
Ein bisschen mehr Bereitschaft zur Veränderung in der SPÖ hält Nikolaus Kowall für mehr als notwendig.
Wien - Für große Veränderungen, sagt Nikolaus Kowall, sei die SPÖ eine viel zu behäbige Partei. "Mittelfristig haben wir aber vielleicht schon etwas erreicht."
Kowalls Sektion 8 der SP Alsergrund brachte beim Wiener Landesparteitag vor zwei Jahren einen Antrag auf das Verbot des kleinen Glücksspiels ein - und löste damit eine heftige Debatte aus. Denn die Parteispitze sah in den Spielautomaten vor allem eine willkommene Einnahmequelle für die Stadt.
Zwei Jahre später ist das Aus der Landeslizenzen für Spielautomaten ab 2014 beschlossene Sache. Offener und reformwilliger sei die SPÖ durch die Diskussion allerdings nicht geworden, sagt Kowall "In manchen Dingen, etwa beim Parkpickerl oder bei der Bevorzugung des Öffi-Verkehrs, hat man einfach nicht die Schneid, es von A bis Z durchzuziehen." So blockiere sich Rot-Grün ständig mit " Pseudo-direkter-Demokratie", "dabei werden Innovationen oftmals gegen Mehrheiten durchgesetzt."
Kowall ist einer der wenigen jungen Roten, die sich trauen, gegen die oberste Riege aufzumucken. Er kandidierte vor kurzem vergeblich als Vize-Parteichef im 9. Bezirk. Mit der Sektion 8 ist er beim aktuellen Landesparteitag der Wiener SPÖ, der heute, Samstag, stattfindet, wieder dabei. Und auch diesmal bringt der streitbare rote Nachwuchs einen Antrag ein. Er beinhaltet die Forderung nach einem sogenannten Informationsfreiheitsgesetz.
Nach Hamburger Vorbild soll das Amtsgeheimnis fallen und sämtliche Verwaltungsprozesse transparenter werden. Nachdem die Bundes-SP sich bereits für ein solches Gesetz ausgesprochen hat und der Antrag zur Annahme empfohlen wird, wird die Debatte wohl nicht allzu hitzig verlaufen.
Hausgemachtes Problem
Innerparteiliches Konfliktpotenzial hätte dagegen das Thema Wohnen - findet jedenfalls Kowall, der gleichzeitig betont, mit der Arbeit der Stadtregierung schon durchwegs zufrieden zu sein. "Da sind wir viel zu zögerlich", sagt er, "angesichts der Bevölkerungsprognosen müsste Wien bauen, dass die Fetzen fliegen." Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sei hingegen noch damit beschäftigt, die Scherben seines Vorgängers, Bundeskanzler Werner Faymann, aufzuklauben. "Das Problem der Wohnungsnot ist zum Teil hausgemacht. In der Zeit, in der Wien am meisten gewachsen ist, wurde am wenigsten gebaut - das rächt sich jetzt."
Wohnen wird unter dem Generalthema "Soziale Gerechtigkeit" bei dem SP-Parteitag zwar behandelt, ein Antrag, der die rote Wohnpolitik maßgeblich beschleunigen könnte, ist aber nicht geplant. Der (nicht zuständige) grüne Koalitionspartner stimmt bei seiner Landesversammlung am selben Tag über einen Antrag ab, nachdem die Stadt künftig weniger Grundstücke verkaufen, sondern vermehrt Baurechte für mehrere Jahrzehnte vergeben soll. Investoren könnten, so die Überlegung, ihre Projekte zu einem geringeren Preis umsetzen.
Viel Zeit werden die Landesroten diesmal in interne Angelegenheiten investieren. Denn die Wiener SP stimmt am Samstag nicht nur über ihren Vorstand ab, sondern erstmals auch über die Liste für die Nationalratswahl. Bisher wurden diese stets von der Parteispitze abgesegnet. Eine basisdemokratische Errungenschaft sieht Kowall darin nicht. "Wollte man diesen Vorgang wirklich demokratisieren, müsste man das anders organisieren - und Vorwahlen in den Wahlkreisen abhalten." (Martina Stemmer, DER STANDARD, 27.4.2013)