Tesla war eigentlich schon erledigt. Gleich mehrmals hörten in den vergangenen Jahren die Auskenner in der Automobilbranche das Totenglöckchen für den ehrgeizigen Elektroauto-Hersteller aus Palo Alto, Kalifornien, läuten. Tatsächlich stand das Unternehmen, das mit dem Roadster einen beeindruckenden Leistungsbeweis in der bis dahin von Ökobeseelten, frugalen Kisten und allerlei Flops geprägten Elektroantriebsszene abgeliefert hatte, auf der Kippe.

Die Vitaldaten des 2008 präsentierten Zweisitzers (3,7 Sekunden auf Tempo 100, bis zu 350 Kilometer Reichweite), das "Zero Emission"-Versprechen und die Strahlkraft von Elon Musk, dem charismatischen Firmengründer, verhalfen Tesla als auch Technik zwar zu einem mächtigen Publicity-Schub – als es aber ans Geldverdienen ging, war jäh Schluss mit Goldgräberstimmung.

Nicht nur einmal schien es, als habe sich das Unternehmen mit der Entwicklung des ersten vollwertigen Fahrzeugs, der 5+2-Sitze-Limousine namens Model S, überhoben. Als die E-Euphorie Anfang des Jahrzehnts merklich abzuflauen begann, bog das Unternehmen Richtung Dauerkrise ab. Elon Musk, ein Dotcom-Milliardär mit Mission und Tagesfreizeit, verbrannte einige Millionen Dollar seines Privatvermögens, irgendwann gingen dem Überzeugungstäter sogar die wohlhabenden Kumpel aus dem Silicon Valley aus, die sich von dem Leuchtturm-Projekt faszinieren ließen und eine wohltätige Spende abdrückten.

Tesla Model S: Hätte die Firma beinahe in den Abgrund gerissen.
Foto: tesla

Zwar spülte der Börsengang im Jahr 2010 noch einmal frisches Geld in die Kassen, doch das Anlaufen der Model-S-Produktion zog Tesla tief in die roten Zahlen. 309 Millionen Euro Verlust standen am Ende des vergangenen Jahres in den Büchern, Gerüchten zufolge bewahrte den Pionier bloß eine Geldspritze von Großaktionär Daimler vor dem Aus. Wenigstens war es Mitte 2012 gelungen, das Model S am US-Markt zu lancieren.

Mit wahlweise drei Batteriepaketen ging der Hoffnungsträger mit einem Einstiegspreis von 49.000 Dollar, umgerechnet 38.000 Euro, an den Start. Top of the Elektro-Pops: das S-Modell mit 85-Kilowattstunden-Akku und einer (versprochenen) Reichweite von 500 Kilometern.

Elon Musk vs. "New York Times"

Mit 421 PS, 600 Newtonmeter Drehmoment und einem Standard-Sprintwert von 4,4 Sekunden zersägte das 97.000-Dollar-Gerät in diversen Internet-Filmchen fortan Power-Limousinen vom Schlag eines BMW M5. In den USA kürte "Motortrend" das Model S zum Car of the Year, Firmenchef Elon Musk verwies stolz auf 13.000 Vorbestellungen – auf die Straße brachten die Kalifornier bis Jahresende jedoch bloß 2.650 Einheiten. Zu wenig, um das Riesenloch im Tagesgeschäft zu stopfen.

Abseits der finanziellen Probleme rasten die Kalifornier im Februar dieses Jahres ungebremst in einen Image-GAU. Ein Redakteur der "New York Times", der sich mit einem Model S aufgemacht hatte, das neu aufgebaute Supercharger-Netz des Herstellers zu testen, war nach einer Irrfahrt mit seinem völlig entsafteten Tesla liegen geblieben. Das Foto des am Abschleppwagen aufgebockten Edel-Elektrikers grassierte in der Internet-Community, der Bericht des "NYT"-Redakteurs, der in einer eiskalten Nacht im energieschonenden Schneckentempo und mit abgeschalteter Heizung der rettenden Ladestation entgegentapsen musste, ließ den Aktienkurs des Herstellers talwärts rauschen. Schon ging sie in den USA wieder um, die sogenannte "Reichweitenangst".

