Otfried Preußlers Familie hat eine Liste mit Begriffen vorgelegt, die sie gerne aus den Kinderbüchern des im Februar 2013 verstorbenen Autors getilgt wüsste.

Foto: Thienemann-Verlag

Von Mark Twain stammt das Zitat: "Schreiben ist leicht, man muss nur die falschen Wörter weglassen." Wie aber umgehen mit Texten, die bereits geschrieben sind, zumal wenn es sich um Kinderbücher handelt und die "falschen" Wörter im Lauf der Zeit zum Beispiel rassistische (geworden) sind? Entfernen oder drinlassen und kommentieren? Ist dieses Umschreiben Zensur oder pädagogische Intervention?

Bereits vor einigen Jahren wurde der "Negerkönig"-Papa von Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf ein "Südseekönig". Das diskriminierende N-Wort steht heute exemplarisch im Zentrum der Debatte um "böse" Wörter in Kinderbüchern. Neu angefacht wurde sie durch die Entscheidung des Stuttgarter Thienemann Verlags, dass in der Neuauflage des 1957 erschienenen Kinderbuchklassikers "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler keine "Negerlein" mehr auftauchen werden. Die Reaktionen - auf das angekündigte Umschreiben des Buches - waren heftig.

"Das Wort ist faul geworden"

Diese Empörungsrichtung hat Schriftsteller Doron Rabinovici, selbst Autor des Kinderbuchs Das Jooloomooloo,"wirklich erstaunt", sagte er bei der 3. Zoom Lecture im Zoom Kindermuseum Wien - initiiert von Direktorin Elisabeth Menasse in Kooperation mit dem STANDARD. Das Problem sei ja, dass Lindgren - so wie Preußler - "eindeutig keine rassistische Intention hatte", sagte Rabinovici: "Das Wort ist sozusagen unter unseren Händen faul geworden." Er ist daher klar für die Entfernung solcher Begriffe - aus Kinderbüchern: "Erwachsenenliteratur sollte auf keinen Fall umgeändert werden, damit klar bleibt, wer welche Begriffe verwendet hat. Das will ich gar nicht beschönt haben." Aber wozu pejorative Begriffe in Kinderbüchern verteidigen, "wenn es auch anders geht" - ohne sie?

Ja, es geht auch ohne "Negerlein", und mit Zensur habe das nichts zu tun, verteidigte Thienemann-Verleger Klaus Willberg die "behutsame sprachliche Modernisierung" von "Die kleine Hexe", die auf die "ausdrücklich begrüßte Initiative der Familie Preußler zurückgeht, mit dieser abgestimmt und von dieser autorisiert ist".

Familie Preußlers unterstützt Änderung

Jetzt liegt eine "Vorschlagsliste" der Preußler-Familie mit einer Reihe von Begriffen vor, über die gerade beraten wird, sagte eine Verlagssprecherin zum STANDARD. Betroffen sind auch veraltete, nicht mehr gängige Wörter. Es werden "in keinem Fall ganze Textpassagen umgeschrieben", sondern es geht um den "Austausch von Begriffen".

Diesen Austausch befürwortet auch Saskia Hula, vielfache Kinderbuchautorin (zuletzt Eine Kiste für den Bären) und Volksschullehrerin in Wien: "Es ist ein großer Unterschied, ob Kinder auf einer Mauer ,Neger' lesen oder ob es so nebenbei in einem wunderbaren Kinderbuch, das ihnen die Mama vorliest, vorkommt, weil das dadurch einfach legitimiert wird."

"Erziehungspille"

Hildegard Gärtner, Leiterin des Jungbrunnen-Verlags, der u.a. "Das kleine Ich bin ich" verlegt, betont den "Respekt vor dem geistigen Eigentum der Autoren. Per se ist kein Wort in irgendeiner Form belastet. Es ist immer die Frage nach dem Kontext zu stellen." Sie habe ein Buch, in dem einmal das Wort "Negerpuppe" vorkommt: Mira Lobes "Lollo". Als Verlegerin frage sich sich: "Habe ich das Recht einzugreifen? Wie geht man mit dem historischen Aspekt um? Wo fängt man an, wo hört man auf? Wir kommen nicht darum herum, den Kindern die Welt zu erklären." Im Fall "Lollo" werde man das Wort vorne im Buch kommentieren.

Hauptsache, nicht wie "Political-Correctness-Sheriffs" in Kinderbüchern herumfuhrwerken und sie als "Erziehungspille" abtun, hatte übrigens Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger in der "Zeit" zur Umschreibdebatte gesagt: "Ich habe einfach keine Lust, Wörter zu verhaften." (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 20./21.4.2014)