
Verfolgte Journalistin Dina Meza im Gespräch mit Erhard Stackl: In Honduras wurde sie telefonisch mit Vergewaltigung und Mord bedroht.
"Seit dem Putsch im Jahr 2009 sind in Honduras 27 Journalisten ermordet worden", sagt Dina Meza, 51-jährige Menschenrechtsaktivistin aus dem zentralamerikanischen Land. Dutzende Medienleute würden bedroht, um sie dazu zu bringen, über Verfolgung und Folter zahlreicher Bürgerinnen und Bürger zu schweigen, berichtet Meza, mit der ich während ihres Wien-Aufenthalts in den vergangenen Tagen mehrmals sprechen konnte.
Honduras ist eineinhalb Mal so groß wie Österreich, hat mit rund acht Millionen Menschen aber die gleiche Einwohnerzahl. Bis zu 80 Prozent der Honduraner leben in Armut in dem Staat, der zwischen Guatemala und El Salvador auf der einen Seite und Nicaragua auf der anderen auf der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika liegt. Früher war es die klassische "Bananenrepublik", in der die Gringos anschafften; noch in den 1980er Jahren starteten die USA von hier aus ihren Contra-Krieg gegen die sandinistischen Linksrevolutionäre in Nicaragua. Seither beherrschen wenige Familien, zumeist Großgrundbesitzer, die überwiegend kleinbäuerliche Bevölkerung über zwei dominierende Parteien: die Liberalen und die Nationalen.
2005 keimte, wie auch Dina Meza bestätigt, erstmals Hoffnung auf, als mit José Manuel Zelaya ein Mann zum Präsidenten gewählt wurde, der zwar aus einer Großgrundbesitzerfamilie und aus der liberalen Partei kam, aber Bereitschaft zu Reformen zugunsten der Armen zeigte. Doch 2009 war es mit der Hoffnung auf eine Landverteilung an landlose Bauern und ähnliche Maßnahmen vorbei. Im Auftrag der herrschenden Oligarchen wurde Zelaya eines Morgens von Militärs aus dem Bett geholt und, noch im Pyjama, in ein Flugzeug nach Costa Rica gesetzt. Nach monatelangem Ringen um die Macht setzten sich die Putschisten durch und auch die USA und die EU, die zunächst gegen den Staatsstreich protestiert hatten, akzeptierten die neue, rechte Regierung. Zum ersten Mal seit etlichen Jahren hatten sich in einem lateinamerikanischen Land wieder Putschisten durchgesetzt.
Während unbedarfte Reiseberichte Honduras als pittoreskes, wenn auch armes Land beschreiben, das für den Tourismus noch zu entdecken sei, verzeichnet die UNO dort die höchste Mordrate der Welt und NGOs wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen machen auf schwere Menschenrechtsverletzungen aufmerksam.
Dina Mezas Verfolgung begann schon 2006. Damals recherchierte sie unter Angehörigen privater Sicherheitsdienste über deren Arbeitssituation. Plötzlich fuhren ihr Autos nach, sie erhielt Anrufe mit Morddrohungen. Eine Anwältin, die sich in dieser Sache engagiert hatte, wurde ermordet. Meza machte ihren Fall öffentlich und erhielt 2007 von Amnesty International eine Auszeichnung für mutigen "Journalismus unter Bedrohung". Solch internationale Aufmerksamkeit bietet einen gewissen Schutz, sagt Meza, der halte aber nicht ewig an.
Weil die großen, von der Oligarchie beherrschten Medien nur deren Sicht der sozialen Konflikte darstellen, arbeitete Meza in den vergangenen Jahren als Journalistin für das unabhängige "Komitee der Angehörigen von Verhafteten und Verschwundenen" (Cofadeh). Haupteinsatzgebiet war das Tal Bajo Aguán im Norden des Landes, wo sich Großgrundbesitzer zur Erweiterung ihrer Ölpalmenplantagen Land unter den Nagel reißen und Kleinbauern vertreiben. Schon 2011 berichtetet die "New York Times" über die einseitige "Verhandlungslösung", die von der Regierung angeboten worden sei: Einem Teil der dort lebenden Campesinos sei Land zur Pacht angeboten worden, 1400 Familien wurden aber mit der Vertreibung bedroht. Reporter ohne Grenzen nahm den wichtigsten der Palmöl-Magnaten, Miguel Facussé, in die Liste weltweiter "Feinde der Pressefreiheit" auf, weil in seiner Nähe kritische Journalisten besonders gefährlich lebten. Als der Reporter Nahum Palacios, der sich besonders für die Campesinos eingesetzt hatte, umgebracht wurde, führten in Honduras die offiziellen Medien dies auf eine mysteriöse "Privatangelegenheit" zurück.
