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John Demjanjuk (li.) und Milivoj Ašner (re.) starben, ohne Strafen abzusitzen.

Fotos: Matthias Schrader/AP/dapd/APA/GERT EGGENBERGER

Wien - Die 1. Gebirgsdivision, Elitesoldaten Hitlers, unter denen viele Österreicher waren, verübten einige schwere Kriegsverbrechen in mehreren Ländern. Allein in Griechenland ermordeten sie 1943 tausende Zivilisten. "Das ist jetzt 70 Jahre her", sagt der ehemalige SPÖ-Nationalratsabgeordnete Johann Maier, "noch immer wurde ihre Rolle weder historisch noch juristisch aufgearbeitet."

Maier hat in den vergangenen Jahren rund ein Dutzend parlamentarische Anfragen zur Strafverfolgung von NS-Verbrechen und besonders zu jenen der Gebirgsdivision an das Justizministerium gerichtet. Vor wenigen Tagen bekam er nun eine Antwort von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP), in der erstmals aktuelle Zahlen über verdächtige Personen stehen. Konkret bekam das Ministerium seit 2006 eine Liste von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg mit 27 Namen und zwei Listen vom Simon-Wiesenthal-Center Jerusalem mit insgesamt 54 Namen. Darüber hinaus ermittelte eine 2010 vom Justizministerium eingesetzte Arbeitsgruppe 188 Namen. Insgesamt also 269 Personen.

Die 188 Personendaten der Arbeitsgruppe wurden dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) übergeben, das bei 39 deren "Ableben definitiv feststellen" konnte. Bei nicht weniger als 145 war für das BVT "die Klärung ihrer Identität mangels zielführender Anhaltspunkte nicht möglich". "Da frage ich mich, welche Daten der Verfassungsschutz zur Verfügung hat", moniert Maier, "ich bin sicher, es gäbe in Ludwigsburg genügend ergänzende Daten".

"Besonders schockiert" ist Maier aber darüber, "dass wieder kein einziger von den untergetauchten Gebirgsjägern dabei ist". Tatsächlich führt Karl ausschließlich andere Bataillone und Regimente in der Beantwortung an.

Was die Liste vom Wiesenthal-Center betrifft, stellt Karl fest, dass hier keiner der "genannten Personen konkrete Straftaten vorgeworfen, sondern lediglich darauf hingewiesen wurde, dass diese Personen Angehörige von in Kriegsverbrechen verwickelten Einheiten waren". Doch gerade diese Frage beurteilte die deutsche Justiz im erstinstanzlichen Urteil gegen Kriegsverbrecher John Demjanjuk 2011 erstmals anders. (Demjanjuk starb, bevor es zu einer Revisionsverhandlung kam.) Bei ihm reichte die Zugehörigkeit zu einer mordenden Organisation, um schuldig gesprochen zu werden.

Winfried Garscha, Experte für Nachkriegsjustiz vom DÖW, glaubt, dass diese Frage dringend im Parlament behandelt werden müsse: "Uns läuft die Zeit davon, das Ministerium muss entscheiden, ob man das jetzt einmal über die Bühne bringen will."

Fälle wie jener der 2008 verstorbenen KZ-Aufseherin Erna Wallisch oder der des 2011 verstorbenen, als Kriegsverbrecher angeklagten Milivoj Ašner, die beide keine Strafe bekamen, weil sie vorher starben, sind nur zwei von vielen Blamagen der Justiz.

Ein weiteres rechtliches Problem sieht Garscha darin, dass selbst Völkermord in Österreich nach 20 Jahren verjährt, wenn man zum Tatzeitpunkt unter 21 war. Anders in Deutschland: "Da werden auch noch alte Männer dem Jugendrichter vorgeführt." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 7.5.2013)