Florian Lerchbammer redet auf Studentinnen ein, die vor der Wirtschaftsuni in Wien im Kreis stehen. Er drückt ihnen Info-Folder und kleine Sackerl mit Gummibärli in die Hand. "AG in aller Munde" ist darauf zu lesen. Eine der Studentinnen hebt skeptisch die Augenbrauen, sie nimmt die Flugblätter nicht an. "Wir wollen, dass jeder Student einen Platz bekommt", sagt Lerchbammer. "Ja, aber wie soll das gehen?", fragen die Studentinnen. "Mit fairen Zugangsregeln. Nicht wie jetzt mit Knock-Out-Prüfungen. Wir sind für objektive Eingangstests", erklärt er.
Lerchbammer ist Spitzenkandidat der ÖVP-nahen Fraktion "Aktionsgemeinschaft" (AG). Heute will er die Studenten an seiner Uni davon überzeugen, bei den ÖH-Wahlen vom 14. bis zum 16. Mai seine Fraktion zu wählen. Lerchbammer ist 21 und studiert internationale Betriebswirtschaftslehre. Er spricht schnell und im steirischen Dialekt. Die Forderungen seiner Fraktion kann er in weniger als zwei Minuten runterrasseln. Die AG konnte bei den vergangenen Wahlen bundesweit mit 31 Prozent die meisten Stimmen gewinnen. Trotzdem hat sie es noch nicht in die Exekutive der Bundesvertretung geschafft. Die linken Fraktionen haben eine Koalition ohne AG gebildet. Das soll sich jetzt ändern, Lerchbammer will ÖH-Vorsitzender werden. Er ist optimistisch, dieses Mal genügend Fraktionen für eine Koalition überzeugen zu können.

"Ich würde nie AG wählen"
Eigentlich ist die Wirtschaftsuni Wien ein Heimspiel für die AG, 2009 erreichte sie hier 55 Prozent der Stimmen. "Ich würde nie die AG wählen", sagt trotzdem eine der Studentinnen, die Lerchbammer angesprochen hat. Die Aktionsgemeinschaft sei oberflächlich und habe einen elitären Zugang zur Bildung. Ihr gehe es nicht um die Einführung von Zugangsbeschränkungen, sondern um die Ausfinanzierung der Universitäten.
Studentin Meral (24), die ein Stückchen weiter auf einer Bank vor der Wirtschaftsuni sitzt und gerade die Sonne genießt, sieht das anders. Sie hat genug von den Knock-Out-Prüfungen. Auch die Plätze in den Seminaren seien zu wenig. "Die Lage ist katastrophal. Wäre es da nicht vielleicht besser, Studiengebühren für alle einzuführen, dann kann ich wenigstens ordentlich studieren?", fragt Meral den Spitzenkandidaten Lerchbammer. "Wir sind dagegen, weil das Studium nicht die richtige Qualität hat", antwortet er. Erst wenn die Mittel für die Universitäten nicht weiter gekürzt würden und die Qualität passe, könne man über Gebühren nachdenken.
Unterstützung von der ÖVP
Beim Thema Studiengebühren ist sich die AG also nicht mit der ÖVP einig. "Wir lassen uns zwar unterstützen, aber nicht reinreden", sagt Lerchbammer über das Verhältnis. Geld für den Wahlkampf habe man zwar nicht bekommen, aber die AG könne sich Plakatständer der Partei ausleihen. Er selbst sei aus der Jungen Volkspartei ausgetreten, um unabhängige Studentenpolitik betreiben zu können.
Der Unterschied zwischen der AG und den anderen Fraktionen liegt für Lerchbammer darin, dass sich die AG nur der Studenten annehme. Ideologische Motive würden keine Rolle spielen. "Die ÖH soll den Studenten vertreten. Eine Solidarisierung mit der Metallergewerkschaft, wie sie die Exekutive im Herbst ausgesprochen hat, können wir als Aktionsgemeinschaft nicht mittragen." Als zentrale Aufgaben sieht er, dass "der Student einen Platz im Hörsaal findet, dass er bei der Anmeldung für ein Seminar nicht mehr zittern muss."
