Im Kulim-Hightech-Industriepark außerhalb von Penang in Nordmalaysia wird jede Nacht zum Tag. Rund um die Uhr bauen Arbeiter an neuen Bürogebäuden und Fabrikanlagen. Von Computerchips bis zu medizinischen Diagnosegeräten lassen hier globale Konzerne ihre Produkte herstellen. Die Ausländer sollen mithelfen, das Land zu einem ambitiösen Ziel zu führen: Bis 2020 soll sich Malaysia vom fortgeschrittenen Schwellenland zur Industrienation mausern.

Die Entwicklung ist schon heute beeindruckend: Nach der Unabhängigkeit 1957 war Malaysia ein klassisches Billiglohnland. Seit den 1970er-Jahren verfolgte die Regierung ein Programm der "Neuen Ökonomischen Politik". Ziel: das Ende der Armut und ein Wandel der Gesellschaft, der die Stellung der bis dahin unterprivilegierten Bevölkerungsmehrheit der ethnischen Malaien gegenüber den dominierenden chinesisch- und indischstämmigen Malaysiern verbessern sollte.

Rassistische Günstlingswirtschaft

Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Folgen der Entwicklung überwiegend positiv. Im Schnitt stieg das Bruttoinlandsprodukt von 1957 bis 2005 um 6,5 Prozent. Der Entwicklung steht jedoch eine rassistisch geprägte Günstlingswirtschaft im Weg. Auf fast jeder Ebene werden nun ethnische Malaien bevorzugt. Die Politik ist getragen von einer mehrheitlich staatlich kontrollierten Presse und einer politisierten Bürokratie.

Doch das Gerüst wackelt. Denn die Wiederwahl der regierenden Koalition Barisan Nasional Malaysia (BNM) am Sonntag ist nicht garantiert. Vor immer größer werdenden Versammlungen fordert Oppositionsführer Anwar Ibrahim eine Reform des politischen Systems und die Abschaffung des "institutionalisierten Rassismus". BNM hat Grund zur Sorge: Schon 2008 hatte die Opposition die komfortable Zweidrittelmehrheit der Koalition im Unterhaus deutlich reduziert.

Justiz verfolgt Oppositionsführer

Ibrahim ist auch das prominenteste Opfer eines Justizsystems, das von der Regierung genutzt wird, um Dissens auszuschalten. Zweimal war er des in Malaysia illegalen homosexuellen Verkehrs angeklagt und zu jahrelanger Haft verurteilt worden, zweimal wurden die Urteile später revidiert.

Analysten glauben, dass ein Regierungswechsel für die wirtschaftliche Richtung des Landes kaum Folgen hätte. "Wenn es gelingt, die Wirtschaft auf Humankapital und auf einer innovativen Industrie aufzubauen, wird es das Ziel von 2020 erreichen", meint Rajiv Biswas, Chefökonom von Global Insight in Singapur. "Malaysia würde für Entwicklungsstaaten in Asien zum Leuchtfeuer am Horizont." (Urs Wälterlin, DER STANDARD, 30.4.2013)