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Patienten, die an klinischen Studien teilnehmen, haben laut Sttistik deutlich höhere Chancen auf eine höhere Lebensqualität.

Foto: APA/Frank May

Sind klinischen Studie ein Segen, oder spielt der Patient Versuchskaninchen? "Sie sind ein Segen", sagt Michael Krainer, Facharzt für internistische Onkologie, der an der Med-Uni Wien für urologische und gynäkologische Tumoren zuständig ist – auch als langjähriger Studienleiter. Laut Statistiken haben Patienten, die an klinischen Studien teilnehmen, deutlich höhere Chancen auf Heilung oder auf ein längeres Überleben und vor allem auf eine höhere Lebensqualität. "Die Sicherheit steht dabei ständig an erster Stelle." 

Tatsächlich regeln internationale Vorschriften den Umgang mit Patienten bei medizinischen Studien, die von nationalen Richtlinien ergänzt werden. Alle in Österreich durchgeführten Studien müssen dem Gesundheitsministerium gemeldet und von den jeweiligen Ethikkommissionen bewilligt werden. Jeder Studienteilnehmer muss selbst einer Teilnahme zustimmen, zuvor über alle Risiken aufgeklärt werden, für die Teilnahme speziell versichert werden und kann jederzeit aus aussteigen. Automatisch ausgeschieden werden Teilnehmer, wenn die Nebenwirkungen der getesteten Medikamente zu gravierend werden. Ganze Studien werden abgebrochen, wenn das neue Medikament derart gut wirkt, dass es ethisch nicht mehr zu vertreten wäre, der Kontrollgruppe weiterhin nur Placebos zu verabreichen.

Placebo-Kontrolle

Das mit den Placebos sei sowieso heikel, erklärt Krainer: In der Phase I einer Studie werden bei meist weniger als 100 Menschen optimale Dosis und allgemeine Verträglichkeit eines neuen Medikaments untersucht. In Phase II werden an hunderten Menschen allgemeine Wirksamkeit und Sicherheit untersucht. In Phase III schließlich werden an tausenden Menschen über einen langen Zeitraum hinweg der generelle Einsatz des Medikaments geprüft und – falls möglich – mit einem anderen Medikament verglichen. Ist keine Vergleichsarznei vorhanden, wird mit Placebos, mit Substanzen ohne Wirkstoff, verglichen – meist in "randomisierten doppelblinden Studien": Eine Patientengruppe erhält das neue Medikament, eine Kontrollgruppe erhält Placebos, die Zuteilung erfolgt per Zufall, weder Ärzte noch Patienten wissen, wer in welcher Gruppe ist.

Gerade in der Onkologie würde vielen Patienten die Teilnahme an einer klinischen Studie empfohlen, für die es keine anderen Medikamente gebe, erklärt Krainer, und diesen müsse fairerweise gesagt werden, dass sie meist nur eine 50-prozentige Chance haben, tatsächlich ein neues Medikament zu bekommen. Doch habe auch die Placebogruppe große Vorteile, erklärt Krainer: "Viel mehr medizinisches Personal kümmert sich um die Patienten, und auch die Untersuchungen sind engmaschiger." Inzwischen gebe es nach Verhandlungen mit Zulassungsbehörden immer mehr Fälle, in denen die Aufteilung statt wie bisher 50:50 schon 1:2 zugunsten der Medikamentengruppe erfolge.

In der Onkologie werden geeignete Patienten meist von ihren behandelnden Ärzten auf eine Studienteilnahme hingewiesen. Entlohnung gibt es nicht, wohl aber einen Spesenersatz. Für klinische Studien in anderen Bereichen ist es mitunter üblich, den Teil nehmern auch eine Entlohnung zu bezahlen. Ausschreibungen zur Teilnahme finden sich immer wieder in heimischen Medien oder im Aushang an den Kliniken.

Freilich profitiert auch das Studienzentrum selbst von klinischer Forschung. "Aufgrund der hohen Kosten solcher Medikamentenstudien gibt es in Österreich fast ausschließlich industriefinanzierte klinische Forschung in diesem Bereich", sagt Krainer. Der Auftraggeber, also die Pharmaindustrie, entrichte dem Studienzentrum eine "zu verhandelnde Kompensation für die Behandlung und Betreuung". Diese fließe jedoch 1:1 wieder in Personal, das teilweise nur aufgrund solcher Studienfinanzierungen beschäftigt werden könne – was wiederum den Patienten zugutekomme.

Apropos Finanzierung

Zahlreiche Fragestellungen aus dem medizinischen Alltag wie etwa die mögliche Reduzierung der Dosis eines Medikaments oder der Einsatz einer nicht mehr patent geschützten Arznei für andere Indikationen würden derzeit auf der Strecke bleiben, weil die Industrie daran aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse habe.

Und da für die akademische  finanzierte klinische Forschung kaum Gelder vorhanden seien, könne auch diese hier keine Antworten finden – immerhin sind die Voraussetzungen für klinische Forschungen für alle gleich, somit auch der Aufwand. Allein für eine Phase-III-Studie belaufen sich die Kosten oft im dreistelligen Millionenbereich. Doch gebe es laut Krainer in der EU inzwischen Bestrebungen, hier Erleichterung zu schaffen. (Andreas Feiertag, DER STANDARD, 19.4.2013)