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Die Berichte mehren sich, wonach Microsofts nächste Xbox zur Nutzung eine Internetverbindung voraussetzen könnte. Auch Sony soll das Konzept eines "Always-Online"-Systems für die PlayStation 4 zumindest zeitweise in Erwägung gezogen haben. Unterdessen befürwortet eine Reihe namhafter Branchenvertreter diese Entwicklung.

Woran die Hersteller wirklich arbeiten, wird man gewiss erst zur Vorstellung der finalen Produkte sagen können. Aber eines ist sicher: Die Videospielindustrie kokettiert zunehmend mit der Idee einer immer vernetzten Spielwelt. Nicht zuletzt zeigen dies Werke wie "Diablo 3" und "SimCity" deutlich. Doch welche Vorteile würden Hersteller und Spieler aus Always-Online-Konsolen ziehen und mit welchen Nachteilen müssten Konsumenten rechnen?

DRM

Eine Spielkonsole, die ständig mit den Servern des Betreibers verbunden ist, lässt sich ebenso gut überwachen, wie die Aktionen des Spielers. Das fängt bei eher allgemeinen Informationen zu den Nutzungsgewohnheiten an und geht soweit, dass kontrolliert werden kann, ob auch ja kein Missbrauch betrieben wird. Wird der Online-Account eines Spielers an die Konsole und die darauf abgespielte Software gekoppelt, ließe sich sogar verhindern, dass unautorisierte Software und kopierte Spiele genutzt werden können.

  • Pro: Zwei Funktionen, die aus wirtschaftlicher Sicht den Herstellern entgegenkommen würden. Spielentwickler haben wie auch andere Softwarehersteller mit Piraterie zu kämpfen. Ein derart restriktives DRM-System könnte das Vertrauen der Spielhersteller in die Plattformbetreiber stärken und die Wirtschaftlichkeit eines Systems erhöhen. Ein vitales Ökosystem lockt wiederum mehr Hersteller an.
  • Contra: Wie bereits andere Fälle gezeigt haben (bspw.: Root-Kit-Systeme in Musik-CDs), können restriktive DRM-Systeme eine enorm abschreckende Wirkung auf die Konsumenten haben. Fühlen sich Kunden bevormundet oder übermäßig kontrolliert, ist es gut möglich, dass sie lieber ganz auf Produkte verzichten. Mehr noch als bei einer Software wird dem Käufer mit einem Produkt wie einer Konsole suggeriert, dass er sich mit dem Erwerb auch die Rechte sichert, mit dem Gerät machen zu können, was auch immer er möchte. Egal ob man nun tatsächlich illegal vertriebene Spiele einsetzen will oder nicht, könnte diese Einschränkung als massive Bevormundung erachtet werden.

Gebrauchtspiele

Mit einem derartigen digitalen Rechtemanagementsystem (DRM) wäre es in weiterer Folge auch möglich, die Nutzung von Gebrauchtspielen zu blockieren oder eine zusätzliche Gebühr dafür einzuheben.

  • Pro: Hersteller schneiden beim Handel mit gebrauchten Spielen nicht mit. Die Blockade von Second-Hand-Spielen könnte die Lukrativität eines Ökosystems erhöhen.
  • Contra: Die Blockade von Gebrauchtspielen hätte abgesehen von den genannten Problemen mit DRM noch die Nachteile, dass einerseits dem Handel eine wichtige Einnahmequelle genommen wird und andererseits in die Konsumgewohnheiten der Spieler eingegriffen wird. Der weltweit größte Fachhändler Gamestop verdient mittlerweile rund eine Milliarde Dollar pro Jahr am Second-Hand-Handel. Gleichzeitig brauchen Spiel- und Konsolenhersteller die Fachmärkte zur Vermarktung von Produkten und zur Beratung von Kunden. Das Verbot von Gebrauchtspielen könnte so auch auf Geschäftsebene zum Schuss ins Knie werden, wenn sich Händler durch Plattformhersteller boykottiert fühlen. Zudem nutzen Spieler den Second-Hand-Handel nachweislich, um Kapital locker zu machen und neue Spiele zu kaufen. Insofern könnte das Verbot von Gebrauchtspielen auf die Hersteller zurückfallen.

