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2009: Assistent Beichler und Torschütze Janko jubeln über das 2:0 gegen die Färöer in der WM-Qualifikation.

Foto: APA/ Schlager

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2009: Beichler im Europa-League-Einsatz mit Sturm bei Galatasaray Istanbul.

Foto: EPA/TOLGA BOZOGLU

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2009: Beichler wird als Österreichs Aufsteiger der Saison ausgezeichnet.

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2010: Beichler ist in Berlin und auf der Bank angekommen.

Foto: APA/ RUBRA / RUDOLF BRANDSTÄTTER

2013: Beichler im Dress des SV Sandhausen.

Foto: SV Sandhausen

Als großes Talent wechselte Daniel Beichler 2010 von Sturm Graz zur Hertha nach Berlin. Statt des internationalen Durchbruchs folgten aber Seuchenjahre, ein durchwachsenes Leihengagement folgte dem anderen. "Die Menschlichkeit ging komplett verloren", bedauert der gebürtige Grazer, dem die Umstellung von der familiären Grazer Atmosphäre auf das "große Berlin" schwer zu schaffen machte, im Interview mit derStandard.at. Nach einem intensiven Lernprozess will er jetzt wieder durchstarten und mit einem neuen Verein für Furore sorgen.

derStandard.at: Am Sonntag haben Sie mit dem SV Sandhausen das Auswärtsspiel bei Ihrem eigentlichen Stammverein Hertha Berlin 0:1 verloren. Die Hertha hat damit den Aufstieg in die  deutsche Bundesliga fixiert. Wie bitter war die Niederlage mit dem entscheidenden Tor in der Schlussphase?

Beichler: Sehr bitter, weil wir Hertha in Berlin beinahe einen Punkt abgeknöpft hätten. Wir haben sehr diszipliniert gespielt und können trotz der Niederlage stolz sein auf unsere Truppe.

derStandard.at: Sind Sie mit Ihrer Leistung zufrieden? 

Beichler: Ich bin vor allem deshalb zufrieden, weil ich seit langer Zeit wieder einmal von Beginn an spielen durfte. Es war der richtige Zeitpunkt, mich nach 65 Minuten herauszuholen, weil klar war, dass man nach so langer Zeit nicht ohne Wenn und Aber durchspielen kann. Ich habe 65 Minuten lang 100 Prozent gegeben, und der Trainer war mit mir zufrieden. Natürlich wäre es mir zugutegekommen, wenn wir mehr nach vorne gespielt hätten.

derStandard.at: Haben Sie bedauert, dass Sie nicht mehr Teil dieser Berliner Mannschaft sind?

Beichler: Nein, darüber mache ich mir schon seit geraumer Zeit keine Gedanken mehr. Was nicht ist, ist nicht. Die Jungs haben es sich jedenfalls mehr als verdient, da gibt es kein Nachtrauern.

derStandard.at: Sie haben 2010 Sturm Graz verlassen und bei Hertha in Berlin angeheuert. Dort kamen Sie kaum zum Einsatz, stattdessen gab es Leihengagements in St. Gallen, Duisburg, Ried und aktuell beim SV Sandhausen. Das klingt nach einem abwechslungsreichem Leben mit bitterem Beigeschmack.

Beichler: Ja, absolut. Ich habe seit 2010 in meiner Karriere keine Kontinuität mehr erreicht. Das lag sicher auch an vielen Verletzungen, die mich zurückgeworfen haben. Ich bin nach Berlin gegangen, um mich durchzusetzen, aber das hat leider nicht funktioniert. Auf der einen Seite war es Pech, auf der anderen kann ich mich aber auch nicht von Fehlern freistellen. Mir wird von den Trainern stets bescheinigt, dass wir vom Fußballerischen her nicht reden müssen, und ich weiß auch, dass ich meine Qualitäten habe.

derStandard.at: Woran lag es dann?

Beichler: Viele meinten, dass es bei mir im Training zu lasch hergeht. In der Hinsicht habe ich mich extrem gewandelt. Wahrscheinlich werde ich irgendwann zurückblicken und sagen, dass nicht alle Trainer unrecht gehabt haben. Ich denke, das ist ein Lernprozess, der dazugehört. Der Trainingsbetrieb in Deutschland unterscheidet sich von dem in Österreich enorm. Der Konkurrenzkampf ist groß, und man muss immer an die Grenzen gehen.

derStandard.at: Sie sind noch bis 2014 in Berlin unter Vertrag. Kann es mit einem Comeback dort noch klappen?

Beichler: Das ist ungewiss. Hertha wäre im Winter bereit gewesen, mich gehen zu lassen. Ich glaube, dass sich die Situation nicht großartig verändert hat. Es hat viel Kommunikation mit Manager Michael Preetz gegeben, und ich habe herausgehört, dass es mir übel genommen wurde, dass ich damals, als ich Stammspieler war, für zehn Tage wegen meiner kranken Mutter nach Hause reisen musste. Es gab zwar Verständnis dafür, aber mir wurde auch vorgeworfen, die Mannschaft im Stich zu lassen. Das kann ich aber nicht gelten lassen, weil für mich die Familie ganz klar vor Fußball geht. Und das habe ich auch deutlich gemacht.

derStandard.at: Ein Comeback ist also eher unwahrscheinlich?