Elon Musk konterte prompt und barsch: Via Twitter zieh er die "New York Times" der Falschinformation, ein paar Tage später lud der Technik-Nerd eine Ladung Telemetrie-Daten auf der Tesla-Homepage ab, um das vermeintliche Lügengebäude zum Einsturz zu bringen. Es folgte ein harter, öffentlichkeitswirksam ausgetragener Zwist, in diversen Webforen wurden die jeweiligen Argumente bis zur letzten Ziffer hinter dem Komma filetiert. Auch so kommt die Elektroauto-Idee unter die Leute.

Musk versus "New York Times" endete übrigens mit einem technischen K. o. des Blattes. Via Blog gestand man bei der "Times" ein, eine Reihe von Fehlern bei der Testanordnung gemacht zu haben. Dennoch: Jene, die im Elektroauto bloß eine Laune der Geschichte sehen, fühlten sich in ihren Vorurteilen bestätigt. Keine gute Basis, um nicht nur ein paar betuchte Fans, sondern auch neue Kunden zu gewinnen.

Vom Exoten zum Top-Platzierten im Segment

Umso erstaunlicher sind vor dem Hintergrund der medialen Schlammschlacht die Verkaufszahlen, die Tesla für das erste Quartal 2013 auswarf. 4.750 Mal verkaufte sich das Model S in den ersten drei Monaten des Jahres. Im Vergleich zur unangefochtenen Nummer eins, der F-Serie von Ford (169.000 Einheiten), sind das die vielzitierten Peanuts, in der Liga der Premium-Limousinen gab der Neuankömmling hingegen den Shootingstar der Branche. Aus dem Stand hatte das Elektrogerät etablierte deutsche, britische und japanische Edel-Importware verdrängt. Und zwar deutlich. Die Zahlen:

  • Tesla Model S: 4.750 verkaufte Einheiten
  • Mercedes S-Klasse 3.077
  • Lexus LS: 2.860
  • BMW 7er-Reihe: 2.338
  • Audi A8: 1.462
  • Jaguar XJ: 1.245

Der Rückstand auf den Segment-Champion, den dieses Jahr neu auflaufenden Cadillac XTS (7.130 Einheiten), ist zwar enorm, bemerkenswert ist der Auftritt des Newcomers indes in mehrfacher Hinsicht. Schließlich legte die Mercedes S-Klasse, der Dominator bei den Oberliga-Importeuren, trotz des nahenden Modellwechsels um satte 30 Prozent zu. In Summe hatte ein unbedarfter Rookie aus Kalifornien eine teils seit Jahrzehnten am US-Markt operierende und mit fetten Werbebudgets ausgestattete Konkurrenz hinter sich gelassen.

Ein nach innen gewendetes Zukunftsversprechen: Hightech-Interieur des Model S.
Foto: tesla

Dass Tesla dem gut ausgebauten US-Händlernetz der Mitbewerber bloß 28 sogenannte Tesla-Stores und unwesentlich mehr Service-Center entgegenzustellen hat, scheint die Kunden nicht abzuschrecken. Die 5.000 Dollar Anzahlung (in Europa: 4.000 Euro), um bei Internet-Bestellung auf die Reservierungsliste zu kommen, sind für viele ein gerechtfertigter Eintrittspreis, um bei einem veritablen Hype mitzumachen.

Starkstrom für die Aktie

Der wurde vor allem an der Westküste losgetreten. Im Silicon Valley gehört das Model S auf den Firmenparkplätzen von Apple, Google und Konsorten zur Grundausstattung. Die aufgeschlossenen kalifornischen Kunden hatten bereits dem lange Jahre belächelten Toyota Prius zum Durchbruch verholfen, nun scheint es, als würden sie sich aufmachen, die Elektroauto-Idee zu retten. An den Börsen zumindest ist Tesla mittlerweile ein Hot Chip: Nachdem die Aktie (Ausgabekurs: 17 US-Dollar) lange dahingesiecht war, notiert das Papier nach einem steilen Anstieg aktuell bei 50 Dollar. Tesla, das ist mittlerweile mehr als ein Geheimtipp für den Digital-Bohémien.

