Nicht ohne Grund der Namensgeber des ESI: Der Physiker Erwin Schrödinger war einer der Wissenschafter, die eine große Lust daran hatten, Fachgrenzen zu durchbrechen und sich mit mathematischen Fragen, aber auch mit der Biologie zu beschäftigen.

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Mathematiker und ESI-Direktor Joachim Schwermer.

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Eigentlich könnte es dem Erwin-Schrödinger-Institut für mathematische Physik (ESI) gar nicht besser gehen. Zwanzig Jahre nach seiner Gründung treffen wieder deutlich mehr Anträge für Programme und Workshops über komplexe mathematisch-physikalische Fragen ein als innerhalb eines Jahres umgesetzt werden können. Das Institut in der Wiener Boltzmanngasse genießt eine hohe internationale Reputation. Wissenschafter von renommierten Instituten und Universitäten kommen gern hierher, um an den meist zweimonatigen Programmen teilzunehmen.

Manche von ihnen lassen sich vor diesem Hintergrund sogar zu einem Ortswechsel bewegen: Wichtige Neuberufungen an die Uni Wien gelangen nicht zuletzt wegen der Nähe zum ESI. 2010 zum Beispiel kam der Pole Piotr Chrusciel, Experte für allgemeine Relativitätstheorie. Die Russin Goulnara Arjantseva folgte im gleichen Jahr ans Institut für Mathematik.

Trotz all der positiven Entwicklungen hat man in der Boltzmanngasse auch schon deutlich schlechtere Zeiten durchlebt - vor gar nicht so langer Zeit. 2010 strich das Wissenschaftsministerium die bisherige regelmäßige Unterstützung für außeruniversitäre Forschungszentren, also auch jene für das ESI. Nach Protesten wurde das Institut als Forschungsplattform in die Uni Wien eingegliedert - vom Ministerium am Minoritenplatz kam die Zusage, bis 2015 an die Uni ein zusätzliches Budget zu zahlen, um bereits vereinbarte Programme auch wirklich umsetzen zu können. Freilich mit einer Einschränkung: Das ESI erhält nun vom Bund nur mehr 800.000 Euro, davor war es eine Million. Konsequenz: Das bei Jungwissenschaftern beliebte Junior-Research-Fellow-Programm, das drei- bis sechsmonatige Aufenthalte am Institut ermöglichte, wurde gestrichen.

Im vergangenen Jahr waren 460 Gastwissenschafter am Institut. Sie belasten das knappe Budget des ESI kaum und kommen selbst für die Reisekosten auf. In Wien erhalten sie dann ein geringes Taggeld, aber auch das nicht für die gesamte Zeit des Aufenthalts. Der Mathematiker Joachim Schwermer, derzeit ESI-Direktor, meint dazu: "Wenn ich an die Universität Berkeley eingeladen werde, muss ich den Flug selbstverständlich nicht zahlen." Nachsatz: "Unsere Programme sind offenbar Anreiz genug." Programme, die zum Beispiel "Teichmüller Theory" oder "Jets and Quantum Fields for LHC and Future Colliders" heißen.

Wem das zu theoretisch klingt, der kann sich womöglich an der Information festhalten, dass Entwicklungen wie die Google-Suchmaschine, Online-Banking oder Verschlüsselungstechniken ihre Basis in mathematischer Physik und Mathematik haben.

2011 und 2012 war das Institut in einem Tief. Schwermer spricht von einem Reputationsschaden. Mittlerweile ist der Ruf wieder hergestellt, wenngleich der Wissenschafter berichtet: "Bis heute werde ich oft gefragt: Was ist denn nun mit dem ESI?" Er will aber in die Zukunft schauen, und dabei beschäftigt ihn und seine Kollegen vor allem eine Frage: Wie geht es nach 2015 weiter? Da das Institut ein Forschungsraum ist, ein Ort der Begegnung, wird es nicht von den üblichen Drittmittel-Fördermechanismen in Österreich (z. B. über den Wissenschaftsfonds FWF) erfasst.

Professur finanziert

Derzeit werden andere Finanzierungsquellen erschlossen: Die New Yorker Simons Foundation, die auch in Autismus-Forschung investiert, bezahlt eine fünfjährige Professur für Mathematik und mathematische Physik am ESI.

Zum Jubiläum kommende Woche wird das Trio erwartet, das die ESI-Gründung initiierte: Walter Thirring, international renommierter theoretischer Physiker, seine Fachkollegin Heide Narnhofer und der Mathematiker Peter Michor, der auch erster ESI-Direktor war. Unter den Vortragenden ist der britische Elementarteilchenphysiker Peter Goddard vom Institute for Advanced Studies in Princeton. Er hat das ESI evaluiert und meinte, als dessen Zukunft unsicher war: "Es handelt sich hier um eine der führenden Forschungsstätten in Mathematik und theoretischer Physik. Es arbeitet äußerst kosteneffizient." (Peter Illetschko, DER STANDARD, 24.04.2013)