Neue Spielkonzepte und Ausfälle

  • Pro: Setzt eine Konsole eine permanente Internetverbindung voraus, gibt das den Spielentwicklern die Möglichkeit, sich auf neue Online-Features zu konzentrieren und basierend darauf neue Spielkonzepte zu konzipieren. Bestes Beispiel hierfür sind MMOs wie "World of WarCraft" in denen nicht nur Spieler vernetzt agieren, sondern auch laufend neue Inhalte hinzugefügt werden. Man stelle sich eine Welt wie jene von "Grand Theft Auto" oder ein Sportspiel wie "FIFA" vor, in denen tagesaktuell Änderungen vorgenommen werden, um etwa auf reale Ereignisse Bezug zu nehmen. Ein Spiel, das immer online ist, kann sich dynamisch weiterentwickeln. Aktionen von Spielern weltweit könnten die Welten nachhaltig beeinflussen. Setzt eine Plattform eine Internetverbindung voraus, wird ein Standard geschaffen, auf den sich die Entwickler verlassen können.
  • Contra: Problematisch wird es, wenn Spiele keinen sichtlichen Vorteil aus der Online-Pflicht ziehen, aber alle Nachteile eines Online-Zwangs mit sich bringen. Bestes Beispiel hierfür ist die Neuauflage von "SimCity". Denn fällt die Internetverbindung aus oder gibt es eine Störung beim Server des Spielherstellers oder des Betreibers des Online-Netzwerks, bleibt der Spieler auf seinem teuer erworbenen Spiel sitzen und kann nichts damit anfangen. Ein Immer-Online-System birgt dabei eine Vielzahl von Fehlerquellen in sich. Man denke nur, wie oft Wartungsarbeiten an Spielnetzwerken wie Xbox Live oder PlayStation Network vorgenommen werden oder der Internetanbieter Ausfälle verzeichnet oder auch das heimische WiFi-Netzwerk spinnt. Die Störung jedes einzelnen dieser Zahnräder würde bedeuten, dass man nicht spielen kann.

Bequemlichkeit und Verbindlichkeit

  • Pro: Eine Konsole, die immer online ist, erlaubt den Betrieb zahlreicher Hintergrund-Dienste für und auch abseits von Spielen. So können Updates unauffällig im Hintergrund heruntergeladen werden, Apps für Film und Musik Inhalte aus dem Netz einbeziehen und Idealfall lokale Inhalte mit Information aus dem Web vereinen. Der Online-Shop kann auf Basis der Konsumgewohnheiten automatisch Demos zu neuen Spielen herunterladen und das Angebot individualisieren. Auch kann die Konsole selbst zum Streaming von Inhalten auf mobile Geräte genutzt werden.
  • Contra: Doch genau wie bei den Spielen stellt sich hier erneut die Frage, welche dieser Features tatsächlich eine permanente Internetverbindung benötigen würden. Was spricht dagegen, dass die Synchronisierung von Anwendungen nur dann erfolgt, wenn man online ist, um ansonsten auch offline eine Nutzung zu ermöglichen? Zudem stellt sich die Frage, was mit den gekauften Spielen und Inhalten geschieht, wenn eines Tages die Server abgestellt werden. Ist dann mit einem Schlag die gesamte digitale Bibliothek nicht mehr nutzbar? Eine Konsole, die nur im Zusammenspiel mit den Servern eines Betreibers funktioniert, wirft ernste Fragen zu den Nutzungsrechten von digitalen Gütern auf.