Beichler: Ich weiß nicht genau, was sie planen, aber ich gehe davon aus, dass sie mir nicht große Steine in den Weg legen werden. Ich glaube nicht, dass mich Hertha wiederhaben will, wenn ich bedenke, wie  Herr Preetz mit mir gesprochen hat. Ich mache auch kein Hehl daraus, dass die Hertha auf meiner Position den einen oder anderen Spieler holen wird. Der Konkurrenzkampf ist außergewöhnlich hoch. Als ich damals zum Einsatz kam, gab es teilweise fünf, sechs Spieler auf meiner Position.

derStandard.at: Woran ist der Transfer zu Sturm im Winter letztendlich gescheitert?

Beichler: Ich hatte mich schon mit Sturm geeinigt. Dann ist einiges schiefgelaufen in der Kommunikation mit Sportgeschäftsführer Tumani, der sich in der entscheidenden Phase zwei, drei Tage nicht gemeldet hat. Das war enttäuschend. Ich will jetzt nicht nachtreten, aber ich war schon auf den Wechsel eingestellt.

derStandard.at: Welche Kriterien sind für Sie in puncto Vereinswechsel entscheidend?

Beichler: Ich möchte im Sommer einen neuen Klub finden. Das Wichtigste dabei ist, dass es ein Verein ist, der mich auf meiner Lieblingsposition einsetzt. Ich möchte Minimum einen Zweijahresvertrag, schon allein wegen meiner Familie, aber auch für mich, damit ich mich wieder einmal zu Hause fühlen kann. Ich möchte, dass man mir Vertrauen gibt, dass ich Ruhe und Sicherheit habe und mich nicht ständig fragen muss, was in drei, vier Monaten sein wird.

derStandard.at: Sie spielen am liebsten ganz vorne, kamen aber nicht immer dort zum Einsatz.

Beichler: Ich habe meine größten und besten Spiele bisher immer als Stürmer gemacht, in der jüngeren Vergangenheit aber leider immer auf anderen Positionen gespielt, entweder weiter hinten oder auf der Außenbahn. Das kann ich im Notfall auch spielen, aber es ist schade, wenn ich meine Stärken auf anderen Positionen verschenke.

derStandard.at: Sie wurden einmal durch eine schwere Krankheit zurückgeworfen ...

Beichler: Eine ganz dumme Geschichte. Es passierte gleich nach meinem Wechsel zu St. Gallen. Ich konnte nach meiner Leistenoperation endlich wieder spielen, habe gleich im ersten Spiel ein Tor geschossen und bin dann schwer erkrankt. Bis heute ist nicht klar, was für ein Virus das war. Den Ärzten war suspekt, dass ich über sehr lange Zeit hohes Fieber hatte. Sie haben schon Schlimmeres befürchtet, und ich habe befürchtet, dass ich gar nicht mehr spielen kann.

derStandard.at: Sie mussten sich also auch mit Gedanken an ein Karriereende auseinandersetzen?

Beichler: Als 22-Jähriger war das ein großer Schock für mich. Im Nachhinein ist mir ein Stein vom Herzen gefallen, auch wenn ich in der ersten Zeit danach immer Angst hatte, einen Rückfall zu erleiden und wieder Fieberschübe zu bekommen. Die Sache ist jetzt kein Thema mehr, aber es war ein einschneidendes Erlebnis, und ich weiß meinen Beruf seither umso mehr zu schätzen.

derStandard.at: Inwieweit darf ein Profi Schwächen zeigen?

Beichler: Das ist hier in Deutschland sicher extremer als in Österreich. Es ist im Fußballgeschäft jedem egal, wenn du verletzt bist, krank bist oder Krankheitsfälle in deiner Familie hast. Die Entwicklung zeigt, dass der Mensch nicht mehr im Vordergrund steht. Für einen Fußballer wie mich, dem das Spiel so viel Spaß macht, ist es schon Strafe genug, wenn er das Training nicht mitmachen kann. Man gerät in Vergessenheit, wenn man krank oder verletzt ist. Das geht ganz, ganz schnell, und das habe ich leider zur Genüge erlebt.

derStandard.at: Warum war das Verhältnis zum damaligen Berlin-Trainer Markus Babbel derart zerrüttet?

Beichler: Ich bin von einem Verein gekommen, bei dem Menschlichkeit sehr großgeschrieben wurde. Franco Foda ist ein sehr guter Trainer und auch menschlich ein sehr, sehr guter Typ. Es war dann eine komplette Umstellung im großen Berlin, die Menschlichkeit ging komplett verloren, aber das ist generell in Deutschland anders. Es ist kein Geheimnis, dass ich mit Babbel nicht konnte, und man muss auch sagen, dass er nicht dafür verantwortlich war, dass ich zu Hertha gekommen bin, sondern Michael Preetz.

derStandard.at: Wie geht es Ihnen in Sandhausen?

