So sieht ein Handy für neun Euro aus.

Foto: Andrew Huang / CC BY-SA 2.0

Ein Blick ins schraubenlose Innenleben.

Foto: Andrew Huang / CC BY-SA 2.0

Elektronik-Händler gibt es in China wie Sand am Meer. Eine der Plattformen ist die Mingtong Digital Mall. Dort hat Andrew Huang, Betreiber der Seite Bunnie Studios, gestöbert – und ein Handy für zwölf Dollar (rund 9,16 Euro) ausgegraben und zerlegt.

Kompaktes Telefoniepaket

In grün-transparentem Plastik erstrahlt das Gerät. Das Featureset ist für diesen Kostenfaktor erstaunlich breitgefächert. Quadband-GSM, MP3-Wiedergabe, Bluetooth sowie natürlich Telefonie und SMS beherrscht das Gerät, das mit einem klein bemessenen, zweifarbigen OLED-Display und beleuchteten Hardwaretasten daherkommt.

Das Rechenherz bildet eine 260 MHz 32-Bit-CPU auf asis des MT6250DA-Chipsatzes von Mediatek. Als zweiter Chip ist Vanchips VC576 verbaut. Acht MB Arbeitsspeicher reichen für de Betrieb aus. Das Telefon hat einen microUSB-Anschluss, einen SIM-Slot und auch Platz für eine microSD-Karte. Der Lithium-Polymer-Akku ist fix integriert. Eher bedenklich ist, dass er nicht über einen sekundären Schutzschaltkreis verfügt.

Schraubenlos

Der niedrige Preis – die Produktionskosten dürften sich zwischen sieben und acht Euro bewegen – ergibt sich aber nicht alleine aus den günstigen Komponenten, sondern auch aus der Art der Verarbeitung. Schrauben sucht man vergeblich. Das Case ist zusammengesteckt, auf den Platinen gibt es fast keine Konnektoren. Alle Komponenten sind direkt an die jeweiligen Platinen gelötet. Während des Transports wird der Akku mit einem Schalter mechanisch abgetrennt.

Am Bluetooth-Chip hängt eine Antenne, die aus einem einfachen Drahtstück besteht. Auf der Keyboard-Unterlage sorgen eine Reihe kleiner LEDs für die Hintergrundbeleuchtung.

Do-It-Yourself

Der Mediatek-Chip kostet am freien Markt rund 1,6 Euro und lässt sich recht einfach en masse über Broker erstehen. Der direkte Kontakt zum Hersteller gestaltet sich hingegen schwierig. Im Internet – Chinesisch-Kenntnisse vorausgesetzt – finden sich Anleitungen, Schablonen und Layouts. Wer will, kann sich simple Handys dieser Art mit wenig Geld selber bauen.

Das führt Huang zum Begriff "Gongkai". Das Wort bedeutet "offen", wie es auch im Kontext von "Open Source" verwendet werden würde. Dabei handelt es in diesem Kontext sich um ein eigenes, kleines, innovatives Ökosystem, welches sich im Perlflussdelta der Provinz Guangdong entwickelt hat.

Open Source a la Guangdong

Die Idee dahinter, der Open Source-Gedanke, der Spirit, selber und gemeinsam mit anderen zu entwickeln und zu erfinden kommt aus dem Westen und wird in seiner eigenen Ausprägung umgesetzt. Der weitere Einfluss aus dem Abendland hält sich in Grenzen. Huang beschreibt es als ein "Netzwerk von Ideen, die sich Peer-to-Peer verbreiten, jedoch unter bestimmten Regeln, die das Teilen fördern, das Abkupfern aber bestrafen" und sich grundlegend vom westlichen Prinzip des geistigen Eigentums unterscheiden.

Aus diesem Umfeld, das Huang in seiner in Abgeschiedenheit entwickelten Eigenheit mit den Galapagos-Inseln vergleicht, stammt auch das Handy um neun Euro. Die Zukunft von Gongkai ist freilich offen, denn so manches Unternehmen aus dem In- und Ausland dürfte dieser "Szene" eher skeptisch gegenüberstehen. (gpi, derStandard.at, 19.04.2013)