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Der Fund der bronzezeitlichen Holzstiege sorgte vor zehn Jahren für großes Aufsehen. Forscher erhoffen sich von ihr und den Spuren, die die damaligen Bergarbeiter auf ihr hinterlassen haben, noch viele archäologische Erkenntnisse.

Foto: APA/NHM WIEN/ANDREAS RAUSCH

Hallstatt/Wien - Seit über 3.350 Jahren steht Europas älteste Holzstiege im Hallstätter Salzbergwerk - nun wird es Zeit, zu übersiedeln. Notwendig wird diese Maßnahme, weil der sie umgebende Fels zunehmend instabil wird. In Rahmen eines Workshops diskutieren Experten unter Federführung der mit der archäologischen Arbeit in Hallstatt betrauten Wissenschafter des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) darüber, wie dieser aufwändige Umzug durchgeführt werden soll. Ab Mai 2014 soll die weltweit einzigartige Konstruktion dann in einer eigens errichteten Kammer im Bereich des Schaubergwerks zu besichtigen sein.

In den prähistorischen Hallstätter Bergwerken herrschen weltweit fast einzigartige Bedingungen. Aufgrund der konservierenden Eigenschaften des Salzes bleiben organische Materialien dort über extrem lange Zeiträume erhalten. So auch die 2003 in einer bronzezeitlichen Salzabbaukammer in 100 Metern Tiefe entdeckte Holzstiege. Mit Hilfe einer Datierungsmethode, die Baum-Jahresringe nutzt (Dendrochronologie), konnten Forscher um Michael Grabner von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien nachweisen, dass die hier verwendeten Hölzer in den Jahren 1344 und 1343 vor unserer Zeitrechnung geschlagen wurden - zum Vergleich: zwei bis drei Jahrer früher als die Geburt des ägyptischen Pharaos Tutanchamun.

Bronzezeitliches Baukastensystem

"Das faszinierende für uns ist, dass wir um diese Zeit hier einen Bergbau haben, der extrem hoch spezialisiert ist und der für jede Tätigkeit eigene Lösungen entwickelt und erfindet. Derartige Treppen gibt es weltweit an keiner anderen Stelle", erklärte Hans Reschreiter von der Prähistorischen Abteilung des NHM. Die Bergleute hätten sich bei der Organisation der Arbeitsabläufe ganz genau überlegt, was sie brauchen, und "das in einer extrem hohen Qualität umgesetzt".

Da sich die Verhältnisse im Bergwerk immer wieder veränderten, war die insgesamt acht Meter lange und 1,20 Meter breite Konstruktion sehr flexibel. Ihre Erbauer wandten eine Art "Baukastensystem" an. So war sichergestellt, dass Einzelteile relativ einfach ausgetauscht werden und die Stiege auf verschiedene Neigungen angepasst werden konnte.

Voraussschauende Konstruktion

Reste ähnlicher, meist kleinerer Treppen wurden an mehreren Orten in den bronzezeitlichen Abbaukammern gefunden, es dürfte sich dabei um die übliche Steighilfe gehandelt haben, über die auch große Lasten über unwegsame Stellen und große Höhenunterschiede unter Tag befördert werden konnten. Reschreiter: "Größere Treppen haben wahrscheinlich als 'Autobahnen' in den Kammern fungiert. Es sieht so aus, als hätten die Bergleute einfach beschlossen, in einer Richtung noch die nächsten Jahrzehnte zu arbeiten und dorthin bauten sie dann einfach eine Treppe."

Man stelle sich den prähistorischen Bergbau landläufig oft als "Raubbau" vor, doch das stimme hier nicht. "Das ist ein Betrieb, der genau weiß, was sein Zielgebiet in den nächsten zwei, drei Generationen ist und daher so baut, dass über lange Zeiträume sinnvoll produziert werden kann - also ein sehr vorausschauender, extrem hoch organisierter Betrieb", so der Archäologe.

