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Nikolaus Berlakovich, "Giftminister".

Foto: APA/Gindl

Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) gerät in Bedrängnis. Er wollte im  Ö1-"Morgenjournal" am Freitag zur Debatte um das Bienensterben nicht sagen, wie viele schädliche Pestizide jedes Jahr in Österreich eingesetzt werden und beruft sich dabei auf die Amtsverschwiegenheit. Im Ö1-Mittagsjournal bezifferte Berlakovich die Menge der in Österreich eingesetzten umstrittenen Neonicotinoide mit zehn Tonnen. Dabei handle es sich aber nur um eine Schätzung. Er sei kein Lobbyist der Chemieindustrie, sondern setzte sich für Bauern ein, die auf diese Mittel angewiesen sind, sagte Berlakovich im Mittagsjournal-Interview. Und für ein mögliches Verbot warte er noch auf wissenschaftliche Grundlagen.

Berlakovich betonte, dass er nicht nicht nur Bienen schützen wolle, sondern auch bäuerliche Existenzen. Deshalb habe er gegen ein Verbot des Einsatzes von Neonicotinoiden gestimmt.

Auf wissenschaftliche Grundlagen warten

Auf die harsche Kritik, die daraufhin an seiner Person geübt wurde, antwortete Berlakovich: "Auch die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Anm.) sagt, es müssen weitere Untersuchungen vorgenommen werden. Auf diese Zitate beziehe ich mich. Wir sind ja für ein Verbot, aber es soll Ausnahmen geben. Der Kommissar hat das abgelehnt."

Berlakovich wolle das Thema Pestizidverbot erst dann wieder aufrollen, "wenn die wissenschaftlichen Grundlagen da sind". Deshalb soll nun ein Wissenschaftergremium eingesetzt werden, um die bereits vorhandenen Studien zu analysieren. "Wir wollen handeln, noch bevor die EU handelt", so der Umweltminister.

Zur Diskussion um das Amtsgeheimnis, meinte Berlakovich: "Transparenz ist absolut notwendig, wir haben auf Basis des Umweltinformationsgesetzes gehandelt, demnach genaue Daten nicht veröffentlicht werden dürfen. Aber ich sehe, dass da eine Lücke ist, das soll nicht so bleiben. ich bin dafür, dass das Gesetz novelliert wird."

Experte über das Pflanzenschutzmittel

Neonicotinoide seien tausendmal giftiger als das berüchtigte Pflanzenschutzmittel DDT, das in den meisten Ländern seit Jahrzehnten verboten ist, sagte unterdessen der Bienenforscher Stefan Mandl am Freitag. Daher stellt sich die Frage, wie groß die Menge dieser Pestizide ist, die jedes Jahr in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Doch eine offizielle Antwort bekommt man darauf nicht, obwohl Hersteller und Händler die Daten dem Bundesamt für Ernährungssicherheit melden müssen. Das Bundesamt hat sich in einer schriftlichen Stellungnahme an das Parlament im Vorjahr auf den Datenschutz berufen, auch die Amtsverschwiegenheit wird als Grund genannt.

Opposition übt Kritik

Der Grüne Wolfgang Pirklhuber kritisierte die Berufung Berlakovichs auf das Amtsgeheimnis. Laut seiner Information, die sich ihm aus den Beratungen im Parlament erschlossen, seien im Jahr 2011 etwa zehn Tonnen dieser Neonicotinoide in Verkehr gebracht worden.

FPÖ kritisiert "Giftminister"

Auch bei der FPÖ stieß die Haltung des Ministeriums auf scharfe Kritik: Umweltsprecher Norbert Hofer sprach in einer Aussendung von einem "klaren Missbrauch der Kompetenzen des Ministers". Der "Giftminister" sei rücktrittsreif "und eine echte Belastung für Österreich geworden". Sogar in den eigenen Reihen wurden offen Bedenken geäußert: VP-Justizsprecher Michael Ikrath meldete sich via Twitter zu Wort: "Berufung auf Amtsgeheimnis betreffend Pestizideinsatz absurd."

Scharfe Kritik kam auch vom Koalitionspartner. SPÖ-Klubobmann Josef Cap betonte, das vom Minister-Büro ins Treffen geführte Amtsgeheimnis "sticht in diesem Fall nicht". "Es entbehrt jeder rechtlichen Grundlage, damit zu argumentieren." Denn es gehe nur darum, wie viele Tonnen pro Jahr an Pestiziden eingesetzt werden, "daher greifen nicht das Amtsgesetz und auch nicht der Datenschutz".

"Die Geheimhaltungsinteressen der Chemiekonzerne sind ihm wichtiger als das Recht auf Information", sagte die Grüne Parteichefin Eva Glawischnig und kündigte in diesem Zusammenhang auch rechtliche Schritte an. Sie wird sowohl beim Minister selbst als auch bei der Agentur für Ernährungssicherheit Informationen bezüglich der Pestizide - nach dem Auskunftspflicht- sowie dem Umweltinformationsgesetz - beantragen. Sollten diese die Auskunft verweigern, werde sie diese Entscheide beim Unabhängigen Verwaltungssenat und in Folge auch beim Verwaltungsgericht prüfen lassen, sagte Glawischnig.

Maisbauern für Einsatz von Neonicotinoiden

Für die steirischen Maisbauern - einer von ihnen ist Landwirtschaftskammer-Chef Gerhard Wlodkovski - erscheint der Einsatz von Neonicotinoiden zum Pflanzenschutz unabdingbar. Die Grünen halten das für nicht nachvollziehbar: "Wenn man auf ökologische Landwirtschaft umsteigt, wird man weder Neonicotinoide noch genverändertes Saatgut brauchen", sagt Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner.

Sie begehrt Auskunft, wie viel von den wahrscheinlich bienenschädigenden Neonicotinoiden in Österreich eingesetzt werden - das Bundesamt für Ernährungssicherheit darf das nicht sagen, da das Amtsgeheimnis die (wenigen) Hersteller schützt, damit Betriebsgeheimnisse nicht bekannt werden. Einen Ausweg sieht sie aber: "Wir werden eine Auskunft nach dem Umweltinformationsgesetz beantragen." Dieses steht praktischerweise auch auf der Tagesordnung des Umweltausschusses, der Zeitpunkt für eine Liberalisierung wäre gerade günstig. (APA/red/cs, derStandard.at, 3.5.2013)