Bild nicht mehr verfügbar.

Präsentation des Endberichts der Expertenkommission: Herbert Anderl (Ex-Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit), der deutsche BKA-Präsident Jörg Ziercke und Sektionschef Christian Pilnacek.

Foto: APA/Fohringer

Wien - Laut Jörg Ziercke, Chef des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), ist der Fall Kampusch "sehr ungewöhnlich". Daher könne er das große öffentliche Interesse in Österreich verstehen, "vor allem in Hinblick darauf, wie man in Zukunft in vergleichbaren Situationen optimaler vorgehen kann", betonte der ranghöchste deutsche Kriminalist am Montag im Festsaal des Innenministeriums in Wien.

Anlass des Pressegesprächs, zu dem auch Kamerateams aus dem Ausland angereist kamen, war die Präsentation des Evaluierungsberichts eines internationalen, vom Unterausschuss des parlamentarischen Innenausschusses eingesetzten Experten- und Fahnderteams zur Entführungscausa. Seit der damals 18-jährigen Kampusch im Sommer 2002 nach achtjähriger Gefangenschaft die Flucht aus dem Verlies Wolfgang Priklopils gelang, rankten sich um die Affäre Gerüchte sowie Mutmaßungen über Ermittlungspannen.

"Ich denke, wir sind zu einem ganz klaren Ergebnis gekommen", sagte Ziercke, der zusammen mit dem früheren Direktor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, und Christian Plinacek, Strafrechtssektionschef im Justizministerium, vor die Presse trat. Nicht nur sei man zu dem Schluss gelangt, dass, wie berichtet, Priklopil "mit größter Wahrscheinlichkeit" ein Einzeltäter war - und dass ihm trotz der " 113 Befragungen keine Kontakte in die Pädophilen- und Sadomasoszene nachgewiesen werden konnten".

"Beschränkte Ressourcen"

Es wurde auch klar, dass es im Zuge der Ermittlungen zu mehreren Fehlern gekommen ist, an die sich im Bericht konkrete Empfehlungen knüpfen. So hätte man, nachträglich betrachtet, etwa dem Hinweis eines ehemaligen Polizeihundeführers auf Priklopil näher nachgehen müssen. Und die 2002 an die Kriminalabteilung Burgenland übertragenden Ermittlungen hätten an " beschränkten Ressourcen und fehlender Prioritätensetzung" gekrankt.

Um Ähnliches künftig zu verhindern und "Kommunikationsdefizite zwischen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zu beheben", empfiehlt der Bericht, die Richtlinien zu ändern, nach denen Sonderkommissionen eingesetzt werden. Hier habe Innenministerin Johanna Mikl-Leitner schon einige wichtige Erlässe erteilt, "aber es sind weitere Richtlinienänderungen nötig", sagte Anderl zum Standard.

Detto wird zu einem neuen Hinweismanagement in Kriminalfällen geraten. Das Sammeln von Wahrnehmungen aus der Bevölkerung sei als " eigenständiger Einsatzabschnitt" zu betrachten.

Hinweise der ersten Stunden sollten nach mehreren Wochen erneut überprüft werden, daher brauche es eine "zeitgemäße IT-Unterstützung" für die ermittelnden Beamten. Und die Aussagen von Zeugen und Opfern sollten nicht nur schriftlich, sondern auch auf Video festgehalten werden. "Das sind alles ganz neue Empfehlungen. Das muss man alles erst umsetzen", erläuterte Anderl. (bri, DER STANDARD, 16.4.2013)