Beichler: Trainer Boysen ist zufrieden, nachdem er mir einige Vorgaben gegeben hat, wie das so üblich ist. Leider habe ich diese in der Vergangenheit nicht zu seiner Zufriedenheit ausgeführt. Er legt sehr viel Wert auf die defensive Arbeit und hat mich ständig kritisiert, dass ich in diesem Bereich zu wenig mache. Das habe ich mir zu Herzen genommen. Mit meinen offensiven Qualitäten war er aber immer sehr zufrieden.

derStandard.at: Sandhausen ist eine Gemeinde in Baden-Württemberg mit 14.500 Einwohnern - für deutsche Verhältnisse ein Nest. Der Verein ist in den vergangenen fünf Jahren von der Oberliga bis in die zweite Bundesliga marschiert. Wie war dieses Fußballmärchen möglich?

Beichler: Sandhausen ist ein sehr kleiner, bescheidener, familiärer Verein. Man sollte aber wissen, dass ein Präsident dahintersteht, der sehr vermögend ist, wie das gesamt Umfeld für den Fußball lebt und viel in den Verein hineinsteckt. Ohne ihn wäre der Verein nicht dahin gekommen, wo er jetzt steht. Es ist aber im Gegensatz zu Berlin 1.000:1, vergleichbar mit Ried. Mir gefällt das.

derStandard.at: Wie viele Zuschauer fasst das Stadion, wie viele kommen zu den Spielen?

Beichler: In das Stadion passen rund 12.000 Zuschauer. Gegen Kaiserslautern war es ausverkauft, gegen Braunschweig kamen 8.000. Im Schnitt sind es zwischen 5.000 und 6.000 Zuschauer. Es gibt viele Leute in der Region, die sich mit dem Verein identifizieren, auch wenn es in der Nähe auch einige Großklubs wie Hoffenheim, den Karlsruher SC, Stuttgart und Waldhof Mannheim gibt.

derStandard.at: Die Lage beim SV Sandhausen scheint angesichts des vorletzten Tabellenplatzes prekär. Wie ist die Stimmung im Team?

Beichler: Die Lage ist angespannt, das ist in der Situation normal, obwohl die Mannschaft einen überragenden Teamgeist hat. Wir sind natürlich im Vergleich zu anderen Zweitligateams von der Qualität her sicher weiter hinten anzusiedeln. Bei unseren direkten Konkurrenten Bochum und Dresden spielen Kicker mit mehr Erfahrung, und beide Teams punkten aktuell gut. Das wird sportlich schwer machbar. Eine Möglichkeit besteht darin, dass dem VfR Aalen sechs Millionen Euro für eine Bürgschaft fehlen und jetzt noch dazu der Hauptsponsor abgesprungen ist. Geht es Aalen an den Kragen, könnte auch der vorletzte Platz für die Relegation genügen. Jetzt heißt es vor dem Letzten Regensburg zu bleiben und abzuwarten.

derStandard.at: Sie gelten als gläubiger Mensch. Wie kam es dazu?

Beichler: Ich war immer schon relativ gläubig, auch wenn ich keiner bin, der die Bibel auswendig kann oder kein Bier trinkt am Abend. Aber es gibt mir schon Kraft, wenn man jemanden hat - das klingt jetzt blöd -, dem man sich anvertrauen kann, zumal die letzten Jahre für mich sehr hart waren.

derStandard.at: Sollte ein Daniel Beichler bei seinem Talent nicht ein Stammspieler im ÖFB-Team sein?

Beichler: Wir haben so gute Spieler, es macht teilweise richtig Spaß, der Mannschaft zuzusehen. Da würde ich schon sagen, es passt, wenn Leute wie Arnautovic spielen, der ein überragender Spieler ist, auch wenn er aus seinem Talent noch immer zu wenig macht, oder ein Junuzovic und wie sie alle heißen. Sie haben schon richtig viel Talent.

Aber ich habe mir in letzter Zeit öfter gedacht - und das soll nicht eingebildet klingen -, dass es für einen talentierten Spieler wie mich nicht sein kann, dass er so oft auf der Bank sitzt. Das ist keine Kritik an den Trainern, sondern viel mehr an mir selbst, weil ich oft nicht das gemacht habe, was ich machen hätte sollen.

derStandard.at: Warum nicht?

Beichler: Ich war ein Badkicker, der auch oft im Käfig gespielt hat. Spaß statt Verbissenheit stand im Vordergrund. Es stößt einem Trainer leicht sauer auf, wenn er denkt, ich könne mich mit einer Situation nicht identifizieren, weil ich Spaß habe und vielleicht einen Haken zu viel mache. Ich muss das jugendliche Fußballspiel in gewissen Momenten unterlassen. Ich möchte mich aber nicht komplett umstellen, denn dann hätte ich nicht mehr jene Qualitäten, die mich auszeichnen. (Thomas Hirner, derStandard.at, 22.4.2013)