Der Schnauzer ist geblieben, die Pokale sind in seinem Geschäft zu kaufen. "Ich bin ein zufriedener Mensch. Ich habe praktisch alles richtig gemacht." Ab und zu geht er noch ins Stadion. "Ich kaufe mir die Karte."

Foto: Hackl

Manfred Steiner, langjähriger Fußball-Profi bei Sturm Graz, ist am Mittwoch im Alter von 70 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Der zweikampfstarke Spieler, auch "eiserner Mandi" genannt, absolvierte für die Steirer von 1972 bis 1984 insgesamt 343 Bewerbspartien und brachte es auch auf zwei Länderspiele.

Lesen Sie im Folgenden noch einmal den am 15. April 2013 erschienenen Beitrag aus der Serie "Das wurde aus"...

Graz – Überlebt haben sie alle. Manfred "Mandi" Steiner sagt, dass er " dem einen oder anderen sicher Schmerzen zugefügt" hat. Im Nachhinein tue es ihm leid, allerdings habe er nie absichtlich oder vorsätzlich gehandelt, er wollte stets den Ball treffen. "Ich bin halt immer reingerutscht." Der Name jenes bedauernswerten Kerls, der bei einem Tackling einen Knöchelbruch erlitten hat, ist ihm entfallen. "Er konnte seine Karriere aber fortsetzen."

An einen Zweikampf mit Robert Sara kann sich Steiner genau erinnern. Sturm gegen Austria Anfang der Siebziger im Praterstadion: Sara rennt auf ihn zu, in Höllentempo. Steiner selbst hatte auch Fahrt aufgenommen. " Wir wussten beide, dass es sich nicht ausgeht." Sara musste am Knie genäht werden. Steiner putzte die Grashalme von der Hose. Er war eben der "Eisenfuß".

Graz, Lendplatz, im April 2013: Das Geschäft "Manfred Steiner, Medaillen, Trophäen, Anstecknadeln" führt nun Sohn Sven, der in Gleisdorf wohnhafte Papa schaut mindestens einmal pro Woche vorbei. Die Familie betreibt zusätzlich eine kleine Schlosserei in Ungarn. "Wir sind nicht reich, haben keine Schulden. Ich hatte nie Schulden, ich habe immer hart und ehrlich gearbeitet." Seit der Pubertät trägt Steiner einen Schnauzer. "Ein Markenzeichen." Auf den Spitznamen "Eisenfuß" sei er immer noch stolz. "Ein Adelstitel." Und dass er in die Jahrhundertmannschaft von Sturm Graz gewählt wurde, erfülle ihn "mit Demut. Ein Beleg dafür, dass ich im Leben vieles richtig gemacht habe."

Fast ein Adler

Das Leben nahm am 3. Jänner 1950 in Murau Fahrt auf. Mandi hat fünf Geschwister, der Papa ist Eisenbahner, die Mama Haufrau. Die Mama ist mittlerweile 96, der Papa starb, als Mandi 20 Jahre alt war. In Murau wurde und wird der nordische Skisport betrieben. Der kleine Mandi läuft in Loipen, die Ausdauerwerte sind beachtlich. Er nimmt das Skispringen dazu, kombiniert also, wird Schülermeister. Einmal hupft er 54 Meter weit, das Gefühl der Freiheit hat sich aber nicht eingestellt. "Im Gegenteil, ich machte ein Köpfler, hatte Angst." Mandi wollte und konnte kein Adler sein, die Ausbildung zum Maler und Anstreicher war die Alternative.

Den Fußball hat er immer schon gemocht und betrieben ("Da hatte ich nie Angst, nur Freude"), beim SVU Murau war er überragend. Vor knapp 50 Jahren hat es schon eine Art Scouting geben, deshalb ist das Talent aufgefallen.

Steiner sollte nur 1,68 Meter hoch werden. Dieses Manko machte er durch enorme Sprungkraft wett. "Ich glaube, ich hab in meiner Karriere kein Kopfballduell verloren." Seine bevorzugte Position war die des Vorstoppers, bei Bedarf hat er auch den Libero oder im Mittelfeld gespielt. Die Viererkette war damals maximal die Ansammlung von vier Goldketterln, die man am Samstagabend um den Hals trug – zum Eindruck-Schinden in der Disco. Das hat der bodenständige Steiner aber nie getan hat. Ende der Sechziger wechselte er zu ATUS Bruck in die Zweite Liga. So ein richtiger Profi war er nicht, die Gemeinde hat ihn im Sommer als Bademeister und im Winter als Eishallenmeister angestellt. Aber der Mandi war nicht aufzuhalten, nach seinem Kurzengagement in Kapfenberg schlug 1971 Sturm zu. 15 Jahre sollte er bleiben, rund 300 Partien bestreiten.

