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Die rechtsextreme Jobbik demonstriert.

 

Foto: Reuters/Balogh

Vor dem Hintergrund eines zunehmend minderheitenfeindlichen Klimas in Ungarn hat am Sonntag in Budapest das 14. Plenum des Jüdischen Weltkongresses (WJC) begonnen. Mit der Wahl des Tagungsortes wollte der Dachverband der jüdischen Organisationen außerhalb Israels ein Zeichen gegen den Antisemitismus in dem EU-Land setzen.

"Wir möchten den rund 100.000 jüdischen Bürgern in Ungarn den Rücken stärken, ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind", sagte der stellvertretende WJC-Generalsekretär Maram Stern dem STANDARD. Als Gastredner beim Eröffnungsdinner am Sonntagabend war auch Ungarns Premier Viktor Orbán angekündigt. Dessen manchmal ambivalente Haltung zu antisemitischen Äußerungen sehen etliche Beobachter als Teil des Problems. "Der Ministerpräsident ist kein Antisemit", sagte Stern. "Aber Antisemitismus gibt es, und wir möchten, dass er dieses Problem quasi als Chefsache an sich zieht."

Ein Zeichen der anderen Art setzte die rechtsradikale Jobbik. Die drittstärkste Parlamentspartei hatte ihre Anhänger am Samstag zu einer "antibolschewistischen und antizionistischen" Kundgebung am Budapester Vértanúk tere in der Nähe des Parlaments aufgerufen. Unter Transparenten wie "Raus mit den Geschäftemachern! Das ist unsere Heimat!" protestierten knapp 1000 Jobbik-Sympathisanten gegen den WJC.

Parteichef Gábor Vona und andere Jobbik-Politiker "unterhielten" ihr Publikum mit antisemitischen Reden, wie man sie von der rechtsradikalen Partei seit Jahren gewohnt ist. "Wir Ungarn sind keine Antisemiten", tönte Vona, "wir sind nur etwas Besonderes, weil wir die Einzigen in Europa sind, die Israel nicht die Füße lecken." Die ungarischen Juden und der Jüdische Weltkongress müssten sich erst einmal für die "Morde an den Ungarn" entschuldigen, die "jüdische Kommunisten" während der Zeit der Räterepublik (1919) und des Stalinismus begangen hätten.

Der Jobbik-Abgeordnete Márton Gyöngyösi verstieg sich zu der Behauptung, dass in Ungarn "bereits Kindergartenkinder im Geiste des Zionismus erzogen"  würden. Der ungarische Holocaust, die Ermordung von 600.000 ungarischen Juden in den Jahren 1944 und 1945, wird von der Jobbik geleugnet oder kleingeredet. So sagte Gyöngyösi am Samstag: "Der Genozid, den Israel an der palästinensischen Urbevölkerung begeht, ist schlimmer als das, was sich die Nationalsozialisten in ihren kühnsten Träumen ausgemalt haben." Der Brandredner war schon Ende 2012 aufgefallen, als er verlangt hatte, die Juden im Land auf Listen zu erfassen.

Premier Orbán hatte sich damals von den ­Äußerungen Gyöngyösis distanziert. Doch sein Umgang mit dem Antisemitismus erscheint janusköpfig. Publizisten und Moderatoren aus dem Umfeld der rechtspopulistischen Regierungspartei Fidesz stechen immer wieder mit antisemitischen und minderheitenfeindlichen Äußerungen hervor, die unwidersprochen bleiben. Manche ungarische Juden beklagen ein Klima der Unduldsamkeit. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 6.5.2013)