Das Akku-Paket des Tesla Model S. Gut für 500 Kilometer Reichweite (Werksangabe).
Foto: tesla

Propere Verkaufszahlen, freundlich gesonnene Aktienmärkte – ist Tesla und damit der E-Antrieb beim Kunden angekommen? Nein. Oder, besser gesagt: noch lange nicht. Die Firma, die erst seit fünf Jahren am Markt operiert, hat nach einer Phase der hymnischen Verehrung und mehreren Beinahe-Crashs ein sehenswertes Comeback gegeben. Entscheidend ist jedoch die Frage, ob es dem Newcomer gelingt, die nun eingeleitete Wachstumsphase zu überstehen. Pubertät – das zeigen unzählige Beispiele aus der Wirtschaftsgeschichte – kann tödlich sein.

Zudem ist das Autobauen für die Kalifornier noch immer ein Zuschussgeschäft, wie überhaupt sich der E-Automarkt bestenfalls seitwärts entwickelt. So legte der ähnlich umjubelte Chevrolet Volt im ersten Quartal am US-Markt um acht Prozent zu, von den angestrebten Verkaufszahlen ist Mutter GM weit entfernt. Der Toyota Prius verlor im selben Zeitraum 15 Prozent. Der neben Tesla einzige Lichtblick kommt von Nissan: Der kleine Leaf legte in einem Land, in dem ein vollfeister Pickup-Truck unangefochtene Nummer eins ist, auf 3.539 Einheiten zu. Eine glatte Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr.

Gemeinsam oder nichts

Allein: Tesla, und das ist die Crux aller Elektroauto-Anbieter, kann nur langfristig am Markt bestehen, wenn auch die anderen Hersteller weiter an die Stromer-Idee glauben und sie aktiv verfolgen. Vor allem der für Herbst programmierte i3 von BMW wird aufgerufen sein, dem Konzept in Europa mit Carbon-Karosserie, E-Antrieb und optionalem Range Extender zu einem Neustart zu verhelfen. Audi hat sich nach einem kurzen Elektroschub vom reinen Stromantrieb verabschiedet. Mercedes will nicht – von der an sich schlauen – Brennstoffzelle lassen. Bloß Renault-Nissan setzt – siehe etwa den Leaf oder den vielversprechenden Renault Zoe – über das gesamte Modellangebot hinweg auf das Alternativkonzept.

Und Tesla? Gibt sich die volle Packung Expansion: 20.000 Autos will man 2013 verkaufen, 40.000 Einheiten sind notwendig, rechnen Branchenkenner vor, um die Marke langfristig am Leben zu halten. Die gesteigerten Stückzahlen soll nicht zuletzt der für dieses Jahr programmierte Van-Crossover Model X garantieren, erste Skizzen eines kompakten Model C sind bereits aufgetaucht. Start: 2016, möglicherweise.

Den europäischen Markt nehmen die Amerikaner mit dem bereits etablierten Model S seit kurzem ins Visier, österreichische Kunden steigen mit 72.000 Euro ein, die besten Batterien plus 600-Nm-Punch gibt's für sehr selbstbewusste 96.700 Euro. Elon Musk hat bereits angekündigt, in Europa ab Ende des Jahres das hauseigene "Supercharger"-Stromzapfnetz aufzubauen. Nach einer halben Stunde Ladezeit soll dann wieder eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern in den Akkus stecken.

Abseits der vollmundigen Ankündigungen und der Feier einer kleinen Wiederauferstehung gilt beim Autoverkaufen das Gesetz der Straße: Nur mit deutlich steigenden Verkaufszahlen und stärkerer Alltagspräsenz wird Elektromobilität beim Kunden als Normalität und nicht als Exotismus einiger ökoreligiöser Eiferer wahrgenommen. Erfolg ist die beste Medizin gegen "Reichweitenangst". (Stefan Schlögl, Fotos: Reuters/Tesla, derStandard.at, 29.4.2013)