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Hilfreiche Tiere des Waldes - und ein Hingucker inmitten einer ambitionierten Produktion in ungeeignetem Rahmen: Hans Werner Henzes Kinderoper "Pollicino" an der Staatsoper.
Wien - Es sei "ein ganz besonderes Geschenk an die jungen Besucherinnen und Besucher des Hauses", dass Hans Werner Henzes Kinderoper Pollicino auf der großen Bühne gespielt werde, trommelte die Wiener Staatsoper im Vorfeld dieser Produktion.
Abgesehen von der schon traditionellen Zauberflöte für Kinder nach dem Opernball - mit entfernter Bestuhlung und dem Geschehen mitten auf dem Parkett zwischen dem auf dem Boden hockenden jungen Publikum - spielte man ansonsten bisher im Kinderopernzelt am Dach: manchmal ein bisschen frech, manchmal ein wenig betulich, aber zumindest immer hautnah.
Die Vermutung, dass sich die Dimensionen des großen Hauses nur bedingt für die Bedürfnisse der Zielgruppe eignen würden, wurde bei der Premiere am Sonntagvormittag zur Gewissheit. Vor dem Hintergrund der natürlichen Geräuschkulisse taten sich nicht nur die Jüngsten schwer, der einstündigen Märchenoper aus den Jahren 1979/80, die 1983 bereits an der Volksoper Wien gezeigt wurde, durchgehend zu folgen.
Zu große Distanzen
Für viele Kinder (empfohlen wurde der Besuch ab sechs Jahren) war die Distanz zur Bühne wohl schlichtweg zu groß, die Sitze zu tief, die Sicht zu sehr eingeschränkt - und die Möglichkeit, der Geschichte unmittelbar zu folgen, zu begrenzt.
Denn auch die Textverständlichkeit ließ bis auf wenige Ausnahmen - trotz punktueller Mikrofone, etwa bei gesprochenen Passagen - empfindlich zu wünschen übrig. So hantelte sich die entschärfte Version der Geschichte vom Kleinen Däumling also weitgehend an den Bildern der Inszenierung von René Zisterer in der Ausstattung von Maria-Elena Amos entlang, wobei sich 19.-Jahrhundert-Naturalismus und grelle Fantasieweltfarben abwechselten: Die graue siebenköpfige Bubenschar, arm wie Kirchenmäuse, gelangt aus der Hütte im Wald durch die Hilfe der nett-pittoresken Tiere zu den rosaroten Töchtern des blutrünstigen und -roten Menschenfressers.
Zu Henzes Ästhetik, in der etwa der Unterschied zwischen Winter und Frühling mitunter auf den Gegensatz Dur/Moll reduziert wird, passten solch plakative Mittel freilich schon. Nur: Das Stück als "modernen" Programmpunkt zu verkaufen ist trotz der paar schrägen Ingredienzien schon ein bisschen weit hergeholt.
Trotz aller Bemühungen des Bühnenorchesters der Staatsoper und des Orchesters des Wiener Musikgymnasiums unter der beherzten Leitung von Gerrit Prießnitz, trotz aller Spielfreudigkeit der Kinder aus der Opernschule, trotz der exorbitanten Begabung von Mattheus Sinko in der Titelrolle: Die Chance, der nächsten Generation ein adäquates Stück im richtigen Rahmen zu geben, wurde leider verschenkt. Möge sie ein andermal wiederkommen. (Daniel Ender, DER STANDARD, 29.4.2013)