Sponsor Durisol vermittelte einen Job als Baustellenleiter. Das erste Fixum betrug brutto 1500 Schilling (österreichische Währung vor dem Euro). Davon mussten je 50 Schilling dem Platzwart und dem Masseur abgetreten werden, die hatten auch Familien zu ernähren.

Leithammel und Gerechtigkeitsfanatiker

Steiner wurde aufgrund seiner Kampfkraft zum Liebling der Fans, zum Leithammel und Kapitän der Mannschaft. "Weil ich ein Gerechtigkeitsfanatiker bin." Sein erster Trainer war Adolf Remy, unter Karl Schlechta kickte er besonders gerne, mit Otto Baric gab es Wickel. " Fachlich top, aber menschlich nicht das Gelbe vom Ei." Die Mannschaft sei "eine funktionierende Familie" gewesen, "der Jurtin, der Kaiser, der Seneca, die anderen".

Am Spitznamen "Eisenfuß" hatte ein Frankfurter Journalist Schuld. Sturm wurde 1976 im Europacup der Cupsieger der Eintracht zugelost, die Grazer kannte in Deutschland keine Sau. Der Schreiberling musste eine Story liefern. Man erzählte ihm, der Spieler Steiner sei ein beinharter Hund. Um sich auf die Zweikämpfe vorzubereiten, trete er beim Aufwärmen mehrmals mit voller Wucht gegen die Torstange. "Der Mann glaubte den Blödsinn und titelte die Geschichte mit ,Eisenfuß'. Das ist geblieben." Die Eintracht ist übrigens aufgestiegen – 1:0 in Frankfurt, 2:0 in Graz.

Der Präsident von Sturm hieß damals nicht Hannes Kartnig, sondern Hans Gert. Kartnig war im Hintergrund bereits tätig, Steiner erinnert sich an einer Begegnung. "Ich hab ihm gesagt, du bist sicher kein Präsident." Kartnig wurde es 1992 trotzdem, Steiner sollte irgendwie recht behalten. Gerichte arbeiteten die Ära später auf.

Der Mandi musste in seiner Laufbahn ohne großen Titel auskommen. All die Pokale, die er nicht gewonnen hat, "verkaufte ich später in meinem Geschäft". Einmal Vizemeister, zweimal Viertelfinale im Europacup. 1981 war die Meisterfeier schon vorbereitet, Rapid hat sie mit einem 4:1-Sieg abgeblasen. Im Nationalteam kam Steiner aufgrund des Überangebots (Pezzey, Obermayer etc.) nur zu zwei Einsätzen: 1975 in Wales (0:1) und in Ungarn (1:2). Nach der Niederlage auf der Insel sagte Teamchef Branko Elsner: "Hätten wir elf Steiners gehabt, hätten wir nicht verloren."

Die Verweigerung

Einmal war der Eisenfuß schwer verletzt. Teile der Achillessehne starben ab (medizinisch laienhaft ausgedrückt), sechs Monate Gips. "Ich kämpfte mich zurück, obwohl es kein Arzt geglaubt hat." 1986 war Schluss. Trainer Hermann Stessl wollte den Mandi in die U21 abschieben. "Als 36-Jähriger mache ich das nicht", sagte Steiner und verweigerte.

Hin und wieder geht der 63-Jährige ins Stadion. "Die Karte kaufe ich mir selbst." An der Tageskasse – der zum zweiten Mal Verheiratete (die Mutter von Sven starb 2006) ignoriert das Internet. "Ich lese Zeitungen, schaue Nachrichten, höre Radio. Ich bin ein zufriedener Mensch, würde alles wieder so machen." Skispringen interessiert ihn am Rande. "Den Gregor Schlierenzauer wird es nicht so lange wie Sturm geben."

Steiner wurde sechs- oder siebenmal ausgeschlossen. Eine rote Karte hat er nicht gesehen. Es geschah in Salzburg. Der Spieler, dessen Name ihm auch entfallen ist, hat nach einer Grätsche abgehoben. "Ehe er gelandet ist, bin ich freiwillig duschen gegangen." Passiert ist dem armen Kerl nichts. "Vielleicht fliegt er immer noch." (Christian Hackl, DER STANDARD, 15.04.2013)