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Als Konsequenz aus den NSU-Morden wurde in Deutschland eine neue Neonazi-Datei geschaffen. Darin vernetzen 36 Sicherheitsbehörden ihre Informationen.

Foto: EPA/Schuh
Grafik: DER Standard

Auch auf der Zielgeraden gab es noch eine Panne. Einen falsch zugeteilten Presseplatz musste das Oberlandesgericht München neu verlosen. Eine nochmalige Verschiebung des Mammutprozesses scheint aber gebannt: Alle Beteiligten gehen davon aus, dass sie sich am Montagmorgen unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im Saal A 101 des Gerichts einfinden. Eng wird es dort nicht nur auf der Journalistentribüne. Angeklagt sind fünf Personen, sie kommen mit elf Anwälten. 77 Nebenkläger und ihre 53 Rechtsvertreter werden im Saal sein, zudem vier Bundesanwälte und acht Richter. Und natürlich Manfred Götzl, der Vorsitzende Richter.

Die Bundesanwaltschaft als oberste Anklägerin der Bundesrepublik Deutschland ist überzeugt: Die Terrorzelle, die sich " Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) nannte, tötete zwischen 2000 und 2007 in ganz Deutschland zehn Menschen - acht Bürger aus der Türkei, einen Griechen und eine deutsche Polizistin. "Die NSU-Morde sind unser 11. September", hat Generalbundesanwalt Harald Range einmal gesagt.

Ein überdimensionales Puzzle

Ans Licht kam die Terrorserie am 4. November 2011. Von da an fügen die Ermittler ein Bild des Grauens wie ein überdimensionales Puzzle zusammen. Sie sind der Ansicht, der NSU habe im Kern aus drei Leuten bestanden: Uwe B. und Uwe M., die sich nach einem Überfall selbst erschossen haben, und Beate Zschäpe.

Die 38-Jährige ist im Prozess nun die Hauptangeklagte. Sie soll als Mitglied einer terroristischen Vereinigung an den zehn Morden beteiligt gewesen sein, 15 bewaffnete Raubüberfälle begangen und schwere Brandstiftung verübt haben. Bundesanwalt Range sieht bei Zschäpe eine besondere Schwere der Schuld und sagt: "Sie hat alle Morde mitgetragen."

Ein Gerichtsgutachten sieht sie als voll schuldfähig. Zschäpe soll bereits als Jugendliche extremen Hass auf Ausländer und Juden entwickelt haben. Zwar wird Zschäpe nicht vorgeworfen, die Morde direkt ausgeführt zu haben. Sie gilt aber als "Mastermind" der Mordpläne. Wie perfide diese waren, zeigt eine DVD, in der sich der NSU über die Getöteten mithilfe der Zeichentrickfigur Paulchen Panther lustig macht.

Merkel hat sich entschuldigt

Etwas "Menschenverachtenderes, Perfideres und Infameres" habe sie noch nie gesehen, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Februar 2012 beim Staatsakt für die NSU-Opfer.

Gleichzeitig entschuldigte sie sich für die Ermittlungspannen und bekannte: "Die Morde sind eine Schande für unser Land." Denn bei der Aufarbeitung der Mordserie zeigte sich ein eklatantes Versagen des Staates.

Fünf Personen auf der Anklagebank

Dreizehn Jahre lang lebten Zschäpe, Uwe B. und Uwe M. unbehelligt im Untergrund, Hinweise auf sie wurden verschlampt oder zwischen konkurrierenden Behörden schlicht nicht weitergegeben. Zschäpe sitzt ab Montag nicht alleine auf der Anklagebank. Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, Carsten S., André E. und Holger G. sollen das Terrortrio im Untergrund logistisch unterstützt, falsche Pässe und Waffen besorgt haben.

Zschäpe als Hauptangeklagte hat bisher kein einziges Wort zu den Vorwürfen gesagt. Laut Auskunft ihrer drei Anwälte wird sie diese Strategie vor Gericht fortsetzen wollen. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 3.5.2013)