Die Schüler Matthias Purker, Matthias Dafert und Thomas Müller haben eine Software erstellt, mit der man das räumliche Vorstellungsvermögen trainieren kann.

Foto: HTL Ottakring

Man braucht es zum Kartenlesen, zum Zeichnen und zum Einrichten der Wohnung. Und für einen technischen Beruf etwa im Maschinenbau ist es erst recht vonnöten: räumliches Vorstellungsvermögen. Leider ist diese Fähigkeit nicht jedem jungen Menschen im gleichen Ausmaß gegeben, was für manche angehende Techniker zum Problem wird.

Matthias Dafert, Thomas Müller und Matthias Purker aus dem Maturajahrgang der HTL Ottakring haben sich für ihre Diplomarbeit nun eine Strategie überlegt, mit der Menschen ihr räumliches Vorstellungsvermögen trainieren können. Neurocubes 3D heißt ihre Lösung, eine Software, ähnlich aufgebaut wie ein Computerspiel, das sich an Zwölf- bis 15-Jährige richtet und in mehreren Modulen und Schwierigkeitsstufen dreidimensionales Denken herausfordert.

Anwender müssen etwa dreidimensionale, aus Würfeln gebaute Gegenstände am Monitor so drehen und wenden, dass sie in eine bestimmte Form passen. Sie müssen in einer weiteren Stufe bei zwei permanent rotierenden Körpern erkennen, ob sie ident sind oder doch nur ähnlich aussehen und vielleicht gespiegelt sind. Und sie müssen in der schwierigsten Stufe selbst ein dreidimensionales Objekt nachbauen, von dem Vorderansicht, Seitenansicht und Draufsicht bekannt sind.

Besonderheit ihres in der Programmiersprache Java umgesetzten Programms: stereoskopisches 3-D. Der räumlichen Vorstellung wird mithilfe einer 3-D-Brille und jenem räumlichen Effekt, den man aus 3-D-Kino oder -Fernsehen kennt, auf die Sprünge geholfen.

Gerade der 3-D-Effekt sei keine einfache Sache gewesen: "Wir mussten selbst rausfinden, wie das ungefähr geht, und haben es einfach ausprobiert", sagt Thomas Müller. Die "Grundforschung" für das Projekt hätte schon in den letzten Sommerferien begonnen. Seitdem seien bestimmt 800 Arbeitsstunden in die durchaus "überdurchschnittliche Diplomarbeit" geflossen, erklärt der betreuende Lehrer Robert Baumgartner.

Dass sich das Trainieren mit der Software tatsächlich positiv auf das räumliche Vorstellungsvermögen auswirkt, haben die Schüler bereits in einem Feldtest mit 30 Schülern nachgewiesen. Pretest und Posttest hätte bei ihnen nach kurzer Verwendung von Neurocubes 3D bereits "eine signifikante Steigerung der räumlichen Vorstellungskraft" gezeigt, erklärt die Kommunikationspädagogin und frühere Elternvereinsvertreterin Renate Csellich-Ruso, die das Projekt mit einer wissenschaftlichen Arbeit über die Erlernbarkeit dieser mentalen Fähigkeit begleitet und die Koordination der Feldstudie übernommen hat.

Als Schulsoftware einsetzen

Mit diesen Erkenntnissen ausgestattet, wollen die Schüler auch noch ein Fortwirken ihrer Anwendung nach dem Schulabschluss erreichen. Man könnte das Programm in der Schule einsetzen, um Einstiegsprobleme in Zweigen wie Maschinenbau und Mechatronik abzuschwächen, erklärt Csellich-Ruso. Ein Einsatz im Fach Darstellende Geometrie sei denkbar. Einer der Schüler, Matthias Dafert, möchte sich nach der Schule mit Spielentwicklung beschäftigen und will sich um Erweiterung, Zielgruppenanpassung und Support für die Software kümmern. Möglich wäre, das Programm mit einer Bewegungssteuerung zu koppeln, wie man sie von Spielkonsolen kennt, um so die 3-D-Objekte am Schirm mit bloßen Händen bewegen zu können.

Jugend-Innovativ-Halbfinale

Mit dem Programm machen Dafert, Müller und Purker unter anderem bei beim Bewerb Jugend Innovativ mit, den die Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) im Auftrag von Wirtschafts- und Unterrichtsministerium umsetzt. Insgesamt 528 Projekte von Schülern und Lehrlingen zwischen 15 und 20 Jahren wurden eingereicht. Neurocubes 3D, eine von vier Einreichungen der HTL Ottakring, hat es mit 33 weiteren Arbeiten ins Finale geschafft.

Die Spannbreite der Arbeiten reicht von einer Aufarbeitung des Nahostkonflikts in Interviews und Fotos (Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt Wien) über eine App, die den Energieverbrauch von Handys effizienter regelt (HTL Kaindorf in der Steiermark), bis zur Entwicklung einer Ballschlagmaschine, die Faustbälle auf 150 km/h beschleunigen soll (HTL Linz LiTEC). Der Gewinner des Jugendwettbewerbs soll dieses Jahr vom 27. bis 29. Mai am FH Campus Wien von einer Expertenjury ermittelt werden. (pum, DER STANDARD, 30.4./1.5.2013)