Im Prozess gegen den Neonazi Gottfried Küssel und zwei weitere Angeklagte hat die Verteidigung nun eine Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht. Küssel, Felix B. und Wilhelm A. waren am 11. Jänner zu neun, sieben und viereinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Küssel hatte laut dem Wahrspruch der Geschworenen die neonazistische Webseite alpen-donau.info initiiert, die beiden Mitangeklagten sollen sie betrieben haben. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

In der Nichtigkeitsbeschwerde, über die der Oberste Gerichtshof entscheiden muss, finden sich mehrere Kritikpunkte, die dazu führen könnten, dass das Verfahren neu aufgerollt werden muss. Mit einer Entscheidung des OGH sei im Herbst zu rechnen, sagt Küssels Anwalt Michael Dohr.

Geschworene sollen vorgereiht worden sein

Eine der von der Verteidigung beanstandeten Unregelmäßigen trug sich am ersten regulären Verhandlungstag zu: Geschworene waren weggeschickt worden. Es seien schon genügend Geschworene hier, man brauche sie nicht mehr, lautete die Begründung. Darin könnte sich ein Verfahrensfehler verbergen. Das Gesetz sieht nämlich für die Auswahl der LaienrichterInnen ein strenges Zufallsprinzip vor. Für jedes Verfahren vor dem Schwurgericht gibt es eine Liste, die Geschworenen müssen Rang um Rang aufgerufen werden.

Genau das sei im Küssel-Prozess nicht passiert, kritisieren die VerteidigerInnen: Man habe einzelne Geschworene auf vorderen Listenplätzen weggeschickt und somit andere Geschworene vorgereiht. Eine solche Vorreihung muss aber sachlich gerechtfertigt sein: Sie kann beispielsweise dann vorgenommen werden, wenn schon zu Verfahrensbeginn absehbar ist, dass jemand an einem der Verhandlungstermine unabkömmlich und deshalb für das Verfahren nicht "brauchbar" ist.

Das Wiener Straflandesgericht will den Vorwurf weder bestätigen noch dementieren, zu laufenden Verfahren gibt es keine Stellungnahmen. 

Verteidiger: Richter befangen

Zweiter Kritikpunkt der Verteidigung: Ein Mitglied des Berufsrichtersenats, Maximilian Nowak, sei befangen, weil er in einer Causa, die mit dem Küssel-Prozess zusammenhängt, im Vorverfahren tätig geworden sei. Das widerspreche dem Grundsatz, dass ein Richter, der im Ermittlungsverfahren tätig war, nicht auch am Hauptverfahren teilnehmen darf. Beide Causen trugen dieselbe Aktenzahl, müssten also als zusammenhängend betrachtet werden, argumentiert die Verteidigung.

Dritter Kritikpunkt: Die Geschworenen seien mangelhaft rechtsbelehrt worden. Dieser Vorwurf führt, wenn die nächste Instanz ihn als begründet ansieht, nicht selten zu einer Aufhebung erstinstanzlicher Urteile. Im Fall des Küssel-Urteils wäre eine fehlerhafte Auswahl der Geschworenen oder eine mangelhafte Rechtsbelehrung besonders heikel: Küssel wurde mit einem Mehrheitsverhältnis von fünf zu drei für schuldig befunden. Eine Kontra-Stimme mehr, und Österreichs bekanntester Neonazi wäre, zumindest erstinstanzlich, freigesprochen worden. (Maria Sterkl, derStandard.at, 23.4.2013)