Der Tabakschwärmer mag ein unscheinbarer Vertreter der Schmetterling sein, dafür hat er einen extrem guten Geruchssinn. Die Insekten können mit ihren Riechantennen sogar einzelne Moleküle wahrnehmen.

Foto: Uni Kassel

Die Weibchen des Tabakschwärmers (Manduca sexta) locken ihre Männchen über Kilometer hinweg an, indem sie artspezifische Duftstoffe (Pheromone) freisetzen. Riecht ein Männchen diese Pheromone, ändert es augenblicklich sein Verhalten: Es beginnt, gegen den Wind und im Zickzack-Flug nach dem Weibchen zu suchen. Die Forschergruppe unter der Leitung von Monika Stengl von der Universität Kassel untersucht, wie die Rezeptoren der Tabakschwärmer-Männchen die Pheromone wahrnehmen und in elektrische Potentialänderungen übersetzen, die dann vom Gehirn weiter analysiert werden können.

Tabakschwärmer sind in Nord- und Südamerika verbreitet. Die Falter gelten als Schädlinge, weil sich die gefräßigen Raupen von Nutzpflanzen wie Tomaten und Tabak ernähren.

Riechzellen in der Petrischale

Für die Untersuchungen kultivieren die Kasseler Forscher Zellkulturen der Geruchsrezeptorneurone der Tiere – denn die Zellen sind in der Lage, in vitro zu riechen, also auch dann, wenn sie getrennt vom Organismus in einer Petrischale liegen. Die Forscher entnehmen dafür Zellen der Manduca-Puppen, die bereits die Anlagen für die Riechantennen entwickelt, aber die Antenne noch nicht ausgebildet haben. "Das Verfahren, diese sensorischen Insektenriechzellen in Langzeitkulturen aufzuziehen, beherrschen weltweit in dieser Form nur wir in Kassel", erläutert Stengl.

Die entnommenen Zellen aus der Puppe entwickeln sich in der Schale weiter und sind dort monatelang lebendig. Bringt man auf die Zellen Duftmoleküle auf, öffnen sich in der Membran Ionenkanäle, durch die Ionenströme fließen – die Zellen riechen. Die Gruppe um Stengl untersucht nun mithilfe verschiedener Verfahren, wie die Pheromone und andere Duftstoffe über intrazelluläre Signalkaskaden in elektrische Impulse übersetzt werden.

Schnellstraße ins Gehirn

Zwei Wege sind dabei denkbar: über einen Ionenkanal-Rezeptor, das ist quasi eine "Schnellstraße ins Gehirn"; die Übertragung liegt hier im Mikrosekundenbereich, dieser Weg ist aber weniger empfindlich bei der Detektion der Düfte. Oder über einen sogenannten metabotropen Rezeptor, der eine nachgeschaltete, Reiz-verstärkende Kaskade auslöst. Das funktioniert langsamer, innerhalb des Millisekundenbereichs; die Empfindlichkeit dieses Rezeptors ist aber höher und sein Arbeitsbereich größer. "Wir gehen davon aus, dass Manduca sexta diesen zweiten Weg nutzt", erklärt Stengl. "Denn einen Evolutionsvorteil hat der Schmetterling nicht durch schnelles Riechen im Mikrosekundenbereich, sondern durch empfindlicheres Riechen über einen großen Konzentrationsbereich hinweg."

Die Ergebnisse des Projekts sind ebenso wie die primären Riechzell-Kulturen in Zukunft möglicherweise nutzbar, beispielsweise für die Entwicklung künstlicher Nasen. Sie geben aber auch ganz grundsätzlich Aufschluss über die Funktionsweise des Riechens und des Verarbeitens von Sexual-Lockstoffen. "Die generelle Logik der chemosensorischen Signaltransduktion ist übertragbar und findet auch Anwendung in Geruchssystemen anderer Tiere und auch in der Nase des Menschen", so Stengl, "auch wenn einzelne Details dieser generellen Logik bei jeder Spezies etwas anders sein können." (red, derStandard.at, 26.04.2013)