München - Das Münchner Oberlandesgericht gerät durch Pannen bei der Vergabe der Presseplätze für das NSU-Verfahren weiter unter Druck. Führende Juristen und Presseverbände verschärften ihre Kritik an dem Gericht. Ex-Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier brachte erneut eine Videoübertragung ins Spiel, die vom Münchner Oberlandesgericht kategorisch abgelehnt wird.

Prozessbeginn könnte sich verzögern

Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist bereits seit Dienstag eine Beschwerde eines freien Journalisten gegen das Akkreditierungsverfahren anhängig. Sollte das Gericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung folgen, könnte sich der bereits einmal verschobene Prozessbeginn abermals verzögern.

Losverfahren unbefriedigend

Papier nannte das von den Münchner Richtern im zweiten Anlauf gewählte Losverfahren unbefriedigend. Zwar sei es juristisch wohl unanfechtbar, sagte er der "Welt". Es könne gleichwohl wegen "Merkwürdigkeiten" nicht befriedigen, die in der Natur des Losens lägen.

Bei der Verlosung der 50 Presseplätze waren zahlreiche kleine und unbekannte Medien zum Zuge gekommen, während viele überregionale und internationale Blätter und Nachrichtenagenturen nicht ausgelost wurden.

Das Gericht hatte sich erst nach einer Rüge des Bundesverfassungsgericht zum Losverfahren entschlossen. Zuvor waren die Plätze nach der Reihenfolge der Akkreditierungsanträge vergeben worden, was zu einem Komplettausschluss der Medien aus der Türkei und Griechenlands geführt hatte - den Ländern, aus denen die meisten der NSU-Opfer stammten. Dies löste international Proteste aus.

Papier sagte, das Bundesverfassungsgericht habe nicht vorgeschrieben, dass es ein Losverfahren geben müsse. Er sehe auch die Möglichkeit, das Verfahren per Video für Journalisten in einen Nebenraum zu übertragen. Dies hatte das Münchner Gericht aber aus Furcht abgelehnt, damit einen Revisionsgrund zu liefern.

"Mangel an Einsicht"

Die Deutsche Journalistenunion warf den Münchner Richtern am Mittwoch unentschuldbares Verhalten und einen "unfassbaren Mangel an Einsicht" vor. Die neuerlichen Pannen zeigten, welch geringen Stellenwert das Gericht den Medien zubillige. Das Gericht erschüttere "das Vertrauen in rechtsstaatliches Handeln nachhaltig" und werfe einen dauerhaften Schatten auf den Prozess, erklärte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß.

Der Prozess gegen die mutmaßliche einzig noch lebende Haupttäterin der Neonazi-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund", Beate Zschäpe und mehrere Komplizen soll am Montag beginnen. Ihnen wird unter anderem Mittäterschaft oder Beihilfe bei der Ermordung von zehn Menschen, zumeist ausländischer Herkunft vorgeworfen. (APA, 1.5.2013)