Bernhard Kastner beklagte in einem Leserkommentar auf derStandard.at (Das Problem der sprachlichen Gleichberechtigung, 16. April) das Problem mit der sprachlichen Gleichberechtigung. Sprache bildet gesellschaftliche Verhältnisse in bestimmten Formen ab: Über Jahrtausende ist sie gewachsen, selbstverständlich war ursprünglich unter "Bürger" nur ein männlicher Mensch gemeint, galten die Parolen der Französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - nur für Männer.
Als Olympe de Gouges diese auf Frauen ausdehnen wollte, landete sie auf dem Schafott. Frauen waren historisch gesehen in vielen Bereichen eben nicht mitgemeint, sondern mit einer brutalen Selbstverständlichkeit ausgeschlossen. Das "allgemeine Wahlrecht" war selbstverständlich nur für Männer. Und für die Parteien, die als erste dafür stritten (Kommunisten, Sozialisten), war "allgemein" nur männlich. So klar ist es also gar nicht, wer jeweils mitgemeint ist - aus Frauensicht schon gar nicht.
Frauen sichtbar machen
Frauen durch sprachliche Zeichen sichtbar zu machen ist ein Gebot der Stunde. Es diskriminiert keineswegs Männer, sondern gibt die geänderte gesellschaftliche Lage von Frauen wieder, spiegelt den Weg zur Gleichstellung.
Dass die faktische Gleichstellung noch nicht erreicht ist, zeigen Statistiken zur tatsächlichen Situation von Frauen wie etwa geringeres Einkommen, minimaler Anteil an Führungspositionen und politischen Ämtern und vieles mehr. Jahrelang wurden Frauenförderpläne geschrieben, von Selbstverpflichtung der Firmen war die Rede, mehr Frauen in die Aufsichtsräte zu lassen. Politische Parteien beteuerten, sie wollten den Frauenanteil in politischen Gremien erhöhen - geschehen ist wenig bis nichts. Die Erfahrungswerte zeigen: Gesetzliche Quoten, sei es für Firmen, sei es für politische Gremien, zwingen zur Änderungen. Freiwillig ändert sich nichts.
Im STANDARD erklärt Thomas Petersens (Frauenquoten und Statistik-Tricks, 17. April) eine Frauenquote für Aufsichtsräte gar für verfassungswidrig und bezieht faktische Ungleichheit zwischen den Geschlechtern überhaupt nicht in die Argumentationskette ein. Hunderte Postings suggerieren eine gefährliche Zukunft voll unfähiger Frauen, die, durch die Quote auf höhere Posten gehievt, ihr Unwesen treiben werden und fähige Männer ihrer Karrierechancen berauben.
Qualität allein solle entscheiden, meinen die Quoten-Gegner. Während sie auf der Wirtschaftsseite die unfähigen Aufsichtsräte von Banken und Unternehmen kritisieren (Thema Finanzkrise), sehen sie andererseits dieselben Aufsichtsräte durch unfähige Quotenfrauen bedroht.
Ein Wust an Vorurteilen
Wer hat schon überprüft, ob in Ländern (zum Beispiel in Skandinavien) mit Quotenregelungen das so gefürchtete "Mittelmaß" in Form von Quotenfrauen eingezogen ist? Ein Wust an Vorurteilen schlägt Frauen ins Gesicht, wenn sie Führungspositionen anstreben: zu wenig durchsetzungsfähig, zu gefühlvoll, zu hysterisch, zu unflexibel, zu fremd, vielleicht doch nicht so versiert wie ein Mann.
Quoten hingegen stellen für einen Moment Gleichheit her: für die Wahllisten oder für die Führungsetage in einer Firma. Sie sind ein Eintrittstor, eine Leiter über die Vorurteilsmauer. Ursachen der Ungleichheit zwischen Mann und Frau beseitigen sie nicht.
Der Deutsche Bundestag hat vergangenen Donnerstag eine 20-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten abgelehnt. Dafür soll eine verbindliche Quote ins Wahlprogramm der CDU - in Wahlprogrammen politischer Parteien ist aber schon viel gestanden.
Jetzt haben sie es wieder hinausgezögert, mit dieser Pirouette in die Zukunft hinein: Die Frauen werden es sich merken, dass sie jedes noch so kleine Schrittchen in Richtung Gleichstellung mühsam erkämpfen müssen. (Ingrid Gurtner, Leserkommentar, derStandard.at, 25.4.2013)