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Deutschlands Kanzerlin Angela Merkel.

Foto: AP Photo/Markus Schreiber

Ist die deutsche Wirtschaftspolitik tatsächlich so egoistisch und böse, wie es Teile der französischen Linken darstellen? Natürlich nicht: Deutschland ist eine ungemein erfolgreiche Volkswirtschaft und zeigt auch genügend Solidarität, in dem es sich mit vielen Milliarden bei der Bewältigung der Schuldenkrisen seiner südlichen Europartner beteiligt.

Aber sind die lauten Forderungen an Deutschland, mehr zur Krisenlösung zu tun, indem es etwa seine Lohnkosten steigert, wirklich so verfehlt, wie mein Kollege Andreas Schnauder schreibt?

Schnauder hat recht, dass die deutschen Exportzuwächse zumeist nach Übersee gehen und daher den hochverschuldeten Eurostaaten nicht direkt schaden.

Aber so einfach ist die Sache nicht. Es gibt eine Zahl, die den deutschen Politikern die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte. Die lautet 6,4 Prozent und stellt den deutschen Leistungsbilanzüberschuss des Vorjahres dar, für heuer wird ungefähr der gleiche Wert erwartet. Und der ist eine der Wurzeln der gesamten Krise.

Seit rund zehn Jahren exportiert Deutschland Jahr für Jahr viel mehr, als es importiert. Das heißt, in Deutschland wird mehr produziert als konsumiert und der Rest ins Ausland geschickt. Deutschland erwirbt dafür im Gegenzug Schuldverschreibungen, die es später einlösen könnte – wenn sich der Überschuss in ein Defizit umwandeln sollte.

Die deutschen Überschüsse machen Leistungsbilanzdefizite in anderen Staaten unvermeidlich. Denn nicht alle in der Welt können mehr exportieren als importieren. Da China und andere asiatische Staaten ebenfalls hohe Überschüsse generieren, bleiben als Defizitstaaten die USA und andere Euroländer übrig.

Leistungsbilanzdefizite bedeuten, dass sich Staaten im Ausland verschulden müssen. Und das ist in Spanien, Portugal, Griechenland und Italien massiv geschehen.

Zwar sind diese Defizite dank der Sparpolitik seit dem vergangenen Jahr deutlich geschrumpft. Der deutsche Überschuss ist es nicht, was zur Folge hat, dass die Eurozone an sich einen Überschuss mit dem Rest der Welt erwirtschaftet.

Innerhalb der Eurozone bleiben die massiven Ungleichgewichte erhalten, was man an der wachsenden Aktiva-Position der Deutschen Bundesbank im Target-Zahlungssystem der Europäischen Zentralbank sieht. Dort steigen die Schulden der südlichen Eurostaaten weiter.

Würde Deutschland etwas weniger exportieren und vor allem mehr importieren, dann wäre es für sie leichter, Überschüsse zu erwirtschaften und ihre Verschuldung abzubauen. Und dann müssten sie auch etwas weniger sparen und könnten mehr in Wachstum investieren.

Nicht jedes Land kann eine ausgeglichene Leistungsbilanz haben. Einige Staaten haben verhältnismäßig viel größere Überschüsse als Deutschland – die Niederlande, Norwegen oder die Schweiz. Aber das sind kleinere Volkswirtschaften, die anderswo weniger Verwerfungen verursachen.

Der deutsche Überschuss betrug im Februar aufs Jahr gerechnet 240 Milliarden Dollar (182 Milliarden Euro), der höchste der Welt.

Österreich hat auch einen Überschuss von rund zwei Prozent des BIP. Der fällt weltwirtschaftlich allerdings nicht ins Gewicht. Dennoch – die Exportüberschüsse auszuweiten, wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl das wünscht, wäre unsinnig.

So gesehen ist die Aussage richtig, dass die deutsche Wirtschaft zu wettbewerbsfähig ist. Sie könnte etwas höhere Löhne sehr gut vertragen und würde weiterhin gesamtwirtschaftlich ausgezeichnet dastehen. Es stimmt, wie Schnauder schreibt, dass die Arbeitskosten in Deutschland steigen – aber wie man an den Leistungsbilanzzahlen sieht, nicht schnell genug.

Höhere Löhne bedeuten mehr Kaufkraft, und das ist gut. Andererseits würden einzelne Betriebe dann tatsächlich im Weltmarkt nicht mehr konkurrieren können und vielleicht dann schließen müssen. Das schafft Unmut und lässt sich in der deutschen Politik nicht verkaufen.

Nichts aber spricht dagegen, wie ich zuletzt geschrieben habe, dass der deutsche Staat ausgibt, etwa in die Infrastruktur der Kommunen, und seine Budgetkonsolidierung verlangsamt. Das bringt Arbeitsplätze in Deutschland und im Rest der Eurozone. Und bei den so  niedrigen Zinsen, die Deutschland derzeit zahlen muss, wäre dies leicht finanzierbar.

Statt die deutsche Politik allgemein zu beschimpfen, sollten französische und andere Politiker bei jeder Gelegenheit auf den deutschen Leistungsbilanzüberschuss hinweisen und dessen Abbau fordern. Eine Verringerung ist dringend notwendig.

Und eigentlich sollte Deutschland nach all den angesammelten Überschüssen nun ein paar Jahre ein kleines Defizit fahren, also mehr konsumieren als produzieren. Das würde die Eurozone enorm entlasten. Und auch die fleißigen Deutschen hätten es verdient.