Vermarktung

  • Pro: Konsolenhersteller könnten argumentieren, dass Videospieler heutzutage so und so immer online sind. Nicht nur die Konsole hängt in vielen Haushalten am Netz, sondern auch mit dem Smartphone ist man ständig im Internet. Die komplette Vernetzung ist den Herstellern zufolge das Modell der Zukunft und damit haben sie dem Trend nach vermutlich auch Recht.
  • Contra: Dieses Argument blendet jedoch aus, dass trotz des globalen Trends in Richtung online auch 2013 eine Vielzahl an Menschen und potenziellen Kunden keinen Zugang zu flottem Breitband haben oder ihre Konsole an Orten einsetzen, wo kein Zugang möglich ist. Selbst in einem fortschrittlichen Land wie Österreich gibt es Gegenden, in denen die Netzabdeckung bescheiden ist oder keine zuverlässige Verbindung aufgebaut werden kann. Und selbst wenn nur fünf oder zehn Prozent der anvisierten Konsolenkäufer aufgrund des Online-Zwangs abgeschreckt werden oder regelmäßig Probleme verzeichnen, könnte sich dies äußerst negativ auf die Vermarktung einer Plattform auswirken. Ein paar tausend Beschwerdeschreiben in Foren, auf Handelsplattformen oder den sozialen Medien können einen nachhaltigen Image-Schaden herbeiführen.

Was sagen die GameStandard-Leser?

Wenngleich dies, solange keine Konsole mit Online-Zwang vorgestellt wurde, nur ein Gedankenspiel ist, zeigt auch eine Umfrage des GameStandard, dass die potentiellen Nachteile eines Immer-Online-Systems die User mehrheitlich abschrecken. Die Frage, "Würden Sie eine Spielkonsole kaufen, die nur online nutzbar ist?", beantworteten zum Erhebungszeitpunkt am Donnerstag über 82 Prozent der rund 1.400 registrierten Teilnehmer mit "Nein".

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Zu den am häufigsten genannten Ausschlusskriterien gehören die "Bevormundung durch Hersteller", "unzuverlässige Internetverbindungen" und "Ausfälle von Online-Diensten".

Von jenen Teilnehmern, die eine Online-Pflicht in Kauf nehmen würden, setzte die Mehrheit voraus, dass "Games bei Unterbrechung der Internetverbindung zumindest eine Zeit lang weitergespielt" werden können. Auch als Argument für ein Online-System aufgenommen wird die Voraussetzung, dass "Games dadurch mit neuen, tollen Spielkonzepten aufwarten können".

Hypothetisch

Schlussendlich stellt sich die Frage, welcher Konsolenhersteller den ersten Schritt zu einem System mit Online-Zwang wagen könnte. Nintendos Wii U fragt zwar bei jedem Start nach dem Account, ist aber auch offline problemlos nutzbar. Im Vorfeld der PlayStation 4-Vorstellung kamen Berichte auf, wonach Sony mit einem derartigen Konzept liebäugelte. Mittlerweile wurde jedoch offiziell bekanntgegeben, dass die PS4 trotz eines "Always-online-Designs" sowohl offline einsetzbar ist, als auch Gebrauchtspiele zulässt. Zu Microsofts neuer Xbox gibt es gleich mehrere Hinweise aus unterschiedlichen Lagern, die von einem Online-Zwang sprechen. Jüngste Meldungen besagen wiederum, dass nur ein Teil der Dienste eine permanente Internetverbindung voraussetzt und Spiele nicht davon betroffen sind. Bis Microsoft die neue Xbox vorgestellt hat, ist jedoch alles nur Spekulation. Die vehementen und andauernden Proteste der Spieler – wie sie auch auf Breitenmedien wie derStandard.at stattfinden – könnten jedoch dazu beitragen, dass Hersteller einstige Pläne zu online-pflichtigen Konsolen wieder verwerfen oder im Fall Sonys zum Beispiel wieder verworfen haben.

Die Zukunft

Doch selbst wenn PS4 und Xbox (3) ohne Online-Zwang auskommen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Videospiele Teil immer vernetzter Systeme werden. Werke wie "SimCity" oder "Diablo 3", Online-Kopierschutzsysteme auf dem PC und vor allem die seit wenigen Jahren entstehenden Streaming-Dienste für Musik, Videos und Spiele sind Vorboten dieser Zukunft. Um diese Zukunft nicht zur rechtlichen Hölle für Konsumenten werden zu lassen, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt erreicht, um die Gesetze zum Konsumentenschutz darauf vorzubereiten. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 21.4.2013)