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Weltweit auf den Titelblättern: Der Bombenanschlag auf den Boston-Marathon.

Foto: AP/Sang Tan

Ein mediatisierter Anschlag sind die Explosionen beim Boston-Marathon, erklärt der US-amerikanische Journalismusprofessor Jeff Jarvis in seinem Blog Buzz Machine. Die Präsenz von Kameras an der Ziellinie sei nach den Anschlägen von 9/11, London, Mumbai oder Atlanta eine neue Kategorie. Jarvis: "This was the media-centered attack".

Dabei schalten die US-Kabelsender laut "Los Angeles Times" erst zehn Minuten nach den Explosionen nach Boston. Zuvor ist bereits der Kurznachrichtendienst Twitter zum Marktplatz der Informationen geworden. Es kursieren erste Fotos von Augenzeugen, als andernorts noch "der Agenturticker schwieg", fasst die "Süddeutsche Zeitung" die "Chronik eines Albtraums" in den sozialen Netzwerken zusammen.

Augenzeugenberichte

Rasch füllen sich die Timelines mit #BostonMarathon, bald ist der Hashtag Trending Topic bei Twitter. Darunter nicht nur Augenzeugenberichte oder Retweets, sondern auch Informationen der Behörden. Die Bostoner Polizei twittert Updates und bittet um Hinweise.

Doch auch Falschnachrichten werden via Twitter verbreitet. Disqualifiziert das Twitter als Nachrichtenquelle fragt Mathew Ingram in einem Beitrag auf PaidContent. Seine Antwort: Nein. Der Kurznachrichtendienst zeige transparent, wie Nachrichten entstehen: "Twitter shows how the news is made, and it's not pretty — but it's better that we see it". Außerdem sei Twitter seit dem Telegramm das beste Hilfsmittel um Breaking News zu übermitteln. Erik Wemple von der "Washington Post" sieht Twitter-User, die Medien zur Vorsicht bei Spekulationen mahnen, sogar in der Rolle eines "Ombudsmanns des Journalismus".

Einordnung und Verifizierung

Anders als bei Naturkatastrophen wie dem Hurrikan Sandy, werden zwar kurz nach den Explosionen auch viele Fotos und Videos geteilt, doch später ist das bestimmende Thema nicht mehr die Dokumentation des Ereignisses, sondern der Versuch einer Einordnung, sagt Libby Hemphill vom Illinois Institute of Technology.

Womit wir wieder bei den traditionellen Medien wären. Die Einordnung von Nachrichten, deren Verifizierung, das ist der ureigene Job von Journalisten. "New York Times" und "Wall Street Journal" deaktivierten ihre Paywalls. Die Webserver des "Boston Globe" können den großen Andrang am Montag nicht bewältigen, schließlich werden Leserinnen und Leser direkt auf eine Startseite gelotst, die die Anmutung eines Twitter-Tickers hat.

Die ORF-Nachrichtensendung "ZiB2" reagiert nach einem Tweet von Nadja Hahn schnell und organisiert eine Telefonschaltung nach Boston. Die Radio-Journalistin ist zufällig vor Ort und schildert ihre Eindrücke. Als sie dem Branchenblatt "Horizont" anlässlich ihrer Social-Media-Studie ein Interview gab, konnte niemand ahnen, was am 15. April in Boston passiert. Eine von Hahns Aussagen im "Horizont": "Bevor irgendwas im Fernsehen oder Radio ist, ist es im Internet, und bevor es online ist, ist es auf Twitter." (Sabine Bürger, derStandard.at, 16.4.2013)