Bergdruck wachsendes Problem

Seit der Entdeckung der Treppe bemühten sich die Wissenschafter darum, sie an ihrem Standort zu erhalten. Doch dem Druck des Berges konnten auch mehrere, zu ihrem Schutz angefertigte Holzkonstruktionen nicht dauerhaft standhalten. Vor zwei Jahren stellten die Experten des NHM bei ihren jährlichen Untersuchungen fest, dass der Bergdruck nicht nur von oben und den Seiten auf die Umgebung der alten Holzkonstruktion wirkt, sondern die Stiege auch von unten angehoben wird. Das machte die Übersiedelung endgültig notwendig.

Exakte Analyse

Nachdem die Stiege in den vergangen Jahren mehrmals fotografisch dokumentiert und in den vergangenen Tagen mittels 3D-Laserscans erneut vermessen wurde, machen sich Restauratoren, Archäologen, Denkmalpfleger und Holzwissenschafter ab heute in einem zweitägigen Workshop an die Detailplanung des im September beginnenden Abbaus, der Übersiedelung und des Wiederaufbaus an anderer Stelle. Trotz der flexiblen Konstruktion werden die teilweise acht Meter langen Seitenteile zertrennt werden. Wo die Säge angesetzt wird, ist eine der Fragen, die es noch zu klären gelte.

Um das Umgebungsklima für das alte Holz nicht zu sehr zu verändern, werden alle Arbeitsschritte direkt im Bergwerk durchgeführt. Eingeschweißt in speziell angefertigte Kisten wird der Großteil der Stiege ins Österreichische Gießerei-Institut nach Leoben transportiert, wo mittels Computertomografie virtuelle Querschnitte für weitere dendrochronologische Analysen angefertigt werden. "Da geht es aber nicht nur um die Datierung, sondern auch darum, festzustellen wie viele Baumstämme man gebraucht hat, um das zu produzieren", erklärte Boku-Forscher Michael Grabner. Das eröffnet den Wissenschaftern wichtige Einsichten über die bereits erstaunlich vorausschauend und nachhaltig arbeitende Forstwirtschaft in dieser Zeit. Außerdem lasse das Holz Rückschlüsse auf die damaligen Bearbeitungsmethoden zu, so der Holzforscher.

Zusätzliche Erkenntnisse erhofft

Neben der Treppe an sich ist für die Wissenschafter aber auch der Schmutz der sich auf ihr angesammelt hat, interessant. Es gebe Hinweise darauf, dass die Bergleute damals barfuß gearbeitet haben. Aufgrund dessen sei es denkbar, in den Schmutzschichten Hautschuppen zu finden, denen mit modernen wissenschaftlichen Methoden DNA entnommen werden könnte.

Wie dieser Schmutz am besten konserviert werden kann, müsse ebenfalls im Zuge des Workshops geklärt werden. Die Forscher wollen jedenfalls die Gelegenheit nützen, um alles zu dokumentieren, was die Stiege hergibt. "Wir legen einiges auf Lager für Fragestellungen und Methoden, die vermutlich erst in 20 Jahren entwickelt werden - alles, was man jetzt wegschmeißt, ist dann einfach weg", erklärte Hans Reschreiter.

Ab 2014 zu besichtigen

Wieder zusammengesetzt wird die prähistorische Stiege dann im Frühling 2014 in einer eigens dafür von der Österreichischen Salinen AG und den "Salzwelten" ausgesprengten Kammer im festen Gebirge im Bereich des Hallstätter Schaubergwerks. Ab Mai kommenden Jahres soll sie im Rahmen von Führungen besichtigt werden können.

Der Geschäftsführer der "Salzwelten", Kurt Thomanek, erklärte bei der Pressekonferenz, dass mit der neuen Schaustelle "ein Wohnzimmer für die Stiege" geschaffen werde. In den kommenden Jahren würden die Grabungen auch in einem Bereich fortgesetzt, wo 1734 der "Mann im Salz", eine bestens erhaltene Leiche eines Bergmanns, gefunden wurde. "Wir gehen davon aus, dass er dort nicht alleine im Bergwerk war", so Thomanek in Anspielung auf mögliche zukünftige Funde. Auf die nahm auch der Vizedirektor des NHM, Herbert Kritscher, Bezug: Er betonte die besondere Bedeutung der NHM-Außenstelle in Hallstatt,"wir finden dort jedes Jahr etwas Neues". (APA/red, derStandard.at, 26. 4. 2013)