Als Alexander Schierhuber am 1. Februar vom 9. Bezirk in Richtung Innenstadt fuhr, betrug seine Taxirechnung rekordverdächtige 75 Euro. Kein Abzockversuch des Taxifahrers, nein, an diesem Abend gab es schlicht kein Durchkommen mehr. Rund 20 vermummte Demonstranten, so erinnert sich der Wirtschaftsstudent, umzingelten das Auto, während der Polizeifunk meldete, dass im ersten Bezirk Gefahr für Leib und Leben bestünde. Schierhuber kandidiert für den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) - und sein bevorzugtes Gesprächsthema sind die Ausschreitungen rund um den Akademikerball, die der 24-Jährige live erlebt hat. Seine Haare sind zum Seitenscheitel gegelt, er trägt ein maritimes Sakko mit hellblauem Einstecktuch, am linken Arm eine silberne Armbanduhr und an der Schläfe einen deutlich sichtbaren Schmiss.
Während das Gros an WU-Studenten gerade vorm Haupteingang die Frühlingssonne genießt, herrscht in der Aula bei den Ständen der ÖH-Fraktionen gähnende Leere. Auf wenigen Quadratmetern prallen hier ideologische Welten aufeinander. Ein RFS-Anhänger deutet flüsternd auf den Stand des VSStÖ (Verband sozialistischer Studierender): "An der Hauptuni würden die mir nicht mal die Hand geben, aber hier geht alles ein wenig entspannter zu. An der WU bin ich noch nie dumm angemacht worden."
"GRAS und VSStÖ stehen für extremistische Gewalt"
Für das Interview wählt RFS-Spitzenkandidat Schierhuber ein Café, wie sich in WU-nähe viele finden lassen: Lounge-Musik als Hintergrundberieselung, steriles Interieur und ein vorrangig weibliches Publikum, das bunte Cocktails mit Schirmchen bestellt.

Auf dem Tisch vor sich breitet der gebürtige Salzburger eine Mappe aus, prall gefüllt mit Dokumenten, die seine Weltsicht stützen sollen. Darunter Fotos, auf denen die ÖH-Vorsitzende Janine Wulz inmitten von Mitgliedern des Schwarzen Blocks zu sehen ist. Wenn Schierhuber davon erzählt, wie sein politisches Vorbild Andreas Mölzer (siehe Video) in eingangs beschriebener Ballnacht attackiert wurde, ballt sich seine rechte Hand zur Faust, werden die Gesten unkoordiniert und sein Gesicht läuft vor Erregung rot an: "Die letzten Monate haben gezeigt, wofür GRAS und VSStÖ stehen: wahnsinnige und extremistische Gewalt."
Ein Rückblick auf die eigene extremistische Vergangenheit seiner Fraktion: 1965 lösten die antisemitischen Äußerungen des Alt-Nazis und damaligen Geschichtsprofessors Taras Borodajkewycz Demonstrationen aus, während der ein RFS Mitglied den Kommunisten und KZ-Überlebenden Ernst Kirchweger so brutal zusammenschlug, dass dieser zwei Tage später seinen Verletzungen erlag - das erste politische Todesopfer der Zweiten Republik. Als Täter wurde der Chemie-Student Günther Kümel identifiziert, der zuvor schon Anschläge gegen SPÖ-Veranstaltungen, die italienische Botschaft und das österreichische Parlament ausübte. Kümel wurde vom Gericht wegen "Notwehrüberschreitung" lediglich zu zehn Monaten Haft verurteilt.

Der RFS fungiert immer noch unter demselben, historisch vorbelasteten Namen, doch deren Spitzenkandidat sagt mittlerweile deutlich: "Wer heute noch ein Nazi ist, ist ein dummer Mensch - ganz einfach. Jeder, der im RFS aus der Reihe tanzt, wird sofort rausgeschmissen."
Klare Bekennung zur Mutterpartei
Wofür der RFS in der Hochschulpolitik steht, lässt sich schnell umschreiben: Einerseits wollen sie die Macht der ÖH Exekutive kontrollieren, andererseits dafür sorgen, dass alle Nicht-Österreicher Studiengebühren zahlen oder alternativ deren Herkunftsländer für die Mehrkosten aufkommen.
Wesentlich mehr Energie verwenden die freiheitlichen Studenten jedoch darauf, zu betonen, wofür sie ideologisch nicht stehen: Die sieben Grundsätze des RFS beginnen mit der "Abgrenzung von kommunistischen Bewegungen" und schließen mit dem "Kampf gegen militanten Linksextremismus."
Vielleicht waren es ja auch "militante Linksextreme", die am Montagmorgen des Wahlkampfauftakts sämtliche RFS-Plakate an der Wirtschaftsuniversität heruntergerissen haben? Auf ihnen sieht man Schierhubers lächelndes Profil unter Stammtisch-Slogans á la "Studieren statt Randalieren", während im Hintergrund ein wolkenfreier Himmel bläut und die Sonne strahlt - die klassische FPÖ-Ästhetik, zum Verwechseln ähnlich. Kein Wunder, hat sich doch Schierhuber bei der Plakatgestaltung eigens von FP-Generalsekretär Herbert Kickl persönlich beraten lassen. Überhaupt ist der RFS die einzige ÖH-Fraktion, die sich uneingeschränkt zur Mutterpartei FPÖ bekennt. Aus dieser lukrieren sie auch die 20.000 Euro Wahlkampfbudget. "Wir haben den direkten Draht zu 38 Nationalratsabgeordneten", sagt Schierhuber.
In den 60ern zweitstärkste ÖH-Fraktion
Für einen von ihnen arbeitet er neben dem Studium als parlamentarischer Mitarbeiter. Wolfgang Zanger schaffte es 2006 ins Schlaglicht der Schlagzeilen, als er im "ORF"-Report behauptete, dass Österreich 1945 nur "quasi befreit" worden sei. Zur NS-Zeit sagte er damals: "Natürlich hat es gute Seiten am Nationalsozialismus gegeben, nur die hören wir heute alle nicht mehr." Nachdem zu Silvester in seiner Heimatgemeinde ein Ehepaar vermeintlich von zwei Migranten angegriffen wurde, forderte Zanger jüngst: "Knittelfeld darf nicht Chicago werden!"

Zurück nach Wien: Ein zeitintensive Job im Parlament sowie das Engagement in der Hochschulpolitik haben den Bachelorstudenten Schierhuber zwar schon mehrere Semester gekostet, doch das sei es wert gewesen, schließlich ist ihm wichtig, "dass es eine letzte konservative Bewegung innerhalb der ÖH gibt". Freilich eine marginale: Während der RFS bis Ende der 60er Jahre mit konstant über 30 Prozent Wählerstimmen die zweitstärkste Fraktion war, dümpeln sie seit den 90ern im niedrigen einstelligen Prozentbereich herum. Momentan stellen sie in der ÖH-Bundesvertretung lediglich ein von insgesamt 96 Mandaten.
Dennoch könne man zumindest in der oppositionellen Kontrollarbeit immer noch Aufsehen erregen, meint der RFS-Spitzenkandidat. Wieder holt er Papiere aus seiner Mappe heraus, diesmal die zahlreichen Anzeigen, die der RFS gegen "ÖH-Bonzen" erstattet hat - zuletzt an der Uni Wien wegen des Finanzdebakels um das leerstehende Studentenlokal Café Rosa. Stolz fügt er an: "Seit ich Bundesobmann bin, habe ich den Finger in jede ÖH-Wunde gelegt." (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 10.5.2013)