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Grafik: APA

Im Jahr 2011 wurden in Österreich noch Baubewilligungen für 43.200 Wohneinheiten erteilt. 2012 dürfte es laut einer ersten Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) aber wieder um acht Prozent auf 39.600 nach unten gegangen sein. "Insbesondere dürften die Baubewilligungen für Einfamilienhäuser nach der merklichen Ausweitung in den Vorjahren wieder deutlich gesunken sein", sagt Wifo-Expertin Andrea Kunnert.

Und auch 2013 dürfte es bergab gehen: Beim Wifo erwartet man ein neuerliches Minus der Baubewilligungen von fünf Prozent auf 37.400 Wohneinheiten, wobei Mehrgeschoßbauten und Einfamilienhäuser in etwa in gleichem Umfang betroffen sein werden. "2014 wird die Zahl der Baubewilligungen nur leicht sinken und sich bei etwa 37.000 Einheiten stabilisieren", so Kunnert.

West-Ost-Gefälle

Mit vier bis fünf Einheiten je 1.000 Einwohner liegt die Wohnbaurate in Österreich zwar weiterhin über dem europäischen Durchschnitt. Konkret dürften heuer 4,4 neue Einheiten je 1.000 Einwohner gebaut werden, während im Schnitt der 19 Euroconstruct-Länder nur mit 3,1 Einheiten gerechnet wird.

Kunnert machte am Mittwoch aber auf ein innerösterreichisches West-Ost-Gefälle beim Wohnungsneubau aufmerksam: Zwischen 2006 und 2011 wurden in den westlichen Bundesländern gemessen an der Bevölkerungszahl die meisten neuen Wohneinheiten bewilligt, nämlich knapp sechs Einheiten je 1.000 Einwohner. Für Kunnert hing das "mit der guten Einkommensposition, der soliden Arbeitsmarktsituation und dem dynamischen Haushaltswachstum zusammen".

Etwas weniger Baubewilligungen waren wegen der verhaltenen wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung in Südösterreich zu verzeichnen – dort waren es aber immer noch mehr als fünf Einheiten. Mit 4,5 Einheiten fiel die Zahl in der Ostregion aber verhältnismäßig niedrig aus, insbesondere in Niederösterreich und Wien.

Bauträger: "Mietrecht regelt Sanierungen"

Wie die Baubewilligungen in Wien wieder steigen könnten, umriss Hans-Jörg Ulreich, Bauträgersprecher im Wiener Fachverband der Immobilientreuhänder, am Dienstagabend auf  einer "Wohntagung" der ÖVP Wien. In thermisch sanierten Häusern sollte es möglich sein, einen "angemessenen" Mietzins zu verlangen – und zwar auch dann, wenn das entsprechende Gebäude in den Vollanwendungsbereich des Mietrechts und damit ins Richtwertmieten-System fällt. "Das Mietrecht entscheidet, ob saniert wird oder nicht", so Ulreich; privates Geld dafür wäre seiner Ansicht nach ausreichend vorhanden. "Die Wohnbaufördermittel könnten dann zur Gänze in den Neubau fließen" – und allein dieser sei entscheidend, ob man die Mieten niedrig halten könne oder nicht.

Als Hauptproblem sieht Ulreich allerdings nach wie vor an, dass die bestehende Flächenwidmung in Wien Anfang der 1980er-Jahre nur für 1,35 Millionen Menschen ausgerichtet wurde – orientiert an den  Erwartungen einer sinkenden Einwohnerzahl. "Tatsächlich werden in 15 Jahren aber rund zwei Millionen Menschen in Wien wohnen." Dringend nötige Dachgeschoßausbauten würden so durch den Flächenwidmungsplan verunmöglicht.

Nachverdichtung, Stadterneuerung

Ulreich kritisierte auch einmal mehr die diversen Auflagen, die das Bauen in Wien teuer machen - angefangen von der Stellplatzverpflichtung, über die Bereitstellung von Notkaminen bis hin zu überzogenen Bestimmungen punkto Brandschutz und Barrierefreiheit. Mit dem letzten Punkt zog er allerdings gehörigen Unmut im großteils ÖVP-nahen Publikum auf sich: Bekanntlich heißt die Devise des ÖVP-Wohnprogramms, Wohnen in den eigenen vier Wänden "bis ins hohe Alter" zu ermöglichen.

