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Massenvorlesungen gibt es in Österreich zur Genüge, sie ins Netz zu verlagern ist für die Universität allerdings kostspielig.

Foto: apa

Der Titelverliebtheit als Erbe der Donaumonarchie würde alle Ehre erwiesen: die Verleihung akademischer Grade bliebe in nationaler Hand, studiert würde aber nur bei den Besten, wo auch immer sie lehren. "Smart University" nennt Schahram Dustdar dieses Zukunftsszenario. Der Informatikprofessor der TU Wien ist davon überzeugt, dass Massive Open Online Courses (Moocs) die Hochschullandschaft revolutionieren könnten.

Die Zahlen sind eindrucksvoll: Hunderttausend Studierende in "Einführung in die Philosophie" waren es so an der britischen Universität Edinburgh diesen Jänner. Der Hype um Moocs hat seinen Höhepunkt im angelsächsischen Raum erreicht und ist auf Europa übergeschwappt. Eingeklinkt haben sich deutsche, dänische und belgische Unis. Sie folgen einem simplen Konzept: Manche ihrer Vorlesungen werden gefilmt und sind im Netz frei abrufbar.

Das Phänomen wirft etliche Fragen auf. Was versprechen sich Elite-Unis, die mit Studiengebühren von rund 40.000 US-Dollar im Jahr und Aufnahmeprüfungen das krasse Gegenteil zum offenen Hochschulzugang sind, davon, ihre Kurse öffentlich zugänglich zu machen? Was bedeutet es für den 08/15-Lehrenden, wenn führende Wissenschafter ihr Wissen einfach so bereitstellen?

Die Faszination für die Idee liegt darin, dass Moocs ein weiteres Puzzlestück in der breiten Debatte um "Openness" im Hochschulwesen sind, verbunden mit dem Versprechen einer Demokratisierung des Hochschulwesens. Was dabei teilweise vergessen wird, ist die Frage der Kosten. Denn hinter den kostenlosen Kursen stecken zum Teil hohe Investitionen der Hochschulen. Die Firma Coursera, einer der größten Anbieter weltweit, verlangt Summen in der Höhe von 350.000 Dollar, um einen Kurs wiederum kostenlos bereitzustellen. Etwas, das sich nur wenige leisten können.

Digitales Disneyland

Dazu kommt, dass noch einiges durchdacht werden muss, damit aus der Vielzahl an Lesungen Sinn gemacht wird, denn die Beliebigkeit der Themen macht noch kein Curriculum aus. "Momentan sind die Moocs wie Wackelsteine im Waldviertel", kritisiert Josef Aff, Professor für Wirtschaftspädagogik der Wirtschaftsuni Wien. "Der Student kann sich Teile besorgen, aber keine Ausbildung."

Die Kopplung dieses digitalen Disneylands von Starvorträgen an die Offline-Lehre wird essenziell für die Zukunft von Moocs. So sind derzeit die Drop-out-Raten der Kurse enorm hoch. "Für viele ist es nur ein Hineinschnuppern", sagt Martin Ebner, Leiter der Abteilung "Vernetztes Lernen" an der TU Graz. Etwas, das Fern-Unis gut kennen, denn "der Verlust der Präsenz heißt auch der Verlust des sozialen Prozesses im Lernen. Es ist schwieriger durchzuhalten."

Eine weitere Baustelle sind die Prüfungen nach Moocs. Teilweise können sie gegen Gebühr abgeschlossen werden, doch die Massen werden nur mit Multiple Choice bewältigt, vor allem aber bedeutet eine Prüfung hinter dem Bildschirm ein Kontrollverlust darüber, wer antwortet und wie.

Dem zu begegnen ist kostspielig. Denn von der Entwicklung hin zur Durchführung kostete ein Mooc der Universität Edinburgh beispielsweise um die 30.000 Pfund (35.580 Euro). Die Idee, durch die Digitalisierung der Massenvorlesung Geld sparen zu können, ist illusorisch. "Den Wunsch hatte man auch an E-Learning. Das Gegenteil war der Fall", sagt Monika König, Professorin für Pädagogik an der FH Frankfurt. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Wirtschaftsuni Wien, die mit ihrer E-Learning-Plattform als Vorreiter in Europa gilt. An Spitzentagen werden 600.000 interaktive Beispiele von Studierenden gelöst, an Tagen vor Prüfungen kommt es zu bis zu zwei Millionen Seitenaufrufen. "Wir haben so viele Leute, die nur damit beschäftigt sind, zu moderieren, zu unterstützen und Feedback zu geben", sagt Aff, "das kostet."

Moocs als Chance zu begreifen heißt, die Zeit mit Studierenden für anderes als für frontal abgehaltene Lehre zu nutzen. So würden die Videos von Vorträgen anderer die Vorbereitung sein, schildert Ebner, während "im Hörsaal dann diskutiert und gearbeitet wird". Auch König wünscht sich eher eine Revolution von unten als von oben. "Uni-Leitungen sollten, wenn sich Initiativen, Moocs zu machen, ergeben, versuchen, diese zuzulassen", sagt sie. Nichts Selbstverständliches, denn die Uni und ihr Regelwerk sind nicht erdacht für die Massenvorlesung ohne sichtbares Publikum. (Louise Beltzung, DER STANDARD, 3.5.2013)