
Christian Ragger: "Ich bin seit Jahr und Tag als Mitte-rechts-Politiker eingeordnet, der zu Tradition und Kultur steht."
Mit 76 Prozent wurde Christian Ragger am Sonntag zum Obmann der Freiheitlichen in Kärnten gewählt. Am Parteitag sprach er mit derStandard.at über die Matura auf Türkisch, "die in großen Städten früher oder später aus wirtschaftlichen Gründen eine Überlegung" sein müsse, über das "Jörg-Haider-Institut", das er mit Claudia Haiders Stiftungsgeld gründen will, und die Radikalität im Kärntner Landtag.
derStandard.at: Sie haben gesagt, Ihre Partei soll bürgerlicher werden. Was kann man sich darunter vorstellen?
Ragger: Im Gegensatz zu vielen anderen Freiheitlichen war ich sehr lange im Ausland. Ich habe in Italien studiert und habe über Jahre hinweg auch im Sozialreferat sehr stark die Europaschiene aufrechterhalten. Als ich in das Sozialreferat gekommen bin, war es verboten, Europapolitik zu betreiben. Das war eine Weisung meiner Vorgängerin. Als ich das Referat nun übergab, hatte ich 23 EU-Projekte.
In einer Region wie Kärnten muss man sich einfach öffnen, etwa im Bereich Bildung. Meine Tochter geht in Udine zur Schule, mein Sohn lernt die Sprachen Slowenisch, Englisch und Italienisch. Slowenien, Kroatien, Istrien und Friaul sind die Regionen, um die wir uns bemühen. Zweitens: Jörg Haider hat aufgezeigt, dass in dieser Partei für alle Leute Platz ist. Von der Position ganz rechts, also unseren Vertretern der nationalen Gesinnung, bis hin zu den Wirtschaftsliberalen hatte Jörg alle aufgestellt. Das möchte ich als Ziel sehen.
derStandard.at: Das verstehen Sie also unter dem Bürgerlichen?
Ragger: Nicht nur das. Auch diese Vollkaskomentalität, wo man für alles eine Versicherung braucht, sollte langsam wieder einer Eigenverantwortung weichen.
derStandard.at: So, wie es die Liberalen propagieren.
Ragger: Ja. Am besten kann man das in einem Klein- und Mittelbetrieb nachvollziehen. Ein solcher ist sozial ausgewogen, weil er in die gesellschaftliche Ordnung integriert ist. Er sponsert Sozialpolitik, indem er vielleicht bei den Lions, bei den Rotariern oder einer anderen Organisation dabei ist. Er ist der treibende Motor für die Wirtschaftsentwicklung und ist zugleich der größte Steuerzahler. Um die müssen wir uns in Zukunft kümmern.
derStandard.at: Wo würden Sie sich politisch einordnen?
Ragger: Ich bin seit Jahr und Tag als Mitte-rechts-Politiker eingeordnet, der zu Tradition und Kultur steht. Für mich ist das Wesentliche, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Die Ortstafeln, das ist ein historisches Thema. Für uns ist der wesentliche Punkt eine Gesellschaft, in der die Leistung etwas zu zählen hat.
derStandard.at: Ihr Sohn lernt Slowenisch. Und Sie erachten es dennoch für problematisch, wenn im Landtag Slowenisch gesprochen wird?
Ragger: Ich halte es deshalb für sehr irritierend und sehr schwierig, weil man nicht vergessen darf: Das war jahrelang das Streitthema. Jetzt beginnt man damit, im Landtag Slowenisch zu sprechen, ohne dass die Verfassung geändert wurde. Diese schleichende Entwicklung der Slowenischsprachigkeit im Kärntner Landtag ist brandgefährlich, weil so auf beiden Seiten Emotionen geschürt werden. Und das führt wiederrum zur Radikalität. Deshalb wäre der Präsident gut beraten, das zu unterbinden. Auch der Landtagspräsident im Burgenland hat das Kroatische sofort unterbunden, weil es nicht in der Landtagsverfassung verankert ist. Wenn man das haben will, muss man die Bundesverfassung ändern.
derStandard.at: Sie sagen, die slowenische Sprache bringe Radikalität in den Landtag. War nicht Ihre Partei am Schüren solcher Emotionen beteiligt?
Ragger: Ich schließe uns nicht aus. Ich schließe niemanden aus. Sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite wurde die Radikalität geschärft. Wenn man daran denkt, dass jetzt die Archive geöffnet wurden und auch Kärntner bei den Bombenanschlägen in Völkermarkt identifiziert wurden, zeigt das die Radikalität auf der anderen Seite. Gemeinsam mit dem Tito-Regime hat man versucht, Unruhe nach Österreich zu bringen. Aber richtigerweise muss diese Verfassungsbestimmung eingehalten werden.
derStandard.at: Man soll also weiterhin nicht Slowenisch im Kärntner Landtag reden?
Ragger: Ich bin international ausgerichtet. Ich fordere nur die Gleichwertigkeit ein. Wenn bei uns Slowenisch gesprochen werden soll, dann wird das eine breite Diskussion auslösen. Diese Diskussion muss in Slowenien geführt werden. Minderheiten in Slowenien müssen dann darüber nachdenken, ob nicht im slowenischen Nationalparlament auch ihre Sprache gesprochen werden soll.
derStandard.at: Weil Sie so international ausgerichtet sind und Ihnen die Sprachen so wichtig sind: Würden Sie es gut finden, wenn man in Österreich auf Türkisch maturieren darf?