Von der Wiener Stadtpolitik forderte Ulreich dringend eine Nachverdichtungs-Strategie ein. VP-Wien-Obmann Manfred Juraczka hielt fest, dass in Wien sowohl Stadterneuerung als auch Stadterweiterung nötig sei. "Wir brauchen beides, eine Verdichtung und Sanierungsoffensive im Innen-Gürtelbereich wie auch den Neubau in den Erweiterungsgebieten dieser Stadt, um das Angebot an Wohnraum zu erhöhen." Hier würde er SP-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig jedenfalls unterstützen, wenn dieser vom Ressort der grünen Planungsstadträtin Maria Vassilakou  mehr Widmungen einfordere. "Wir brauchen mehr Widmungen und wir brauchen ein höheres Maß an Berechenbarkeit und Planbarkeit für die Wohnbauträger."

"Gehalts-Checks" weiter umstritten

Juraczka untermauerte am Dienstag die Forderung seiner Partei nach einer besseren "sozialen Treffsicherheit" in den Wiener Gemeindebauten, die durch regelmäßige Überprüfungen der Einkommensverhältnisse sichergestellt werden sollte. Wifo-Expertin Kunnert, die an der Diskussion ebenfalls teilnahm, sieht durch die Einführung solcher "Gehalts-Checks" zwar die soziale Durchmischung nicht gefährdet. Fraglich ist für sie aber, ob durch einen Verkauf von Gemeindewohnungen an deren Mieter ausreichend Geld hereinkommen würde, um damit zusätzliche soziale Wohnungen errichten zu können.

Juraczka wollte zu Beginn der Veranstaltung übrigens dezidiert die Parteipolitik draußen halten, stattdessen "die Diskussion auf eine sachliche Ebene bringen" – nur um dann schon im nächsten Satz der (abwesenden) Vassilakou doch die "Kommunismuskeule" vorzuwerfen, mit der diese seiner Ansicht nach im vergangenen Herbst die mittlerweile berühmte 7-Euro-Mietzinsobergrenze einzufordern versucht hätte. Solche Obergrenzen lehnt der Wiener VP-Chef weiterhin ab: "Damit verknappen wir das Angebot, weil sich der Neubau einfach nicht mehr rechnet".

"Bundeswohnbaupaket" gefordert

Mit-Diskutant Josef Schmidinger, Vorstandsvorsitzender der s-Bausparkasse, ortet Handlungsbedarf vor allem bei der Wohnbauförderung. Die Debatte um die Wiedereinführung der Zweckbindung ist für ihn bloß eine "Etikettendiskussion", es werde deshalb nicht mehr Mittel für Wien geben. Gerade die stark wachsenden Ballungszentren seien aber auf erheblich mehr Geld angewiesen. Ein "Bundeswohnbaupaket" sei deshalb nötig, so Schmidinger – ganz so, wie es die "Initiative Umwelt + Bauen" vor einigen Monaten vorgeschlagen hatte; Schmidinger war an der Erstellung des Initiativen-Strategiepapiers "Wohnen 2020" unmittelbar beteiligt.

Das "Mastermind" der Initiative, Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch, erklärte am Mittwoch im ORF-"Morgenjournal" einmal mehr, wie man eine Milliarde Euro zusätzlich für den Wohnbau aktivieren könnte, ohne groß ins Budget eingreifen zu müssen. 500 Millionen sollten als Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) fließen, 300 Millionen Euro von den Pensionskassen investiert werden und 200 Millionen Euro aus dem Budget über eine Aufstockung des Bundessanierungsschecks kommen, sagte Muchitsch.

"Druck auf Regierung groß"

800 Millionen Euro sollten in den Neubau und 200 Millionen Euro in die Sanierung gesteckt werden, so der Gewerkschafter weiter. Er erhofft sich außerdem durch die Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbaugelder die Aktivierung von drei Milliarden Euro.

Muchitsch zeigte sich auch optimistisch, "dass wir noch vor dem Sommer erste Ergebnisse haben werden". Sowohl die ÖVP als auch seine Partei hätten das Thema verschlafen, räumte der SPÖ-Abgeordnete ein. Nun sei aber der Druck sehr groß, Ergebnisse zu liefern. Die Regierung lasse das Strategiepapier der Initiative derzeit prüfen. (Martin Putschögl, derStandard.at, 24.4.2013)