Budapest - Ungarns Premierminister Viktor Orban hat sich anlässlich der Eröffnung der 14. Vollversammlung des Jüdischen Weltkongresses (WJC) am Sonntagabend in Budapest zu "Null-Toleranz" gegenüber Antisemitismus bekannt. Er reagierte damit auf eine entsprechende Forderung von WJC-Präsident Roland S. Lauder. Dieser hatte unter Verweis auf die rechtsextreme, antisemitische und romafeindliche Jobbik-Partei von Orban klare Maßnahmen im Kampf gegen Antisemitismus gefordert.

Für das negative Image Ungarns sei nicht die ausländische Presse verantwortlich. Nicht sie hätte den Ruf Ungarns beschmutzt, sondern die extremistischen Kräfte, so Lauder. Ungarische Juden würde vielleicht aus dem Grund ein Verlassen des Landes abwägen, "weil heute solche Antisemiten geehrt werden, wie Miklos Horthy" und ungarische Beamte Horthy-Denkmäler enthüllten, sagte Lauder.

Horthy (1868-1957) war ungarischer Reichsverweser. Unter seinem autoritären Regime wurde 1938 das erste sogenannte Judengesetz verabschiedet. Der Politiker wird heute von Teilen der politischen Rechten als "Retter und Held Ungarns" verehrt.

Orban verweist auf Minderheitenschutz in umstrittener Verfassung

Orban präsentierte sich in seiner Rede als überzeugter Gegner des Antisemitismus. Er sei stolz, dass in Ungarn eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinden Europas lebe, so der Premier. Er betonte, dass die international heftig kritisierte neue ungarische Verfassung Juden und anderen Minderheiten Schutz und Sicherheit biete. Auch habe es seine Regierung als moralische Pflicht betrachtet, einen Holocaust-Gedenktag an den Schulen einzuführen und ein Holocaust-Gedenkzentrum zu schaffen. Das Erstarken des Antisemitismus in Ungarn führte Orban auf die europäische Wirtschaftskrise zurück.

Orbans Rede "enttäuschend"

In einer Stellungnahme zeigte sich der WJC enttäuscht von Orbans Rede. Der ungarische Premier habe sich dem wahren Problem nicht gestellt, nämlich der Bedrohung durch Antisemiten im Allgemeinen und durch die Partei Jobbik im Besonderen. "Wir bedauern, dass Herr Orban keine der jüngsten antisemitischen oder rassistischen Vorfälle in dem Land thematisiert hat. Außerdem hat er keine klare Grenze zwischen seiner Regierung und dem ganz rechten Rand gezogen," hieß es in einer Stellungnahme.

Mit seiner Rede schien der Ministerpräsident auch nicht alle anwesenden Regierungs- und Oppositionsvertreter zu überzeugen. Der sozialistische Ex-Premier Ferenc Gyurcsany verlies während Orbans Rede demonstrativ den Saal. Auf seiner Facebook-Seite warf er dem amtierenden Premier vor, zu lügen. Orban würde den Antisemitismus und die Antisemiten zum Ausbau seiner eigenen Macht nutzen und sei deshalb nicht besser als diese, schrieb Gyurcsany.

Kritik an Straßenbenennungen

Peter Feldmajer, Vorsitzender des Verbandes der Ungarischen Jüdischen Glaubensgemeinden (Mazsihisz) lobte hingegen das Eintreten der ungarischen Regierung für die Glaubensrechte der Juden. Gleichzeitig übte er Kritik an der Benennung von Straßen und Plätzen nach Antisemiten, an tätlichen Angriffen gegen Juden und der Aufnahme von Werken "von Hofdichtern ungarischer Nazis" in den ungarischen Lehrplan. Nur durch den Zusammenschluss von Juden und Nicht-Juden könne erreicht werden, dass die dunkle Epoche des Antisemitismus nie wieder zurückkehre, so Feldmajer.

Die bis zum 7. Mai andauernden Vollversammlung steht im Zeichen der Solidarität mit den ungarischen Juden. Rund 500 Delegierte jüdischer Gemeinden und Organisationen nehmen an der dreitägigen Vollversammlung teil, die auch als Protest gegen den erstarkenden Antisemitismus in Ungarn gewertet wird. (APA, 6.5.2013)