Mehr Transparenz
Zudem möchte er österreichweit ein Studententicket für öffentliche Verkehrsmittel. Seine wichtigste Forderung (siehe Video) ist, dass die Universitäten in das Transparenzgesetz aufgenommen und so Nebentätigkeiten der Professoren offengelegt werden. Die AG erhofft sich davon, dass auch die Qualität der Betreuungssituation an der Uni besser beurteilt werden kann. "Genau dort soll die ÖH ansetzen und nicht bei wahnwitzigen Projekten wie dem Café Rosa". Als Konsequenz der Verluste, die durch das Café Rosa entstanden sind, fordert die AG die Prüfung aller ÖH-Ausgaben über 100.000 Euro durch das Wissenschaftsministerium. Eine Gefährdung der Unabhängigkeit der ÖH sieht Lerchbammer darin nicht, gegen Bescheide könne schließlich berufen werden.
Lerchbammer fordert alle Studenten, die er an der WU anspricht, dazu auf, unbedingt wählen zu gehen. "Mir ist egal, wo ihr euer Kreuz macht, Hauptsache ihr geht hin", sagt er. Die geringe Wahlbeteiligung bei ÖH-Wahlen erklärt er sich damit, dass sich die Studierenden von der aktuellen Exekutive auf Bundesebene nicht vertreten fühlen. Es habe keine Verbesserungen für die Studierenden gegeben. Das Engagement der ÖH gegen die Studienplatzfinanzierung habe nicht ausgereicht. "Sie sollen darauf pochen, und wenn sie dem Minister die Tür einrennen und aufzeigen, was das für ein Schwachsinn ist."
Kritik an aktueller Bundesvertretung
Ein Problem sei, dass die aktuelle Bundesvertretung nicht ernst genommen werde, weil sie viele Projekte umsetze, mit denen sich die Studierenden nicht identifizieren könnten. Als Beispiel nennt er etwa einen Workshop für veganes Sexspielzeug aus Fahrradteilen an der Bodenkundlichen Universität in Wien. "Wenn Pragmatismus einzieht, wird man die ÖH auch als Verhandlungspartner akzeptieren und einbinden", glaubt er.

Die ÖH-Bundesvertretung sieht in der Einführung einer Direktwahl ein Mittel gegen die geringe Wahlbeteiligung. Die Verhandlungen unter den Fraktionen darüber sind allerdings gescheitert. Dass die AG gegen die Direktwahl ist, bestreitet Lerchbammer aber. "Wir wollen verhandeln. Wir haben das Anliegen, dass auch kleinere Hochschulen gehört werden. Das ist mit einer unüberlegten Umstellung nicht möglich", meint er. Viel wichtiger ist für ihn die Einführung von e-Voting und der Briefwahl. Dass die ÖH-Wahl 2007 vom Verfassungsgerichtshof wegen Mängel beim e-Voting aufgehoben wurde, ist für ihn kein Grund, kein e-Voting mehr durchzuführen. Man müsse die Regelungen eben verbessern.
Cocktailstand
Lisa (20) nimmt den Folder und die Gummibärli von Lerchbammer gerne an. Sie ist zwar schon länger Studentin, hat aber noch nie bei ÖH-Wahlen abgestimmt. "Es ist sich noch nie ausgegangen, ich hab das nicht mitbekommen." Dieses Mal sei die Wahl aber nicht zu übersehen, meint sie und zeigt auf die vielen Plakate, die vor der Uni stehen. Von den kandidierenden Fraktionen kennt sie nur die AG. "Sie organisieren Events wie den Cocktailstand. Das ist super, da kommt man zusammen." (Lisa Aigner, derStandard.at, 23.4.2013)