Wien/Linz - Donnerstagnachmittag gab der Linzer FPÖ-Fraktionschef Sebastian Ortner auf: Er lege "mit sofortiger Wirkung" alle Ämter zurück, ließ er in einer knappen Aussendung wissen.
Ortners braune Vergangenheit war freilich - der Standard berichtete mehrmals - seit Jahren bekannt. Das Video, das ihn rund um eine Sonnwendfeier 1988 bei Wehrsportübungen in der Vapo (Volkstreue außerparlamentarische Opposition) des mehrmals verurteilten Neonazis Gottfried Küssel zeigte, machte diese Zeit nun wieder zum Thema.
Das insgesamt vier Stunden umfassende Filmmaterial wurde dem Linzer Polizisten und Datenforensiker Uwe Sailer, der seit Jahren in der Neonazi-Szene recherchiert und als Privatperson mehr als 50 Verfahren gegen die FPÖ und rechte Vereine gewonnen hat, zugespielt. Der Kurier stellte eine Zusammenfassung des Materials, in dem Ortner das lautlose Töten von "Feinden" durch Halsschnitte trainierte, am Dienstag online.
Nicht in seiner Funktion als Polizist, sondern als Privatperson zeigte Sailer Ortner nun aufgrund des Videos wegen NS-Wiederbetätigung an. Für Sailer stelle sich "die Frage nach der Verjährung auch nach 25 Jahren, wenn weiter am Ziel zur Errichtung des Dritten Reiches gearbeitet werde" , sagt Sailer dem Standard. Küssel wurde bekanntlich 2012 im Zusammenhang mit der Neonazi-Site Alpen-Donau.Info - nicht rechtskräftig - verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Linz ermittelt nun.
Darüber hinaus behauptet Sailer, er könne mithilfe einer virtuellen Falle im Internet, einem sogenannten Honey-Pot, auch beweisen, dass Ortner wie auch der FPÖ-Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer zu den Betreibern von Alpen-Donau.Info 2011 Kontakt hatten. Beide bestreiten das. Bei der Identifizierung der IP-Adresse von Ortners Firma Green Lemon habe Ortner unbeabsichtigt selbst mitgeholfen, so Sailer. Er zeigte Sailer nämlich als Retourkutsche wegen Wiederbetätigung an, weil Sailer auf einer gefakten Neonazi-Seite angeblich einschlägige Symbole verwendet habe. Es kam zu keiner Anklage.
Kontakt allein nicht strafbar
Der Kontakt zu Neonazis allein ist allerdings nicht strafbar und auch nicht Teil der Anzeige Sailers. Politisch könnten solche Kontakte Ortner aber nun zum Aufgeben gezwungen haben.
Denn er beteuerte stets, dass jeglicher Kontakt zur Szene Ende der 1980er-Jahre endete und eine Jugendtorheit war. Auch der oberösterreichische FPÖ-Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner hatte noch am Mittwoch eine "Chance auf Resozialisierung" für Ortner verlangt. Für Haimbuchner war ausschlaggebend, dass sich einschlägige Aktivitäten Ortners nicht zeitlich mit seiner Parteimitgliedschaft überschneiden. Doch wann er Parteimitglied wurde, konnte Ortner dem Standard weder am Mittwoch noch am Donnerstag sagen: "Ich weiß es nicht genau."
Ein Sprecher Haimbuchners bestätigte auf Standard-Nachfrage: "Ortner war von 1994 bis 1997 als Mühlegger FPÖ-Parteimitglied. Ab 2005 als Ortner." Warum er dazwischen austrat, sei unklar.
Jedenfalls trat er 1995, also als Parteimitglied, beim Verein Dichterstein Offenhausen, der 1999 wegen Wiederbetätigung verboten wurde, als Redner auf. "Es geht ja nicht, dass man sich von heute auf morgen von dieser Szene abkapselt", so Haimbuchners Sprecher. Doch auch später soll Ortner laut einer Meldung vom Kurier vom Donnerstag rechtsextreme Treffen besucht haben. So sei Ortner 2006 bei einem Fest der NPD in Dresden gewesen - in "inniger Umarmung" mit NDP-Chef Holger Apfel. Ortner streitet dies nicht ab.
Grünen-Parlamentarier Karl Öllinger, der auf seiner Seite stopptdierechten.at Material zu Ortner sammelte, begrüßte den Rücktritt, meinte aber: "Das Problem bleibt in der FPÖ vorhanden, jede Woche liefert neue Belege."
Seitens der Bundes-FPÖ gab man sich zum Rücktritt zugeknöpft: "Der Chef ist heute in Tirol unterwegs, ich weiß nicht, ob ihn erreiche", so der Sprecher von Heinz-Christian Strache. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 19.4.2013)