Wien - Die neuerliche Untersuchung des Entführungsfalls Natascha Kampusch durch ein internationales Expertenteam dürfte - wie schon alle Erhebungen zuvor - die Mehrtätertheorie verworfen haben. Details des Berichts, die am Wochenende durchsickerten, bekräftigten vielmehr, dass neben Entführer Wolfgang Priklopil niemand an der Tat beteiligt gewesen ist. Auch Mitwisser habe es nicht gegeben. Das Innenministerium, das die Präsentation des Berichts für Montag angekündigt hatte, kommentierte die Vorausmeldungen nicht.
Der einst beste Freund von Priklopil, Ernst H., der im Zuge der Ermittlungen immer wieder ins Visier der Beamten geraten ist, dürfte es hingegen mit den Behörden zu tun bekommen. Ihm wird zwar kein Beteiligung an der Tat vorgeworfen, dafür hat man Hinweise auf möglichen Betrug und Steuerhinterziehung gefunden, berichtete Ö1.
Suizid ausgenützt
Wenn die Vorwürfe stimmen, dann hat Ernst H., der angeblich beste Freund des Entführers Wolfgang Priklopil, dessen Selbstmord ausgenutzt, um sich zu bereichern. Denn er soll angeblich Schulden bei Priklopil gehabt haben. Nach dem Tod von Priklopil soll Ernst H. allerdings angegeben haben, dass sein einstiger Freund ihm Geld schulde. Dies wurde dann auch im Verlassenschaftsverfahren anerkannt. Eine indirekte Folge dürfte sein, dass die Mutter und Erbin Priklopils nur mehr ein Wohnrecht in einer Wohnung hat, die Ernst H. gehört. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Anwalt von Ernst H., Manfred Ainedter, kennt den Vorwurf derzeit nicht, wie er sagte. Aber dass sein Mandant mit der Gefangenschaft von Kampusch nichts zu tun gehabt habe, das sei erwiesen, und letztlich habe es für seinen Mandanten auch einen Freispruch in einem Prozess gegeben.
Die Einzeltätertheorie im Entführungsfall war immer wieder auch von honorigen Personen wie dem Expräsidenten des Verfassungsgerichtshof, Ludwig Adamovich, angezweifelt worden. Die Kritiker bezogen sich dabei auf die Aussage einer Zeugin, die 1998 die Entführung beobachtet hatte und dabei zwei involvierte Personen gesehen haben will. Die Evaluierungskommission ortete aber in dieser Aussage schwere Widersprüche. Denn bei späteren Einvernahmen war sie sich gar nicht mehr sicher, dass sie zwei Männer bei der Entführung gesehen hatte.
Die Ermittler (zuletzt war auch das FBI involviert) kamen laut Kurier nach neuerlichen Befragungen von Zeugen zu dem eindeutigen Schluss, dass Priklopil durch Selbstmord gestorben und nicht etwa ermordet worden ist. Auch auf einen im Hintergrund agierenden Kinderpornoring habe es keine Hinweise gegeben. (red, DER STANDARD, 15.4.2013)