Vor einem Jahr begann sich Dina Meza stärker mit dem Landkonflikt in Bajo Aguán zu befassen und darüber in online-Medien (www.defensoresenlinea.com) und Radioprogrammen zu berichten.
Wenig später kamen wieder die Drohanrufe. Frauen wie sie seien "Zorras" (hier als "Huren" gemeint), die man vergewaltigen werde, bis sie schreien, hieß es in ordinärster Sprache in einem der protokollierten Anrufe ("Les vamos a quemar la pipa hasta que griten"). In weiteren Anrufen wurde ihr Begräbnismusik vorgespielt, einmal meldete sich ein "Mausoleum"; am Festnetzanschluss klingelte es die ganze Nacht. Bei einem "Überfall" wurde ihr das Handy, aber kein Geld abgenommen, auch einem ihrer drei halbwüchsigen Kinder raubte ein bewaffneter Unbekannter in einem Bus lediglich die SIM-Card mit allen Kontakten. Ihr Wohnhaus wurde von Unbekannten überwacht, die Kinder auf der Straße fotografiert. Eines Morgens lag ein großer schwarzer Plastiksack vor der Tür, erzählt Meza. Es war jener Tag, an dem von den Behörden die sterblichen Überreste von Opfern des Gefängnisbrandes in Comayagua, bei dem es mehr als 370 Tote gegeben hatte, in solchen schwarzen Plastiksäcken an die Angehörigen übergeben wurden ...
Erneut wandte sich die Journalistin mit der Bitte um Hilfe an die internationale Öffentlichkeit, denn der nationale Journalistenverband ignorierte alle Berichte über Drohungen. Im Juni 2012 verlangten von Washington aus 17 Abgeordnete der Demokraten im US-Kongress von der honduranischen Regierung eine eingehende Untersuchung der kürzlich bekannt gewordenen "Drohungen, Überfälle und Morde" in Honduras, wobei der Fall Dina Meza speziell hervorgehoben wurde. Und auch die allseits respektierte Interamerikanische Kommission für Menschenrechte forderte spezielle Schutzmaßnahmen für bedrohte Personen wie Meza.
Für den Schutz verantwortlich war die Polizei von Honduras, die dieser Aufgabe laut Meza aber keineswegs nachkam. Die versprochenen Patrouillenfahrten von Polizeiautos kamen nicht (man redete sich auf Treibstoffmangel aus). Meza: "Und als ich um die Handynummer eines Kontaktbeamten bat, meldete sich dort nie jemand oder es ertönte das Zeichen 'Kein Anschluss unter dieser Nummer'."
Obwohl es ihr sehr schwer fiel, sich von ihrer Familie zu trennen, ging Dina Meza ins Ausland. Die Universität York im Norden Englands lud sie ein, an einem Programm für Menschenrechtsverteidiger teilzunehmen. Im Mai wolle sie nach Honduras zurückkehren, sagte sie mir in Wien. In ihrem Land hätten viele Menschen - Jugendliche, Frauen, Indigene - seit dem Putsch 2009 die Angst verloren; sie kämpften weiter für Demokratie und Gerechtigkeit.
Manche sehen sogar eine Chance, dass es bei den Wahlen im kommenden November eine Chance für den Widerstand gegen das Machtklüngel von Liberalen und Nationalen geben könnte. Xiomara Castro, die im Volk populäre Ehefrau des gestürzten Präsidenten Zelaya, tritt an der Spitze einer neuen Partei namens "Libre" (Abkürzung für "Libertad y Refundación", Freiheit und Neugründung) an. Angesichts der Tatsache, dass alle Institutionen bis hin zur Wahlbehörde in den Händen der Oligarchie sind, sieht Meza nur geringe Chancen für eine reguläre Durchführung von Wahlen und die Anerkennung eines möglichen Siegs von "Libre". Umso wichtiger sei die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und die Entsendung vieler Wahlbeobachter nach Honduras. (Erhard Stackl, derStandard.at, 25.4.2013)