Der geldgierige Burgverwalter (Noah Saavedra, li.) triezt den Pferdehändler Kohlhaas (Aaron Friesz). 

Foto: Burgtheater/Anna Stöcher

Wien - In Heinrich von Kleists Novelle wird der Titelheld Michael Kohlhaas rabiat, weil ihm, einem Pferdehändler aus Brandenburg, Unrecht geschehen ist. Am Grenzübergang zu Sachsen knöpfen ihm der Burgherr Wenzel von Tronka (Johannes Hoff) und sein Verwalter (Noah Saavedra) als Pfand für die Passage zwei schöne Pferde ab, die Kohlhaas bei der Rückkehr jedoch als wertlose Schindmähren vorfindet. Entschädigung gibt es keine, die Mühlen der Justiz mahlen im Dienste des Mächtigeren.

Nachdem Kohlhaas in weiterer Folge sowohl Frau als auch Knecht seines Entschädigungsbetreibens wegen verloren hatte, flippt er aus und beginnt auf der Suche nach seinem Widersacher Tronka im Namen der Gerechtigkeit einen Vernichtungsfeldzug gegen alle, die sich ihm in den Weg stellen. Er metzelt von Wittenberg bis Leipzig, um schließlich doch den Kürzeren zu ziehen.

Peter Raffalts "Junge Burg"-Inszenierung, die in einer eigenen Fassung am Sonntagabend als Ego Shooter - Michael Kohlhaas im Vestibül Premiere hatte, bietet für diesen haarsträubenden Amoklauf vieles auf. Am eindrücklichsten davon ist die dreidimensionale Computerspiel-Oberfläche (quer über die Bühnenbreitseite), die die Schauspieler mit Blackbox-Technik live bespielen (Video: Florian Gruber, Bühne: Vincent Mesnaritsch). Da stürzt das Kameraauge durch das Blattwerk des düsteren Waldes (als wäre es Twilight) und erzeugt durch wehende Wipfel, Regen und animiertes Burgleben "authentische" 16.-Jahrhundert-Stimmung.

Kohlhaas (Aaron Friesz) wird zum Terroristen erklärt, das bringt das Fernsehen auf den Plan. Eine Reporterin mit pinken Ohrenschützern (Larissa Semke) berichtet aus dem Urwald, der Kurfürst von Sachsen (Genet Zegay) hält im TV-Studio eine volksnahe Terroristenversteher-Rede, die der Moderatorin mit den schweren Lidern (Amrei Keul) eine Sabberträne kostet.

"Kleist hat es noch schöner ausgedrückt", sagt die Erzählerin (Anna Hofmann) des Öfteren am Ende einer Szene etwas wehmütig - doch für so lange, gewundene Sätze bleibt am Theater heute keine Zeit mehr. In achtzig Minuten ist auch hier alles vorbei. So vermittelt die flotte, auch gekonnt mit Puppen hantierende Inszenierung vor allem einen klaren, füllig bebilderten Themenaufriss, den sich keine Schulklasse entgehen lassen sollte. (afze, DER STANDARD, 7.5.2013)