Ragger: In einer unserer Vorzeigeschulen in Klagenfurt werden die Kinder in Deutsch und Serbokroatisch erzogen - weil das für uns ein wesentlicher wirtschaftlicher Fingerzeig ist. Bei uns ist das Türkische eher sekundär und zu vernachlässigen. In großen Städten wird das sicher früher oder später für diesen Bereich aus wirtschaftlichen Gründen eine Überlegung sein müssen.
derStandard.at: Kommen wir zur freiheitlichen Akademie für Junge, die Sie planen. Wer soll da hingehen und was soll man dort lernen?
Ragger: In erster Linie wird vermittelt, was eine bürgerliche Gesellschaft unter den Schlagwörtern Freiheit und Verantwortung in Zukunft ausrichten soll. Gleichzeitig wird man in Rhetorik geschult, man soll ein Verständnis für die Politik entwickeln. Das Programm geht von Jugendparty bis hin zu internationalen Projekten. Wir arbeiten mit der Lega Nord und der Forza Italia zusammen. Wir leben so internationale Politik. Es geht so weit, dass wir unsere Kinder in Austauschprogrammen mit Amerika schulen lassen wollen. Vermittelt werden soll etwa, wie Demokraten und Republikaner ihre Wahlkämpfe handhaben. Das wird die Zukunft sein. Es handelt sich um eine Kaderschulung für junge, aber auch für routinierte Politiker.
derStandard.at: Sie haben also ein länderübergreifendes Netz zur Kaderschulung aufgebaut?
Ragger: Ich bin seit zehn Jahren Anwalt und habe Büros in Mailand, Kärnten und in Wolfsberg. Zusammen mit unserem Steuerberater habe ich 24 Standorte in Europa. Über diese Kontakte habe ich sehr viele Unterstützer kennengelernt. Wir werden die Wörtherseegespräche wieder ins Leben rufen. Der Erste, der uns zugesagt hat, ist der VW-Vorstandsdirektor Ferdinand Piëch.
derStandard.at: Wenn Sie sagen, wir lassen unsere Kinder in Austauschprogrammen schulen, meinen Sie damit Ihre eigenen Kinder oder den Parteiennachwuchs?
Ragger: Es geht um den Parteiennachwuchs. Wenn meine Kinder Interesse für Politik haben, werde ich sie nicht daran hindern. Es steht ihnen frei.
derStandard.at: Wie lange dauert diese Ausbildung?
Ragger: Sie wird in Modulform gestaltet sein und kann bis zu eineinhalb Jahre dauern. Je nachdem, welche Intensität man wünscht.
derStandard.at: Sind Sie Burschenschafter?
Ragger: Nein.
derStandard.at: Die Freiheitlichen haben viele Politiker aus den Burschenschaften rekrutiert. Soll das mit der Kaderschule durchbrochen werden?
Ragger: Ganz im Gegenteil. Wir haben sehr viele Korporierte in Wien. Ich habe sehr viele Freunde, die in einer Korporation sind. Vom kleinen Bergbauernbub bis hin zum Industriellensohn kann bei uns jeder geschult werden.
derStandard.at: Jörg Haiders Witwe Claudia übergibt Ihnen für dieses Schulungsvorhaben eine Stiftung.
Ragger: Claudia Haider hat eine Stiftung gegründet, diese Stiftung ist mit Kapital gespeist. Damit werde ich das Jörg-Haider-Institut gründen, das wird die Parteikaderschule für die Zukunft sein.
derStandard.at: Gibt es noch weitere Aufgaben, die das Jörg-Haider-Institut übernehmen soll?
Ragger: Publikationen, internationaler Erfahrungsaustausch werden ebenfalls vom Jörg-Haider-Institut durchgeführt werden.
derStandard.at: Wie viel Kapital ist dafür vorhanden?
Ragger: Es ist ausreichend Geld da, um die Schulungen über mehrere Jahre hinweg durchzuführen.
derStandard.at: Spielt Claudia Haider in der Partei auch eine politische Rolle oder ist sie nur die Geldgeberin?
Ragger: Claudia Haider hat sich nach dem Tod ihres Mannes zurückgezogen. Sie ist auch in schwierigen Zeiten zu ihrem Mann gestanden. Vor einigen Tagen hat sie mich kontaktiert und gesagt, Christian, jetzt muss die freiheitliche Gesinnung wieder vereint werden. Damit hat sie ihre Unterstützung zugesagt.
derStandard.at: Sie haben in Ihrer Rede zu Heinz-Christian Strache gesagt: "Christian, hilf uns." Wie soll er Ihnen helfen?
Ragger: Als selbstständige Landesgruppe können wir bei den Nationalratswahlen nicht kandidieren. Daher brauchen wir einen Dachverband, nämlich die FPÖ-Mutterpartei, um gemeinsam auftreten zu können. Wir werden sehr liberal organisiert sein, ein eigenes Statut führen und sehr stark finanziell unabhängig sein.
derStandard.at: Wie viele Prozent soll die FPÖ bei der Nationalratswahl erhalten?
Ragger: Wenn ich das wüsste, dann müssten wir nicht mehr wählen gehen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 22.4.2013)