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Geht es bei der aktuellen Debatte wirklich darum, was Kinder zum Glücklichsein brauchen?

Foto: epa/anp Erald Van Der Aa

Am Dienstag wurde im österreichischen Ministerrat die Stiefkindadoption für homosexuelle Paare beschlossen. Ab Juli können gleichgeschlechtliche Paare jenes Kind adoptieren, das einer der Partner als leibliches Kind in die Beziehung mitgebracht hat. Die Kinder leben also in der Regel schon vor der Adoption im Haushalt, es ändert sich lediglich das Rechtsverhältnis zu den Eltern: Die Kinder haben künftig Rechtssicherheit in Erbschaftsfragen, im Sorge- und Unterhaltsrecht. Hintergrund für die Neuregelung ist die Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.

Mit diesem Schritt schließt Österreich zu Ländern wie Belgien, Spanien, Dänemark, Finnland, Deutschland und Großbritannien auf. Fremdkinddoption und Ehe bleiben hierzulande weiterhin heterosexuellen Ehepartnern vorbehalten – von Gleichstellung kann also keine Rede sein. Aber ein wichtiger erster Schritt ist getan – vor allem für die Kinder homosexueller Menschen. Doch gerade das "Kindeswohl" sehen viele Gegner durch die Neuerung gefährdet.

Kinder brauchen vor allem Liebe

Ein häufiges Argument lautet, dass Kinder "Mutter und Vater" brauchen. Das klingt so plausibel und normalitätserprobt, dass es sich kaum jemand zu hinterfragen traut. Fest steht: Kinder brauchen Zuwendung, Liebe, Unterstützung und Menschen, die ihnen vorleben, dass sie unabhängig von Geschlecht und Rollenbildern alles tun und sein können. Die ihnen Lebenschancen eröffnen und ihre Verwirklichung fördern statt beschränken. Das machen viele leibliche Mütter und Väter sehr gut. Das können aber liebende Pflege- oder Adoptiveltern genauso. Oder ein Alleinerzieher. Oder zwei Mamas. Oder zwei Papas.

Kinder, denen es früh an Liebe und Zuneigung mangelt, können in ihrer langfristigen Entwicklung Schaden nehmen – physisch und psychisch. Es gibt aber keine relevante Langzeitstudie, die belegen würde, dass sich Kinder per se weniger gedeihlich entwickeln, wenn sie nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Entscheidend ist vielmehr, dass Kinder Liebe, Zuneigung, Unterstützung und Halt bekommen. Blutsverwandtschaft spielt dabei keine Rolle. Wäre sie das entscheidende Kriterium, hätten Adoptiv- und Pflegekinder keine Chance auf ein geglücktes Leben. Vielen Kindern haben Adoption und Pflegeeltern aber erst ein gutes Leben ermöglicht.

In Zeiten, in denen "männliche" und "weibliche" Rollenmuster vom Geschlecht unabhängig gelebt werden können, zieht auch das Argument von der Notwendigkeit männlicher und weiblicher Vorbilder nur mehr bedingt.

Kaum kaschierte Ablehnung

Es ist offensichtlich, dass sich hinter der angeblichen Sorge um das Kindeswohl mitunter Anliegen verbergen, die gar nichts mit dem "Kindeswohl" zu tun haben. Die vielmehr die Ablehnung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder homosexuellen Menschen generell ausdrücken. Das "Kindeswohl" ist eine sehr effektive Trägerrakte für diese Botschaften: setzt sie doch das Gegenüber moralisch außer Gefecht. Denn wer behauptet, es gehe ihm oder ihr ausschließlich um das Glück der lieben Kleinen, der oder die weiß sich auf der moralisch sicheren Seite. Wer würde schon bestreiten, dass das Glück der Kinder das Wichtigste ist?

So lässt sich etwa die Forderung nach einem Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare handstreichartig abfertigen mit dem Hinweis, beides sei eben nicht "das Beste fürs Kind". Dabei würde eine fruchtbare Debatte über die Frage, was eigentlich das Beste für Kinder ist, erst dort beginnen, wo Scheingefechte ausgefochten sind. (Lisa Mayr, derStandard.at, 5.6.2013)