Heidelberg - Ein spezifisches Muster chemischer Markierungen am Erbgut bösartiger Zellen in HNO-Tumoren weist auf eine günstige Prognose hin. Diese "epigenetische Signatur" sagt den Krankheitsverlauf zuverlässiger voraus, als bisher eingesetzte Prognosekriterien. Patienten, bei denen ein günstiger Verlauf angenommen werden kann, könnten mit geringerer Intensität therapiert werden. Dies veröffentlichten Wissenschafter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Uniklinik Heidelberg.

Bei Krebserkrankungen im Mund-Rachenraum handelt es sich meist um sogenannte Plattenepithelkarzinome, die aus Zellen der Schleimhäute entstehen. Bekannte Risikofaktoren für diese Erkrankung sind Alkohol und Zigaretten. Jedoch steigen die Fallzahlen auch bei Menschen, die weder trinken noch rauchen. Bei diesen Patienten liegt häufig eine Infektion mit krebserregenden Typen der humane Papillomviren (HPV) vor. "Insgesamt sind bis zu 60 Prozent aller Plattenepithelkarzinome im Mund-Rachenraum positiv für HPV16, den Erreger, der auch Krebs am Gebärmutterhals auslöst", sagte Jochen Hess, der am DKFZ und an der Universitäts-HNO-Klinik Heidelberg eine Forschergruppe leitet.

Der klinische Verlauf HPV-assoziierter HNO-Tumoren ist weitaus günstiger, als jene, die auf klassische Risikofaktoren zurückzuführen sind. Erstere sprechen besonders gut auf Strahlen- und Chemotherapie an, womit die Lebenserwartung der Patienten entscheidend verlängert werden kann. Allerdings gibt es auch bei den HPV-assoziierten Tumoren Fälle mit ungünstigem Verlauf. Die molekularen Gründe dafür sind unbekannt.

Epigenetische Markierungen

"Onkologen sind daher sehr an einem Marker interessiert, der Tumoren mit günstiger Prognose zuverlässig identifiziert. Bei diesen Patienten könnte man die Intensität der Therapien reduzieren und damit die Nebenwirkungen deutlich verringern", erklärte Hess. Der Forscher hatte die Idee, dass abweichende epigenetische Markierungen im Erbgut von Tumoren eine mögliche molekulare Ursache für den unterschiedlichen Krankheitsverlauf sein könnten. Besonders die Markierung mit Methylgruppen beeinflusst die Aktivität vieler Gene und damit das Verhalten einer Zelle.

Die Wissenschaftler suchten deshalb nach Unterschieden der Methylierungsmuster in Zellen von Mund-Rachen-Tumoren mit und ohne HPV-Beteiligung. Sie entdeckten, dass ein sehr günstiger Krankheitsverlauf mit einem spezifischen Markierungsmuster korrelierte: Drei bestimmte Gene sind durch schwache Methylierung in ihrer Aktivität gesteigert, zwei andere dagegen stumm geschaltet.

Weniger aggressiv

Die Daten ergaben sich zunächst aus 100 Tumorproben aus Heidelberg und wurde dann im Tumorgewebe 120 weiterer Patienten aus Leipzig und Chicago bestätigt. Vier der fünf betroffenen Gene regulieren den Retinolsäure-Stoffwechsel (Vitamin A), der sich auf das Wachstum, die Differenzierung und den Tod von Zellen auswirkt. Dass sich die epigenetischen Veränderungen auch tatsächlich auf die Biologie der Krebszellen auswirkten, wiesen die Forscher ebenfalls nach: Die Menge an RNA-Abschriften der fünf Gene entsprach dem, was die veränderte Methylierung des jeweiligen Gens erwarten ließ.

Darauf könnte man offenbar Patienten schon im Rahmen der ersten Diagnose untersuchen und unterscheiden, welche Erkrankten sofort intensive Chemo- und Strahlentherapie brauchen und bei wem dagegen weniger aggressive Behandlungen ausreichen könnten. (APA/red, derStandard.at, 3.5.2013)